VwGH 92/06/0199

VwGH92/06/019922.10.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, in der Beschwerdesache 1. der R und 2. der K-GmbH in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Schlichtungsstelle in Mietrechtsangelegenheiten beim Magistrat der Landeshauptstadt St. Pölten vom 6. März 1991, Zl. 00/22/1/3-1991, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Rückzahlung von Ablösebeträgen gemäß § 27 MRG, den Beschluß gefaßt:

Normen

B-VG Art94;
MRG §27 Abs1;
MRG §37 Abs1 Z14 idF 1991/068;
MRG §39 Abs1;
MRG §39 Abs4;
MRG §40 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
WÄG 02te 1991 Art5;
B-VG Art94;
MRG §27 Abs1;
MRG §37 Abs1 Z14 idF 1991/068;
MRG §39 Abs1;
MRG §39 Abs4;
MRG §40 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
WÄG 02te 1991 Art5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und den vorliegenden Verwaltungsakten ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer beantragten mit einem an die Schlichtungsstelle beim Magistrat der Stadt St. Pölten gerichteten und dort am 4. März 1991 eingelangten Schriftsatz gemäß § 37 Abs. 1 Z. 14 MRG eine Entscheidung dahin, daß die zwischen den Beschwerdeführern und der Antragsgegnerin abgeschlossene Vereinbarung auf Zahlung einer Investitionsablöse in der Höhe von S 360.000,-- für das Mietobjekt, bestehend aus einem Verkaufsraum und einem WC mit einer Gesamtnutzfläche von ca. 37 m2 gemäß § 27 Abs. 1 MRG ungültig und verboten sei, sowie ferner, daß die Antragsgegnerin schuldig sei, binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution den Antragsgegnern den Betrag von S 360.000,-- samt 10 Prozent Zinsen seit 1. August 1990 zuzüglich 20 Prozent USt aus den Zinsen zu bezahlen.

Diesen Antrag hat die Schlichtungsstelle mit Bescheid vom 6. März 1991 gemäß § 39 Abs. 1 in Verbindung mit § 37 Abs. 1 MRG als unzulässig zurückgewiesen und diesen Bescheid damit begründet, daß im § 37 Abs. 1 MRG die Verfahren gemäß § 27 (Rückforderung von verbotenen Leistungen und Entgelten) nicht erwähnt seien, sodaß diese Verfahren nicht in die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle fielen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer gemäß Art. 144 B-VG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof mit dem Eventualantrag, die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG in Verbindung mit § 87 Abs. 3 VfGG 1953 an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten. Ferner beantragten die Beschwerdeführer beim Bezirksgericht St. Pölten eine gerichtliche Entscheidung über ihren Antrag gemäß § 40 Abs. 1

MRG.

Mit Beschluß vom 4. April 1991, 3 MSch 2/91, hat das Bezirksgericht St. Pölten den Antrag der Beschwerdeführer zurückgewiesen. Die Schlichtungsstelle habe zwar übersehen, daß mit dem am 1. März 1991 in Kraft getretenen

2. Wohnrechtsänderungsgesetz, BGBl. Nr. 68/1991, die Z. 14 des § 37 MRG eingeführt und auch die Rückzahlung von verbotenen Leistungen und Entgelten gemäß § 27 MRG mit Wirkung vom 1. März 1991 ins Außerstreitverfahren verwiesen worden sei, weshalb die Schlichtungsstelle ihre Zuständigkeit zu Unrecht verneint habe. Es handle sich aber nach Meinung des Bezirksgerichtes nicht um eine Entscheidung der Gemeinde gemäß § 39 MRG. Als solche könne vielmehr nur eine Sachentscheidung betrachtet werden, wie sich insbesondere aus der Bestimmung des § 40 Abs. 1 MRG ergebe, wonach durch die Anrufung des Gerichtes die Entscheidung der Gemeinde außer Kraft trete. Würde der Zurückweisungsbeschluß der Gemeinde außer Kraft treten, wäre das Verfahren bei der Gemeinde wieder offen. Die Beschwerdeführer würden daher die Entscheidung der Gemeinde im Verwaltungsweg, insbesondere durch Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes zu bekämpfen haben.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 9. Juni 1992, B 422/91 - nach Beischaffung der Verwaltungsakten und Einholung einer Gegenschrift der belangten Behörde - die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Die Beschwerde ist unzulässig:

