VwGH 91/07/0049

VwGH91/07/00498.10.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde des 1. Jakob B in S und des 2. Franz B in S, beide vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Obersten Agrarsenates beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 27. Februar 1991, Zl. 710.726/04-OAS/91, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages in einer Bodenreformsache, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §73 Abs2;
AVG §73 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 27. Februar 1991 hat die belangte Behörde den von den Beschwerdeführern in der Angelegenheit Ablöseverfahren Pichlbergwald in S gemäß § 73 AVG gestellten Antrag, die belangte Behörde möge als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Amtes der Salzburger Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz vom 27. Juni 1985 entscheiden, gemäß § 1 AgrVG 1950 und § 73 Abs. 2 AVG als unbegründet abgewiesen.

In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde von nachstehendem, in den vorgelegten Akten Deckung findenden Sachverhalt aus:

Die Beschwerdeführer hätten gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 27. Juni 1985 Berufung erhoben. Schon mit Erkenntnis vom 2. Juli 1986 habe die belangte Behörde einen Devolutionsantrag der Beschwerdeführer abgewiesen, weil den Landesagrarsenat nicht das ausschließliche Verschulden an der Verzögerung der Entscheidung über diese Berufung getroffen habe. Danach hätten Vergleichsversuche stattgefunden, nach deren Scheitern die Beschwerdeführer am 30. Juli 1989 die Fortsetzung des Verfahrens beantragt hätten. In weiterer Folge sei ein Gutachten eingeholt und den Beschwerdeführern am 6. Dezember 1989 zur Stellungnahme übermittelt worden. Am 17. Jänner 1991 hätten die Beschwerdeführer abermals einen an die belangte Behörde gerichteten Devolutionsantrag gestellt, weil der Landesagrarsenat mehr als das ganze Jahr 1990 hindurch untätig geblieben und erst am 8. Jänner 1991 eine Verhandlung für den 25. Jänner 1991 ausgeschrieben habe. Der Landesagrarsenat habe in seiner Stellungnahme zu diesem Devolutionsantrag insbesondere darauf hingewiesen, daß der damalige Vertreter der Beschwerdeführer am 18. Jänner 1990 den Vorsitzenden des Landesagrarsenates ersucht habe, wegen einer angestrebten gütlichen Einigung der Parteien die Berufung vorerst nicht weiter zu behandeln. Erst mit Schreiben vom 12. November 1990 sei der Landesagrarsenat davon in Kenntnis gesetzt worden, daß dem Vertreter der Beschwerdeführer die Vollmacht entzogen worden sei; gleichzeitig sei zum eingeholten Gutachten Stellung genommen worden, worauf der Landesagrarsenat das Verfahren fortgesetzt habe.

In ihren Erwägungen bejahte die belangte Behörde vorerst ihre Zuständigkeit zum Einschreiten auf Grund des gestellten Devolutionsantrages. Bei der für die Berechtigung des Devolutionsantrages in der Sache entscheidenden Frage, ob die Verzögerung der Entscheidung auf ein ausschließliches Verschulden des Landesagrarsenates zurückzuführen sei, ging die belangte Behörde von den aktenkundigen Verfahrensschritten im Berufungsverfahren aus. Es habe demnach dem Wunsch der Beschwerdeführer entsprochen, daß nach mehreren Verhandlungen mit einer Entscheidung zugewartet worden sei, weil eine einvernehmliche Lösung zwischen den Beschwerdeführern und den Österreichischen Bundesforsten versucht werden sollte. Dieses Abwarten habe im allgemeinen Einverständnis bis zum Fortsetzungsantrag der Beschwerdeführer vom 30. Juli 1989 gedauert. Nicht ganz drei Wochen nach Erhalt dieses Schreibens habe sich der Landesagrarsenat veranlaßt gesehen, ein forsttechnisches Gutachten einzuholen, welches nach seinem Einlangen am 4. Dezember 1989 dem Vertreter der Beschwerdeführer zur Stellungnahme übermittelt worden sei. Statt einer Stellungnahme sei am 18. Jänner 1990 um 14 h dieser Vertreter (Dipl.Ing. XY) beim Vorsitzenden des Landesagrarsenates erschienen und habe namens der Beschwerdeführer darum ersucht, die anhängige Berufung vorerst nicht zu behandeln, weil er eine gütliche Regelung zu erzielen hoffe. Da die Beschwerdeführer in den nächsten Monaten nichts weiter von sich hätten hören lassen, habe der Landesagrarsenat am 9. November 1990 an sie ein Schreiben gerichtet, in welchem darauf hingewiesen worden sei, weshalb bisher keine Verhandlung anberaumt worden sei. Am 12. November 1990 hätten die Beschwerdeführer zum eingeholten Gutachten Stellung genommen und mitgeteilt, daß sie Dipl.Ing. XY die Vollmacht entzogen hätten. Zu diesem Schreiben der Beschwerdeführer habe der Landesagrarsenat sodann noch eine Stellungnahme eingeholt, welche am 7. Dezember 1990 eingetroffen sei. Hierauf sei zum nächstmöglichen Termin im Jänner 1991 die Verhandlung anberaumt worden, vor deren Abhaltung jedoch die Beschwerdeführer den gegenständlichen Devolutionsantrag gestellt hätten.

