VwGH 91/17/0091

VwGH91/17/00915.12.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Beschwerdesache 1. der SL in X, 2. des CL in X, 3. der KA-GmbH in W, 4. des KA in W,

5. der GA in W, und 6. der S-GmbH in Liquidation in X, alle vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Gemeinderat der Stadtgemeinde Neusiedl am See wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit der Berufung der Sechstbeschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Neusiedl am See vom 6. Juni 1989 betreffend die Vorschreibung eines vorläufigen Kanalanschlußbeitrages, den Beschluß gefaßt:

Normen

ALöschG 1934 §1;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
ALöschG 1934 §1;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden der Erst- bis Fünftbeschwerdeführer werden zurückgewiesen.

Die namens der sechstbeschwerdeführenden Gesellschaft mbH erhobene Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 6. Juni 1989 schrieb der Bürgermeister der Stadtgemeinde Neusiedl am See der sechstbeschwerdeführenden Partei einen vorläufigen Kanalanschlußbeitrag für das Grundstück GN nn1, KG X, in der Höhe von S 264.627, abzüglich "Kanalanschlußgebühr Altbau S 43.732,55, somit S 220.894,45" vor.

Mit Schriftsatz vom 29. Juni 1989 erhob die sechstbeschwerdeführende Partei Berufung.

1.2. Gegen die Verletzung der Entscheidungspflicht des Gemeinderates hinsichtlich dieser Berufung wendet sich die vorliegende Säumnisbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

1.3. Im Hinblick auf den Akteninhalt des hg. Verfahrens zu Zl. VH 90/17/0007 richtete der Verwaltungsgerichtshof am 16. Juli 1991 ein Schreiben an die Beschwerdevertreterin, um die Beschwerdelegitimation der sechstbeschwerdeführenden Partei zu klären. Wie sich aus einem dort von der Sechstbeschwerdeführerin vorgelegten Handelsregisterauszug ergebe, sei der Antrag eines Gläubigers auf Konkurseröffnung über deren Vermögen mit Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt vom 26. September 1988 mangels Vermögens abgewiesen worden. Die Gesellschaft sei dadurch gemäß § 1 des Amtslöschungsgesetzes vom 9. Oktober 1934, DRGBl I 914 (Art. 1 der 4. EVHGB) - im folgenden: AmtsLG - aufgelöst. Wie die Sechstbeschwerdeführerin im erwähnten Verfahrenshilfeantrag samt Vermögensbekenntnis angegeben habe, erziele sie kein Einkommen, da sie seit 1988 nicht mehr tätig sei. Auch sei die Gesellschaft vermögenslos. Es sei die Frage zu stellen, ob die auf das Amtslöschungsgesetz gestützte Auflösung der Gesellschaft im Zusammenhalt mit dem Vorbringen, daß die Gesellschaft keine Aktiva mehr aufweise, die Bedeutung einer Totalbeendigung der Gesellschaft und damit der Beendigung ihrer Rechtspersönlichkeit habe.

Der Verwaltungsgerichtshof richtete folgende Aufforderungen an die Vertreterin der sechstbeschwerdeführenden Partei. Es sei

  1. "1) bekanntzugeben, ob sie noch über ein der Liquidation zugängliches Vermögen verfügt, verneinendenfalls worauf sie den Fortbestand ihrer Rechtspersönlichkeit stützt.
  2. 2) Es ist die Bevollmächtigung der einschreitenden Beschwerdevertreterin durch CL als "Liquidator", auf die in der Säumnisbeschwerde Bezug genommen wird, vorzulegen.
  3. 3) Es ist anzugeben, worauf sich die Vertretungsbefugnis des CL gründet, und zwar sowohl im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung als auch im Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung.
  4. 4) Es ist anzugeben, worauf sich die Bezeichnung der Sechstbeschwerdeführerin als Gesellschaft mit beschränkter Haftung "in Liquidation" stützt. Sollte diese Bezeichnung unzutreffend sein, wäre die Parteibezeichnung richtigzustellen."

1.4. In Beantwortung dieser Fragen teilte die Beschwerdevertreterin mit:

"Ad 1.):

Die S-GmbH i.Liqu. verfügt über kein positives der Liquidation zugängliches Vermögen.

Der Fortbestand der Rechtspersönlichkeit wird darauf gestützt, daß auch negatives Vermögen dem Liquidationsprozeß zugrunde zu legen ist. Da nun seitens der belangten Behörde eine nach Ansicht des Liquidators nicht zu Recht bestehende Forderung gegen die S-GmbH i.Liqu. geltend gemacht wird, besteht ein rechtliches Interesse daran, daß geklärt wird, daß diese Forderung nicht zu Recht besteht. Dies umso mehr als sich an die Frage des zu Recht Bestehens oder nicht zu Recht Bestehens der Forderung gegen die S-GmbH i.Liqu. rechtliche Konsequenzen für den Liquidator zu knüpfen vermögen und damit untrennbar Haftungsfragen verbunden sind.

Ad 2.):

Die schriftliche Bevollmächtigung kann von der Sechstbeschwerdeführerin nicht in Vorlage gebracht werden, da

sie in den Akten der belangten Behörde erliegt.

Ad 3.):

Die Vollmachtserteilung erfolgte am 11.5.1989. Die Vollmacht wurde am 26.5.1989 der belangten Behörde übergeben. Die Vertretungsbefugnis des CL gründet sich sowohl im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung, als auch im Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung auf dessen Bestellung zum Liquidator und die daran, unter Punkt 1.) näher beschriebenen Umstände.