Gemäß § 37 Abs. 1 Z. 14 MRG in der Fassung des 2. Wohnrechtsänderungsgesetzes, BGBl. Nr. 68/1991, entscheidet über die Rückzahlung von verbotenen Leistungen und Entgelten das für Zivilrechtssachen zuständige Bezirksgericht, in dessen Sprengel das Miethaus gelegen ist, im Verfahren außer Streitsachen. Gemäß Art. V Abs. 1 des 2. Wohnrechtsänderungsgesetzes trat dieses mit 1. März 1991 in Kraft. Nach Abs. 2 der zitierten Gesetzesstelle gelten die Art. I und II (diese Artikel betreffen Änderungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes und des Mietrechtsgesetzes, darunter auch jene des § 37 Abs. 1 Z. 14 MRG) auch für Miet- und sonstige Nutzungsverträge, die vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geschlossen worden sind. Gemäß Art. V Abs. 3 Z. 3 waren lediglich am 1. März 1991 anhängige Verfahren nach den bisherigen Vorschriften durchzuführen. Gemäß § 39 Abs.1 MRG kann ein Verfahren in Gemeinden, auf die die Voraussetzungen des ersten Halbsatzes dieser Gesetzesstelle zutreffen, bei Gericht hinsichtlich der in der Gemeinde gelegenen Mietgegenstände nur eingeleitet werden, wenn die Sache vorher bei der Gemeinde anhängig gemacht worden ist. Gemäß § 40 Abs. 1 MRG kann die Partei, die sich mit der Entscheidung der Gemeinde nicht zufrieden gibt, die Sache bei Gericht anhängig machen. Durch die Anrufung des Gerichtes tritt die Entscheidung der Gemeinde außer Kraft. Sie tritt jedoch wieder in Kraft, wenn der Antrag auf Entscheidung des Gerichtes zurückgezogen wird. Das Gericht kann jedoch nicht mehr angerufen werden, wenn seit dem Tage, an dem die Gemeinde entschieden hat, mehr als vierzehn Tage verstrichen sind; hat die Gemeinde in Abwesenheit einer Partei entschieden, so läuft für diese Partei die vierzehntägige Frist von dem Tage, an dem die Gemeinde sie von ihrer Entscheidung in Kenntnis gesetzt hat.

Strittig ist im Beschwerdefall, ob in jenen Fällen, in denen die Schlichtungsstelle einen Antrag nicht meritorisch behandelt, sondern als unzulässig zurückweist, die Anrufung des Gerichtes im Sinne des § 40 Abs. 1 MRG zulässig ist oder ob dieser Bescheid - gegen den gemäß § 39 Abs. 4 MRG ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist - in Ermangelung einer Gerichtszuständigkeit gemäß Art. 131 Abs. 1 B-VG mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu bekämpfen ist.

Die Beschwerdeführer begründen die Zulässigkeit der Beschwerde in ihrer - zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichteten - Beschwerde wie folgt:

"Die Entscheidung der Gemeinde kann gemäß § 30 (4) MRG durch kein Rechtsmittel angefochten werden. Spruch und Begründung eines Bescheides bilden eine Einheit (VfSlg. 6764); der Spruch des Bescheides ist also dahin zu verstehen, daß die Zurückweisung des Antrages auch eine Entscheidung in der Zuständigkeitsfrage impliziert, sohin eine verfahrensrechtliche Frage des verwaltungsbehördlichen Verfahrens vor der Gemeinde darstellt; derartige Entscheidungen können aber nicht gemäß § 40 MRG mit Antrag an das Gericht außer Kraft gesetzt werden; andernfalls hätte das Gericht im Widerspruch zu Art. 94 B-VG über eine verfahrensrechliche Frage des verwaltungsbehördlichen Verfahrens vor der Gemeinde zu entscheiden (VfSlg. 2778, MietSlg. 26370)."