Die belangte Behörde entnehme aus der Aktenlage und aus dem Parteienvorbringen, daß der Landesagrarsenat ab dem Eintreffen des Schreibens vom 12. November 1990 das Verfahren zügig und ohne unnötigen Aufschub durchgeführt habe. Durch das mehrfach während des vorangegangenen Verfahrens von den Beschwerdeführern geäußerte Begehren, mit einer Entscheidung zuzuwarten, sei zwar die Angelegenheit in die Länge gezogen, doch jeweils dem ausdrücklichen Wunsch der Beschwerdeführer entsprochen worden. Immer dann, wenn die Parteien von diesem Wunsch Abstand genommen hätten, sei der Landesagrarsenat tätig geworden. Bei diesen Gegebenheiten könne die belangte Behörde nicht finden, daß ein ausschließliches Verschulden des Landesagrarsenates vorliege. Allerdings werde die Berufungsbehörde in Anbetracht der gegebenen Siuation in Zukunft nicht mehr davon ausgehen können, daß eine einvernehmliche Lösung angestrebt werde, es werde daher auf der Basis eines zügig geführten Ermittlungsverfahrens eine dem Gesetz entsprechende Entscheidung zu treffen sein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch unrichtige Anwendung des § 73 AVG in ihrem Recht auf Übergang der Zuständigkeit in der vorliegenden Bodenrefomrsache auf die belangte Behörde verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß dem Abs. 1 des nach § 1 AgrVG 1950 auch im Verfahren vor den Agrarbehörden anzuwendenden § 73 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Gemäß § 73 Abs. 2 AVG geht dann, wenn der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt wird, auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Einzige Streitfrage im vorliegenden Beschwerdefall ist, ob an der Verzögerung der Entscheidung über die beim Landesagrarsenat anhängige Berufung der Beschwerdeführer ausschließlich diese Behörde ein Verschulden trifft. Ein solches Verschulden, welches der Landesagrarsenat unter Hinweis auf eine Vorsprache des damaligen Vertreters der Beschwerdeführer am 18. Jänner 1990 in Abrede stellt, erblicken die Beschwerdeführer nach ihrem Beschwerdevorbringen ausschließlich in der behaupteten Untätigkeit des Landesagrarsenates in der Zeit ab ihrem Fortsetzungsantrag vom 30. Juli 1989. Es kann daher als unbestritten gelten, daß der Landesagrarsenat in der Zeit vor diesem Antrag das Berufungsverfahren in Übereinstimmung mit einem Parteienwunsch und infolgedessen nicht schuldhaft wegen anhaltender Vergleichsverhandlungen der Parteien nicht zügig vorangetrieben und zum Abschluß gebracht hat.

