VwGH 91/05/0137

VwGH91/05/013712.11.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde

1) des GR und 2) der HR in Loipersbach, beide vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in Mattersburg, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 5. Juni 1991, Zl. X-R-17/9-1991, betreffend die Nichtigerklärung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

GdO Bgld 1965 §84 Abs1 litd;
RPG Bgld 1969 §20 Abs6;
ZustG §17;
ZustG §20;
GdO Bgld 1965 §84 Abs1 litd;
RPG Bgld 1969 §20 Abs6;
ZustG §17;
ZustG §20;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Loipersbach vom 30. Mai 1989, Zl. 108/89, auf. Zur Begründung führte die hier als Gemeindeaufsichtsbehörde einschreitende Bezirkshauptmannschaft aus, daß nach § 84 Abs. 1 lit. d der Burgenländischen Gemeindeordnung in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches ergangene rechtskräftige Bescheide der Gemeinde von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes aufgehoben werden können, wenn der Bescheid an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet. Grundlage dafür sei im gegenständlichen Fall § 20 Abs. 6 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes, wonach Bescheide, die gegen § 20 Abs. 1 leg. cit. verstoßen, nichtig seien. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe gezeigt, daß der Bürgermeister der Gemeinde Loipersbach mit Bescheid vom 30. Mai 1989, zugestellt am 5. Juni 1989, die Baubewilligung zur Errichtung eines Arbeits- und Geräteraumes im Widerspruch zu der im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Widmung Grünland-landwirtschaftlich genutzte Grundfläche erteilt habe. Dies wurde im einzelnen näher begründet.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Zunächst erblicken die Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit darin, daß nach § 20 Abs. 6 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes in der Fassung der Novellen LGBl. Nr. 20/1981 und 61/1990 eine Nichtigerklärung eines Bescheides nur innerhalb von zwei Jahren nach dem im § 63 Abs. 5 AVG bezeichneten Zeitpunkt möglich ist, der angefochtene Bescheid jedoch nach diesem Zeitpunkt erlassen worden ist. Der seinerzeitige Baubewilligungsbescheid sei den Beschwerdeführern am 5. Juni 1989 zugestellt worden. Der angefochtene, mit 5. Juni 1991 datierte Bescheid sei ihnen erst am 10. Juni 1991, also nach Ablauf der genannten Frist, zugestellt worden.

Zu diesem Vorbringen führt die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift aus, daß am 5. Juni 1991 gegen 13.00 Uhr das Zustellorgan der belangten Behörde mit der Zustellung des angefochtenen Bescheides an den damaligen Vertreter der Beschwerdeführer beauftragt worden sei, und zwar anläßlich seines nachmittäglichen Postganges. Gegen 15.15 Uhr sei in der Kanzlei des Vertreters der Beschwerdeführer die Annahme des Schriftstückes mit dem Bemerken, daß die Vertretung aufgekündigt worden sei, nicht angenommen worden. Die Kanzleileiterin der belangten Behörde habe auf Anfrage mitgeteilt, daß etwa zwischen 15.00 Uhr und 15.15 Uhr ein Schreiben über die Aufkündigung der Vollmacht eingebracht worden sei. Aus diesen Tatsachen folgert die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift, daß zum Zeitpunkt des Zustellversuches der Behörde das Nichtbestehen der Vertretungsbefugnis unbekannt gewesen sei, sodaß die Annahme des Schriftstückes zu Unrecht abgelehnt worden sei, weshalb angenommen werden müsse, daß eine rechtswirksame Zustellung erfolgt sei.

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, daß die Beschwerdeführer mit einem mit 3. Juni 1991 datierten Schreiben ihrem bisherigen Vertreter im Verwaltungsverfahren die Vollmacht mit sofortiger Wirkung aufgekündigt haben. Mit einem Schreiben vom 4. Juni 1991 teilte der Vertreter der belangten Behörde die Aufkündigung der Vollmacht der Behörde mit, wobei dieses Schreiben am 5. Juni 1991 bei der Behörde abgegeben wurde. Nach einem Kanzleivermerk ist diese Abgabe des Schreibens "ca. zwischen 15.00 und 15.15 Uhr" erfolgt. Auf dem Zustellnachweis selbst findet sich der Vermerk, daß die Übernahme (des Schriftstückes) mangels bestehender Vollmacht am 5. Juni 1991 abgelehnt worden sei. Der Versuch einer eigenhändigen Zustellung an der Wohnadresse der Beschwerdeführer blieb am 5. Juni 1991 erfolglos, weil sie nicht angetroffen wurden. Erst am 10. Juni 1991 erfolgte eine Zustellung des angefochtenen Bescheides an die Beschwerdeführer.

Da nach § 20 Abs. 6 letzter Satz des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes eine Nichtigerklärung nur innerhalb von zwei Jahren nach dem im § 63 Abs. 5 AVG bezeichneten Zeitpunkt möglich ist, also auch nach dem Vorbringen der belangten Behörde der angefochtene Bescheid noch am 5. Juni 1991 den Beschwerdeführern zukommen hätte müssen, erweist sich der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Im Beschwerdefall konnte nämlich unerörtert bleiben, ob die Aufkündigung der Vollmacht durch den bisherigen Vertreter der Beschwerdeführer die Behörde rechtzeitig erreichte, weil auch dann, wenn dies zu bejahen gewesen wäre, eine zulässige Zustellung nach § 20 des Zustellgesetzes nicht erfolgte. Nach § 20 Abs. 1 leg. cit. ist nämlich, wenn der Empfänger oder ein im gemeinsamen Haushalt mit dem Empfänger lebender Ersatzempfänger die Annahme ohne Vorliegen eines gesetzlichen Grundes verweigert, die Sendung an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, nach § 17 ohne die dort vorgesehene schriftliche Verständigung zu hinterlegen. Nach § 20 Abs. 2 des Zustellgesetzes gelten zurückgelassene Sendungen damit als zugestellt. Im vorliegenden Fall wurde jedoch die Sendung nicht zurückgelassen, sodaß von einer Zustellung am 5. Juni 1991 keine Rede sein kann.

In Stattgebung der Beschwerde war sohin der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Antrages auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderliche Stempelgebühren.

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