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat als Rekursgericht in seiner Entscheidung vom 10. November 1977, 41 R 543/77, MietSlg. 29460 (41) in einem vergleichbaren Fall - unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 1974, B 339/73, MietSlg. 26370 (1) - ausgesprochen, daß lediglich bei verfahrensrechtlichen Bescheiden, worunter Bescheide zu verstehen seien, die formell ihre Grundlage in verfahrensrechtlichen Bestimmungen des AVG hätten, eine Überprüfung durch das Gericht ausgeschlossen sei. Die Zurückweisung des Antrages aus formellen Gründen betreffe jedoch den Antrag und unterliege daher der Rechtsmittelbeschränkung des (damals noch anzuwendenden) § 36 Abs. 4 MG. Gegen eine solche Entscheidung sei jedenfalls die Anrufung des Gerichtes zulässig. Diese Rechtsauffassung hat sich auch der Verwaltungsgerichtshof zu eigen gemacht und in seinem Beschluß vom 29. Juni 1988, Zl. 88/01/0169, auch zu den Bestimmungen der §§ 39 und 40 MRG (unter Hinweis auf die einschlägige Vorjudikatur) aufrechterhalten. Eine Unzuständigkeit der Gerichte und demgemäß die Möglichkeit, gegen den Bescheid der Schlichtungsstelle unmittelbar den Verwaltungs- oder den Verfassungsgerichtshof anzurufen, hat die Judikatur nur für Fälle selbständiger verfahrensrechtlicher Entscheidungen, wie z.B. über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bejaht (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 1974, B 339/73, MietSlg. 26370 (1); ebenso WÜRTH-ZINGHER, Miet- und Wohnrecht19, Wien 1989, Seite 368 - Anmerkung 5 zu § 39 MRG).

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch im Lichte der Ausführungen des Bezirksgerichtes St. Pölten in dessen Beschluß vom 4. April 1991 nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzurücken; dies aus folgenden Gründen:

Voraussetzung für die Anrufung des Gerichtes im Sinne des § 40 Abs. 1 MRG ist im Sinne des § 39 Abs. 1 MRG, daß "die Sache vorher bei der Gemeinde anhängig gemacht worden ist". Die Partei, die sich "mit der Entscheidung der Gemeinde" nicht zufrieden gibt, kann "die Sache bei Gericht anhängig machen" (§ 40 Abs. 1 MRG). Daraus ergibt sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, daß es nicht Voraussetzung für die Anrufung des Gerichtes ist, daß die Gemeinde über den Antrag INHALTLICH entschieden hat, sondern nur, daß das Rechtsschutzanliegen bei der Gemeinde ANHÄNGIG gemacht worden ist und die Partei sich mit der Entscheidung der Gemeinde nicht zufrieden gibt. Diese Entscheidung der Gemeinde kann in einer meritorischen (negativen) Erledigung, aber auch darin bestehen, daß der Antrag - aus welchen Gründen immer - für unzulässig gehalten wird.

In beiden Fällen tritt die Entscheidung mit Anrufung des Gerichtes außer Kraft (weshalb eine Verletzung des Art. 94 B-VG durch die Anrufung des Gerichtes von vornherein nicht in Betracht kommt) und eröffnet dem Gericht die volle Jurisdiktion in der (eigentlichen) "Sache", welche die Partei zunächst an die Schlichtungsstelle und in weiterer Folge an das Gericht herangetragen hat, wozu auch die Prüfung der Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens gehört. Andererseits kann in Fällen, in denen die Gemeinde den Antrag der Partei als unzulässig zurückweist (d.h. eine Sachentscheidung inhaltlich verweigert), unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht anderes gelten als in jenen Fällen, in denen die Gemeinde über den Antrag innerhalb der ihr gemäß § 40 Abs. 2 MRG eingeräumten gesetzlichen Frist von drei Monaten nicht entschieden hat. In beiden Fällen fehlt eine meritorische Erledigung der Gemeinde, weshalb der (meritorischen) Entscheidung des Gerichtes in der Sache selbst (einschließlich der Zulässigkeit des Verfahrens außer Streitsachen, ein verwaltungsbehördlicher Bescheid in derselben Sache nicht entgegensteht. Es geht daher auch das Argument des Bezirksgerichtes St. Pölten fehl, durch das Außerkrafttreten des Zurückweisungsbeschlusses als Folge der Anrufung des Gerichtes wäre das Verfahren vor der Schlichtungsstelle "wieder offen", weil dasselbe auch für den Fall des Außerkrafttretens einer meritorischen Entscheidung gälte. Das Außerkrafttreten der Entscheidung der Gemeinde bedeutet hier kein Wiederaufleben von deren Zuständigkeit, sondern ist lediglich notwendige Voraussetzung für die Zulässigkeit einer gerichtlichen Entscheidung unter dem Gesichtspunkt des in Art. 94 B-VG verankerten Grundsatzes der Trennung der Justiz von der Verwaltung.

Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Die Beschwerdeführer werden für den Fall der Rechtskraft des Zurückweisungsbeschlusses des Bezirksgerichtes St. Pölten auf die Möglichkeit verwiesen, zur Lösung des zwischen dem Bezirksgericht St. Pölten und dem Verwaltungsgerichtshof bestehenden Kompetenzkonflikts gemäß Art. 138 Abs. 1 lit. b B-VG den Verfassungsgerichtshof anzurufen.

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