VwGH 91/15/0130

VwGH91/15/013023.11.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde des Präsidenten der FLD für Kärnten, gegen den Bescheid der FLD für Kärnten (Berufungssenat) vom 30.9.1991, Zl. B 46/3-4/88, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren über die Festsetzung der USt für die Jahre 1984 und 1985 sowie die Festsetzung der Ust für die Jahre 1984 bis 1986 (mP: T-GmbH in X), zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1972 §10 Abs2 Z11;
VwRallg;
UStG 1972 §10 Abs2 Z11;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit Umsatzsteuer für das Jahr 1986 festgesetzt wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Gegenstand des Unternehmens der Mitbeteiligten ist unter anderem der Betrieb eines Solariums. Die beim Betrieb des Solariums erzielten Umsätze unterzog die Beschwerdeführerin unter anderem in den Jahren 1984 bis 1986 dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 10 Abs. 2 Z. 11 UStG.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, die im Bräunungsstudio der Mitbeteiligten erzielten Umsätze aus Solarien, die ausschließlich oder überwiegend kosmetischen Zwecken dienten, seien nicht nach § 10 Abs. 2 Z. 11 UStG begünstigt.

Das Finanzamt nahm die Verfahren betreffend die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Jahre 1984 und 1985 wieder auf und erließ der Auffassung des Prüfers folgende Sachbescheide; betreffend das Jahr 1986 setzte das Finanzamt (erstmals) die Umsatzsteuer ausgehend vom Normalsteuersatz für die Umsätze aus dem Bräunungsstudio (Solarium) fest.

Die Mitbeteiligte erhob Berufung, die sich sowohl gegen die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens als auch gegen die die Umsatzsteuer für die Jahre 1984 bis 1986 festsetzenden Bescheide richtete. Sie vertrat die Auffassung, die von ihr verabreichten Lichtbäder seien unter den Begriff der "Heilbäder" in § 10 Abs. 2 Z. 11 UStG zu subsumieren; die von ihr erzielten Umsätze aus Lichtbädern seien daher begünstigt zu versteuern. Anläßlich der Eröffnung des Unternehmens im Jahr 1979 sei seitens des Finanzamtes Villach eine diesbezügliche Auskunft erteilt worden. Die Behauptung des Betriebsprüfers, daß die von der Mitbeteiligten verabreichten Lichtbäder ausschließlich oder überwiegend kosmetischen Zwecken dienten, sei völlig aus der Luft gegriffen. Die Kunden würden "fast ausschließlich von Ärzten geschickt, und zwar zur Behandlung von Akne, Schuppenflechte, zur Entspannung der Muskeln, zur Giftstoffausscheidung, wegen des positiven Einflusses auf das vegetative Nervensystem sowie wegen der enormen Stärkungsmöglichkeit des Hormonsystems".

Die belangte Behörde hielt der Mitbeteiligten daraufhin vor, in Anbetracht der Bezeichnung als Bräunungsstudio, der im Prospekt der Mitbeteiligten enthaltenen Werbung mit dem Schwerpunkt auf kurzfristig erlangbarer Urlaubsbräune und des auf den Belegvordrucken der Mitbeteiligten für die Art der Leistung gewählten Begriffes "Bräunung" könnte der Berufungssenat zur Auffassung gelangen, daß das Solarium in erster Linie aus Gründen der Bräunung und nicht aus Heilungsgründen in Anspruch genommen worden sei. Der Mitbeteiligten werde daher Gelegenheit geboten, an Hand geeigneter Unterlagen abschließend jene Solariumumsätze nachvollziehbar darzustellen, auf die das oben Gesagte nicht zutreffe, und die Ermittlung der Höhe der den Solariumumsätzen zuzuordnenden Entgelte darzustellen.

Die Mitbeteiligte beantwortete diesen Vorhalt nicht. In der mündlichen Berufungsverhandlung erklärte sie, die Beantwortung des Vorhaltes sei nicht möglich, weil sich der "Inhaber ihres Unternehmens" im Ausland aufhalte. Ihr "wesentliches Anbringen" beziehe sich jedoch auf den Grundsatz von Treu und Glauben: Sie habe im Vertrauen auf eine am 1. Februar 1979 telefonisch erfolgte Auskunft des Finanzamtes Villach ihre Umsätze aus dem Solarium mit dem begünstigten Steuersatz versteuert und könne nunmehr eine höhere Steuerbelastung nicht auf ihre Kunden überwälzen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung statt, hob die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren und die darauf aufbauenden Umsatzsteuerbescheide für 1984 und 1985 auf und setzte für das Jahr 1986 die Umsatzsteuer neu fest, wobei sie die Umsätze der Mitbeteiligten aus dem Bräunungsstudio dem begünstigten Steuersatz unterzog. Begründend führte sie nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage aus, es sei jedwede Verabreichung von Lichtbädern als "Verabreichung von Heilbädern" im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 11 UStG zu qualifizieren.