Unbestritten ist auch, daß der Landesagrarsenat in angemessener Frist nach diesem Fortsetzungsantrag das Verfahren durch Einholung eines forsttechnischen Gutachtens fortgesetzt und dieses Gutachten prompt nach seinem Einlangen den Parteien zur Stellungnahme zugestellt hat. Entscheidend für die allfällige Berechtigung des vorliegenden Devolutionsantrages ist es daher, ob es nach diesem Zeitpunkt erneut über Parteienwunsch zu einem Zuwarten der Berufungsbehörde gekommen ist. Die belangte Behörde ist - in Übereinstimmung mit einem darüber in den Akten des Landesagrarsenates enthaltenen Amtsvermerk - davon ausgegangen, daß ein solcher Wunsch vom damaligen Vertreter der Beschwerdeführer, Dipl.Ing. XY, am 18. Jänner 1990 dem Vorsitzenden des Landesagrarsenates gegenüber ausgesprochen worden ist. Die Beschwerdeführer bestreiten diesen Umstand in ihrer Beschwerde nicht, meinen jedoch, ein solches Vorgehen des Dipl.Ing. XY wäre nicht in ihrem Sinne gewesen und hätte in der Folge zur Auflösung des mit ihm bestandenen Vollmachtsverhältnisses geführt. Die Vorsprache des Dipl.Ing. XY vom 18. Jänner 1990 hätte keinen ausreichenden Grund dafür dargestellt, "das Verfahren auszusetzen".

Daran ist richtig, daß eine formelle "Aussetzung" des von Amts wegen fortzuführenden Berufungsverfahrens über bloßen Parteiwunsch im Gesetz nicht vorgesehen ist. Auf der anderen Seite kann es der Behörde im Verhältnis zu jener Partei, die diesen Wunsch geäußert hat, nicht zum ausschließlichen Verschulden angerechnet werden, wenn sie mit der Entscheidung zuwartet. Der Landesagrarsenat konnte des weiteren von einem derartigen Wunsch der Beschwerdeführer nicht nur deshalb ausgehen, weil er von deren damals mit Vollmacht ausgewiesenem Vertreter ausgesprochen worden war, sondern auch deshalb, weil im Einklang damit eine Stellungnahme der Beschwerdeführer zum eingeholten Gutachten vorerst unterblieben ist. Auch der Umstand, daß der Landesagrarsenat sich nicht davon überzeugt hat, welche Erfolgschancen die vom Vertreter der Beschwerdeführer angestrebte gütliche Einigung habe, läßt unter den gegebenen Umständen nicht den Schluß zu, die dadurch herbeigeführte Verfahrensverzögerung sei "ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde" (§ 73 Abs. 2 AVG) zurückzuführen. Dadurch, daß die belangte Behörde mit dem beanstandeten Zuwarten einem Wunsch der Beschwerdeführer entsprochen hat, hat sie somit DEREN subjektive Rechte nicht verletzt. Nicht zu prüfen war, ob damit allenfalls in Rechte anderer Parteien des Vewaltungsverfahrens eingegriffen wurde, zumal diese keinen Devolutionsantrag gestellt haben. Die Beschwerdeführer waren auch nicht berechtigt, eine allfällige Verletzung von Rechten Dritter vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend zu machen.

Da der Landesagrarsenat nach der Klarstellung, daß mit einer gütlichen Einigung nicht mehr zu rechnen und das Verfahren fortzusetzen sei, im Dezember 1990 umgehend das Verfahren fortgesetzt und schon für Jänner 1991 eine Verhandlung anberaumt hat, vermag der Verwaltungsgerichtshof trotz der ungewöhnlich langen Dauer des beim Landesagrarsenat anhängigen Berufungsverfahrens nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde durch ihre auf den letzten Satz des § 73 Abs. 2 AVG gestützte Abweisung des Devolutionsantrages der Beschwerdeführer deren Rechte verletzt hätte.

Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufandersatz gründet sich - innerhalb der Grenzen des gestellten Antrages - auf die §§ 47, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie 59 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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