VwGH 91/17/0057

VwGH91/17/00575.7.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer,

10. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde

1.) des HN und 2.) der MN, beide in P und beide vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl/See vom 11. Oktober 1990, Zl. II-T-9-1990, betreffend Kanalbenützungsgebühr (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Podersdorf/See),

Normen

AVG §66 Abs4;
BAO §289 Abs2;
KanalabgabeG Bgld;
KanalbenützungsgebührenV Podersdorf 1986 §2;
LAO Bgld 1963 §213 Abs2;
VwGG §34 Abs2;
AVG §66 Abs4;
BAO §289 Abs2;
KanalabgabeG Bgld;
KanalbenützungsgebührenV Podersdorf 1986 §2;
LAO Bgld 1963 §213 Abs2;
VwGG §34 Abs2;

 

Spruch:

I) den Beschluß gefaßt:

Das Verfahren wird, soweit es die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers betrifft, eingestellt.

II) zu Recht erkannt:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde schrieb mit Bescheid vom 10. November 1988 den Beschwerdeführern eine Kanalbenützungsgebühr von insgesamt S 102.332,02 vor.

Die Beschwerdeführer erhoben Berufung und machten geltend, daß die dem erstinstanzlichen Bescheid zugrundeliegende Berechnungsgrundlage unsachlich sei, weil in der mitbeteiligten Gemeinde zirka 70 Prozent der Liegenschaftseigentümer ihr Nutzwasser aus Hausbrunnen bezögen. Diese Tatsache finde jedoch in der Berechnung der Kanalisationsbenützungsgebühr keinen Niederschlag. Liegenschaftseigentümer, die einen Hausbrunnen nicht besäßen, würden dadurch benachteiligt.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde gab mit Bescheid vom 11. Juni 1990 dieser Berufung nicht statt und bestätigte den angefochtenen Bescheid.

Die Beschwerdeführer erhoben Vorstellung.

Mit Bescheid vom 11. Oktober 1990 wies die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl/See diese Vorstellung gemäß §§ 77 und 79 Abs. 3 der Burgenländischen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 37/1965, als unbegründet ab.

Nach der Begründung dieses Bescheides sei die Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 13. September 1986, mit welcher die Einhebung von Kanalbenützungsgebühren festgelegt worden sei, von der Landesregierung als Aufsichtsbehörde zur Kenntnis genommen und ordnungsgemäß kundgemacht worden. Zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung, welche überdies bereits von der Aufsichtsbehörde geprüft worden sei, sei der Verfassungsgerichtshof und "keine" Verwaltungsbehörde berufen. Ob die gegenständliche Abgabenverordnung gesetzmäßig bzw. verfassungsmäßig sei oder nicht, konkret ob gegen das Äquivalenzprinzip oder das Gleichheitsgebot verstoßen worden sei, sei einer Prüfung durch die erkennende Behörde entzogen. Wie die Beschwerdeführer in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid selbst zugestanden hätten, "wurde die Kanalbenützungsgebühr auf Grund der gesetzlich genannten Bestimmungen richtig berechnet" und dieser Bescheid lediglich wegen Gesetzwidrigkeit der ihm zugrundeliegenden Verordnung bekämpft. Ebenso hätten sich die angebotenen Beweismittel ausschließlich auf die Gesetzwidrigkeit der genannten Verordnung bezogen. Die Berufungsbehörde habe daher den Bescheid keineswegs mit Rechtswidrigkeit infolge eines Verfahrensmangels belastet, indem sie die beantragten Beweise nicht aufgenommen habe, weil sie auch bei Durchführung dieser Beweisaufnahme zu keiner anderen Entscheidung hätte kommen können.

Die Beschwerdeführer bekämpften diesen Bescheid zunächst mit Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, welcher jedoch mit seinem Beschluß vom 26. Februar 1991, B 1309/90-4, die Behandlung der Beschwerde ablehnte; dies im wesentlichen mit der Begründung, daß im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Äquivalenzprinzip (vgl. VfSlg. 10.947/1986 mit einer Zusammenfassung der Vorjudikatur) das Beschwerdevorbringen, das den wesentlichen Inhalt dieser Rechtsprechung verkenne und eine Unverhältnismäßigkeit zwischen Gesamtaufwand der Gemeinde für die Anlage und Gebührenhöhe gar nicht behaupte, die behauptete Verletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm, aber auch die Verletzung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht als so wenig wahrscheinlich erkennen lasse, daß die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Gleichzeitig wurde mit diesem Beschluß des Verfassungsgerichtshofes die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten.

Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 1991 wurden die Beschwerdeführer zuhanden ihres Vertreters gemäß § 34 Abs. 2 VwGG aufgefordert, die Beschwerde zur Behebung der ihr anhaftenden Mängel zu ergänzen.

Innerhalb der gesetzten Frist kam lediglich die Zweitbeschwerdeführerin den Verbesserungsaufträgen nach.

I. ZUM ERSTBESCHWERDEFÜHRER:

Gemäß § 34 Abs. 2 VwGG sind Beschwerden, bei denen die Vorschriften über die Form und den Inhalt (§§ 23, 24, 28, 29) nicht eingehalten wurden, zur Behebung der Mängel unter Anberaumung einer kurzen Frist zurückzustellen; die Versäumung dieser Frist gilt als Zurückziehung.

Im Beschwerdefall ist der Erstbeschwerdeführer dem ihm erteilten Mängelbehebungsauftrag nicht nachgekommen.

Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers gilt somit gemäß § 34 Abs. 2 VwGG als zurückgezogen und es war das Verfahren, soweit es den Erstbeschwerdeführer betrifft, gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

II. ZUR ZWEITBESCHWERDEFÜHRERIN:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Zweitbeschwerdeführerin "in ihrem subjektiven Recht, nicht zu einer überhöhten Abgabenleistung herangezogen zu werden, verletzt". Die Zweitbeschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.

In Ausführung des oben bezeichneten Beschwerdepunktes bringt die Zweitbeschwerdeführerin in ihrer Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof vor:

"Zur Begründung dieser Rechtsverletzung wird einerseits auf das Vorbringen in der Beschwerde verwiesen, welches in vollem Umfang aufrecht erhalten wird, und ergänzend folgendes aufgeführt:

Während im Spruch des bekämpften Bescheides vom 10.11.1988 ausdrücklich festgehalten ist, daß gemäss §§ 10, 11 und 12 des Kanalabgabegesetzes die Kanalbenützungsgebühr zu entrichten ist, wird in der Begründung des Bescheides lediglich auf die Bestimmung des § 15 Abs. 3 Zl. 5 des FinAusglG 1985 und § 10 Abs. 1 des Burgenländischen Kanalabgabengesetzes verwiesen. Es ist sohin für die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar, ob der erstinstanzliche Bescheid über die Vorschreibung der Kanalgebühren seine gesetzliche Grundlage in der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Podersdorf vom 13.9.1986 oder in den §§ 10, 11 und 12 des Burgenländischen Kanalabgabengesetzes hat; auf Grund der Widersprüchlichkeiten in der Begründung und im Spruch des Bescheides selbst ist nämlich nicht erkennbar, ob sich dieser auf die Verordnung des Gemeinderates oder das Burgenländische KanalAbgG stützt; da die Begründung eines Bescheides nicht nur die Erwägungen darzulegen hat, aus denen die Behörde zur Ansicht gelangt, daß ein bestimmter Sachverhalt vorliegt, sondern auch eindeutig erkennen lassen muß, daß dadurch der Tatbestand einer BESTIMMTEN Rechtsnorm verwirklicht ist, dies jedoch im erstinstanzlichen Bescheid unterlassen wurde, haftet dem Bescheid ein Begründungsmangel im Sinne des § 60 AVG an."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in einer aus dem Vollzugsbereich des Landes stammenden Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann nach § 77 Abs. 1 der Burgenländischen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 37/1965, nach Erschöpfung des Instanzenzuges (§ 76 Abs. 1) innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides dagegen Vorstellung erheben.

Nach Abs. 5 dieser Gesetzesstelle - in der Fassung der Gemeindeordnungs-Novelle 1970, LGBl. Nr. 47 - hat die Aufssichtsbehörde den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen.

Nach § 213 Abs. 1 Bgld. LAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz, von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen einer Zurückweisung der Berufung bzw. der Anweisung an die Abgabenbehörde erster Instanz zur Erlassung einer Berufungsvorentscheidung abgesehen, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur diesbezüglich vergleichbaren Regelung des § 66 Abs. 4 AVG dargelegt hat, hat ein im Verwaltungsverfahren ergangener Berufungsbescheid die Wirkung, daß der erstinstanzliche Bescheid in der Berufungsentscheidung aufgegangen ist und diese Berufungsentscheidung, sobald sie erlassen und solange sie aufrecht ist, der alleinige und ausschließliche Träger des Bescheidinhaltes ist (vgl. u.a. den hg. Beschluß vom 11. Februar 1981, Zl. 81/09/0013, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens braucht daher im vorliegenden Fall nicht weiter untersucht zu werden, ob dem Bescheid der Gemeindeabgabenbehörde erster Instanz vom 10. November 1988 ein Begründungsmangel im Sinne des § 70 Bgld. LAO anhaftet. Daß aber die Gemeindeabgabenbehörde zweiter Instanz etwa ihren Bescheid mit einem Begründungsmangel und insoweit die belangte Gemeindeaufsichtsbehörde ihrerseits den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet habe, weil sie diese dem Bescheid der Gemeindeabgabenbehörde zweiter Instanz anhaftende Rechtswidrigkeit nicht aufgegriffen habe, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. So kann aus der Begründung des zweitinstanzlichen Abgabenbescheides - bezogen auf das Beschwerdevorbringen - hinlänglich genau entnommen werden, auf welche Rechtsgrundlage die Gebührenvorschreibung gestützt wurde.

Soweit aber die Zweitbeschwerdeführerin unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof die Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend macht, weil der § 2 der Kanalbenützungsgebühren-Verordnung der mitbeteiligten Gemeinde das Äquivalenzprinzip nicht wahre, so sind beim Verwaltungsgerichtshof im Lichte des Beschwerdevorbringens verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit dieser Bestimmung nicht entstanden. Der Verwaltungsgerichtshof teilt nämlich die vom Verfassungsgerichtshof im bereits zitierten Beschluß vom 26. Februar 1991 dargelegte Meinung, daß das diesbezügliche Beschwerdevorbringen den wesentlichen Inhalt des Äquivalenzprinzips verkennt und eine Unverhältnismäßigkeit zwischen Gesamtaufwand der Gemeinde für die Anlage und Gebührenhöhe gar nicht behauptet wird. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher auch nicht veranlaßt, gemäß Art. 139 Abs. 1 B-VG in Verbindung mit Art. 89 Abs. 2 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag zu stellen, die in der Beschwerde herangezogene Regelung der Kanalbenützungsgebühren-Verordnung der mitbeteiligten Gemeinde als gesetzwidrig aufzuheben.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde, soweit sie von der Zweitbeschwerdeführerin erhoben wurde, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

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