Die vom Präsidenten der Finanzlandesdirektion erhobene Beschwerde richtet sich nur gegen den die Festsetzung von Umsatzsteuer für das Jahr 1986 betreffenden Teil des angefochtenen Bescheides; die Aufhebung der Wiederaufnahmsbescheide für 1984 und 1985 ist von dem ausschließlich die Anwendung des begünstigten Steuersatzes betreffenden Beschwerdepunkt nicht umfaßt und wird auch in den Beschwerdegründen nicht erwähnt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde wendet sich nicht gegen den die Wiederaufnahme der Verfahren betreffenden Teil des angefochtenen Bescheides; wegen der unangefochten gebliebenen Aufhebung der die Wiederaufnahme verfügenden Bescheide entziehen sich auch die auf die Wiederaufnahme aufbauenden Sachbescheide der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof. Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Prüfung war somit lediglich der die Festsetzung der Umsatzsteuer für 1986 betreffende Teil des angefochtenen Bescheides; dies war im Spruch des Erkenntnisses entsprechend klarzustellen. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß auch bei einer Prüfung des die Wiederaufnahme betreffenden Teiles des angefochtenen Bescheides insoweit keine Bedenken gegen dessen Rechtsrichtigkeit hätten entstehen können, weil nicht ersichtlich ist, daß sich das Finanzamt bei der Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO auf einen der im § 303 Abs. 1 lit. a und c BAO angeführten Tatbestände bzw. auf neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, hätte stützen können.

Nach § 10 Abs. 2 Z. 11 UStG unterliegen dem begünstigten Steuersatz die unmittelbar mit dem Betrieb von Schwimm- und Reinigungsbädern sowie mit der Verabreichung von Heilbädern verbundenen Umsätze.

Der in der zitierten Vorschrift verwendete Begriff "Verabreichung von Heilbädern" ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch im Sinne der Verabreichung von Bädern zu verstehen, mit denen ein heilender, d.h. der Beseitigung bzw. Linderung von Krankheiten dienender Zweck verfolgt wird. Ausschlaggebend für die Anwendbarkeit der Begünstigungsvorschrift ist somit ein im Vordergrund stehender Heilzweck. Ein solcher Zweck wird im allgemeinen zu vermuten sein, wenn die Verabreichung von Bädern auf Grund ärztlicher Verordnung erfolgt. Bei der Verabreichung von Lichtbädern in "Bräunungsstudios", die nicht auf Grund ärztlicher Verordnung erfolgen, kann hingegen im allgemeinen nicht davon ausgegangen werden, daß eine heilende Wirkung im Sinne der oben dargelegten Begriffsbildung im Vordergrund stehe; Lichtbäder dieser Art werden vielmehr im allgemeinen zu im Vordergrund stehenden kosmetischen Zwecken (Bräunung) verabreicht. Im Einklang mit dem einhellig in der Literatur (vgl. Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz § 10 Anm. 225a; zur insoweit inhaltsgleichen Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 9 des deutschen UStG vgl. Schlienkamp in Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz, § 12 Abs. 2, Rz 1394/12; Schuhmann in Rau-Dürrwächter-Flick-Geist, Umsatzsteuergesetz, § 12 Abs. 2 Nr. 9, Rz 31) eingenommenen Standpunkt vertritt der Verwaltungsgerichtshof somit die Auffassung, daß die Verabreichung von Lichtbädern in "Bräunungsstudios" im allgemeinen nicht dem begünstigten Steuersatz unterliegt.

Die Auffassung der belangten Behörde, jedwede Verabreichung von Lichtbädern unterliege dem begünstigten Steuersatz, steht daher mit dem Gesetz nicht im Einklang. Der im Umfang der Anfechtung ausschließlich auf diese Rechtsansicht gegründete Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Ergänzend sei auf folgendes verwiesen: Ausgehend von der oben dargestellten Rechtslage hätten auch die oben wiedergegebenen Darlegungen der Mitbeteiligten über die "Zuweisung" ihrer Kunden durch Ärzte der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen können. Abgesehen davon, daß nur ein Teil der von der Mitbeteiligten angeführten Behandlungszwecke als auf Heilung von Krankheiten gerichtet angesehen hätte werden können, hat die Mitbeteiligte trotz entsprechenden Vorhaltes den (im Hinblick darauf, daß sie eine Begünstigung anstrebte, ihr obliegenden) Beweis dafür, daß bzw. in welchem Umfang mit der Verabreichung von Lichtbädern heilende Zwecke verfolgt wurden, nicht angetreten.

Ebensowenig hat die Mitbeteiligte im Berufungsverfahren einen konkreten Sachverhalt vorgetragen, aus dem ein Anspruch auf Anwendung der Begünstigungsvorschrift unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben abgeleitet werden könnte. Ihrem Vorbringen, seitens des Finanzamtes Villach sei "eine diesbezügliche Auskunft" (nämlich in der Richtung, daß Umsätze aus Lichtbädern jeweils begünstigt zu besteuern seien) erteilt worden, kann weder entnommen werden, daß ein bestimmter Organwalter auf Grund einer umfassenden Information über den abgabenrechtlich relevanten Sachverhalt die behauptete Auskunft erteilt hätte, noch, welche besonderen Umstände vorgelegen wären, die im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 22. April 1991, Zl. 90/15/0007) ein Abgehen von der bisherigen Verwaltungsübung hätten unbillig erscheinen lassen. Nur am Rande sei bemerkt, daß das von der Mitbeteiligten bezeichnete Finanzamt zum behaupteten Zeitpunkt der Anfrage für die Erhebung der Umsatzsteuer nach § 8 Abs. 1 Z. 1 AVOG in der damals geltenden Fassung gar nicht zuständig gewesen wäre.

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