Ad 4.):

Die Bezeichnung der Sechstbeschwerdeführerin als Gesellschaft mit beschränkter Haftung 'in Liquidation' stützt sich darauf, daß die Gesellschaft nicht mehr betrieben wird und die Geschäftsführer lediglich Auflösungshandlungen zu tätigen haben, worunter auch die Abwehr der gegenständlichen Forderung fällt."

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

2.1. Die Beschwerden der als erst- bis fünftbeschwerdeführende Parteien auftretenden Personen waren schon deswegen zurückzuweisen, weil diese nicht Parteien des Abgabenverfahrens waren.

2.2. Der mit Berufung bekämpfte Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Neusiedl am See vom 6. Juni 1989, betreffend die Vorschreibung eines vorläufigen Kanalanschlußbeitrages, welcher die sechstbeschwerdeführende Partei ausschließlich BELASTET, ist in einem Zeitpunkt ergangen, als die Sechstbeschwerdeführerin als Gesellschaft mbH bereits aufgelöst war. Die Eintragung im Handelsregister des Handelsgerichtes Eisenstadt vom 2. Mai 1989 lautet:

"Mit Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt vom 26. September 1988 Zahl 4Nc nn7/88-5 wurde der Antrag eines Gläubigers auf Konkurseröffnung mangels Vermögens abgewiesen. Die Gesellschaft ist dadurch gemäß § 1 des Amtslöschungsgesetzes aufgelöst."

Die namens der sechstbeschwerdeführenden Partei einschreitende rechtsfreundliche Vertreterin teilte mit, daß diese aufgelöste Gesellschaft mbH über kein positives, der Liquidation zugängliches Vermögen verfüge.

Gemäß § 1 Abs. 1 erster Satz AmtsLG wird eine Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mbH außer in den bisher bestimmten Fällen mit Rechtskraft des Beschlusses aufgelöst, durch den ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Konkursmasse abgewiesen wird. Nach § 1 Abs. 2 zweiter Satz AmtsLG ist die Auflösung von Amts wegen in das Handelsregister einzutragen. Eine solche Eintragung liegt im Beschwerdefall vor.

Eine auf diese Bestimmung gestützte Auflösung der Kapitalgesellschaft bewirkt, ebenso wie die die Auflösung der Gesellschaft bewirkende Löschung wegen Vermögenslosigkeit nach § 2 Abs. 1 AmtsLG, jedenfalls dann das Erlöschen der Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft mbH, wenn kein Aktivvermögen mehr vorhanden ist (vgl. REICH-ROHRWIG, Das österreichische GmbH-Recht, 726, und die dort zitierte Rechtsprechung). In diesem Sinne lehren auch KASTNER-DORALT-NOWOTNY, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts5, 444, daß die GmbH mit der Auflösung nicht ende; in der Regel schließe sich nämlich die Liquidation an, die nur bei völliger Vermögenslosigkeit oder bei Konkurs sowie bei Verschmelzung, Umwandlung und Verstaatlichung entfalle. Die Löschung habe nur deklarative Wirkung; die Gesellschaft bestehe so lange fort, als noch Vermögen vorhanden sei (aaO, 447). Auch unter den kraft Gesetzes wirkenden Auflösungsgründen einer Aktiengesellschaft nennen die genannten Autoren die Ablehnung der Konkurseröffnung mangels eines zur Kostendeckung voraussichtlich hinreichenden Vermögens, wobei unter anderem auch auf § 1 AmtsLG verwiesen wird. Werde die Konkurseröffnung mangels Kostendeckung abgelehnt, so entfalle die Abwicklung allerdings nur bei völliger Vermögenslosigkeit. Ob nun die Rechtspersönlichkeit fortbesteht, wenn und solange noch Aktivvermögen existiert, mag dieses auch überschuldet sein (vgl. dazu etwa REICH-ROHRWIG, aaO; KASTNER-DORALT-NOWOTNY, aaO, 444, 447; OGH 8.3.1961, EvBl 1961/251; OLG Wien 26.4.1976, NZ 1977, 71; OGH 24.3.1987, NZ 1988, 82), oder ob die Rechtspersönlichkeit als Zurechnungspunkt von Rechten und Pflichten erst wieder durch einen Beschluß auf (Nachtrags-)Liquidation und Bestellung von (neuen) Liquidatoren wiederhergestellt wird (vgl. dazu Schiemer, Handkommentar zum Aktiengesetz2, 1986, 831), kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben. Denn es ist unbestritten, daß ein solches Aktivvermögen nicht vorhanden ist.

Die GEGEN die bereits aufgelöste Gesellschaft mbH gerichtete Geltendmachung der Kanalgebührenforderung mit Bescheid des Bürgermeisters vom 6. Juni 1989 ist daher mangels rechtlicher Existenz des Abgabenschuldners und Bescheidadressaten ins Leere gegangen (vgl. dazu die hg. Beschlüsse vom 14. Jänner 1986, Zl. 85/14/0166, und vom 16. Juni 1987, Zl. 87/14/0076; ferner vom 17. Oktober 1988, Zl. 87/15/0152).

Mangels rechtlicher Existenz der Gesellschaft mbH, in deren Namen die Säumnisbeschwerde erhoben wird, ist diese nicht als Partei des Verfahrens im Sinne des § 27 VwGG anzusehen, die die Entscheidungspflicht der belangten Behörde überhaupt hätte geltend machen können. Die namens der sechstbeschwerdeführenden Partei erhobene Säumnisbeschwerde war somit mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 durch Beschluß in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

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