VwGH 90/19/0587

VwGH90/19/058721.5.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Gruber, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Anträge des N auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1990, Zl. 90/19/0170-97, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, den Beschluß gefaßt:

Normen

VwGG §39 Abs1 Z1;
VwGG §45 Abs1 Z4;
VwGG §45 Abs2;
VwGG §39 Abs1 Z1;
VwGG §45 Abs1 Z4;
VwGG §45 Abs2;

 

Spruch:

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit dem hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1990, Zl. 90/19/0170-97, - dem damaligen Vertreter des Antragstellers am 5. Dezember 1990 zugestellt - wurde die Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. April 1989, mit dem ein von der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn über den Antragsteller verhängtes unbefristetes Aufenthaltsverbot im Instanzen- bzw. Devolutionsweg bestätigt worden war, als unbegründet abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die in diesem Erkenntnis enthaltene ausführliche Sachverhaltsdarstellung verwiesen.

Mit am 19. Dezember 1990 zur Post gegebener, nicht die Unterschrift eines Rechtsanwaltes aufweisender Eingabe vom 18. Dezember 1990 beantragte der Antragsteller gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 und 4 VwGG die Wiederaufnahme des mit dem angeführten hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1990 abgeschlossenen Verfahrens. Begründend führte der Antragsteller aus, im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof sei den Vorschriften über das Parteiengehör deshalb nicht entsprochen worden, weil dem Antragsteller entgegen § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG kein Gehör zu jenen Gründen gewährt worden sei, die der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des in dem damaligen Verfahren angefochtenen Bescheides für maßgebend erachtet habe. Insbesondere habe der Verwaltungsgerichtshof zwar die Fragen der Rechtskraft und der Konformität mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK) eines gegen den Antragsteller in der Schweiz ergangenen Urteiles als nicht entscheidungswesentlich erachtet, gleichzeitig aber habe er - ohne in dieser Hinsicht das Parteiengehör zu wahren - eine auf Grund "nicht existierender Taten" vom Antragsteller ausgehende Gefährdung dem Erkenntnis zu Grunde gelegt.

Weiters sei das angeführte Erkenntnis auf unrechtmäßige Weise herbeigeführt worden, weil die Beschwerdeangelegenheit zunächst beim ersten Senat des Verwaltungsgerichtshofes anhängig gewesen, plötzlich aber dem 19. Senat zugewiesen worden sei. Das Erkenntnis stelle sich als "Gefälligkeitsdienst" dieses Senates gegenüber der Präsidentin des Verwaltungsgerichtshofes dar.

Mit weiterer am 3. Jänner 1991 zur Post gegebener Eingabe beantragte der nunmehr rechtsfreundlich vertretene Antragsteller abermals die Wiederaufnahme dieses Verfahrens. Auch in diesem Schriftstück machte der Antragsteller gemäß § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG den Wiederaufnahmegrund der Verletzung der Vorschriften über das Parteiengehör im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend. Die weitere Verletzung dieser Vorschriften erblickte der Antragsteller darin, daß sich im Zuge einer Akteneinsicht durch ihn vertretende Personen das Fehlen wesentlicher Eingaben, von ihm vorgelegter Gutachten und von Aktenteilen herausgestellt habe. Darüber hinaus habe der Verwaltungsgerichtshof von der Durchführung einer vom Antragsteller beantragten öffentlichen mündlichen Verhandlung ohne Begründung abgesehen.

Schließlich wurden mit einer mit 1. Jänner 1991 datierten, am 4. Jänner 1991 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten und von einer mit Vollmacht ausgewiesenen Vertreterin des Antragstellers verfaßten Eingabe die Wiederaufnahmegründe des § 45 Abs. 1 Z. 1 und 4 VwGG wiederholt. Hiebei wurde nochmals auf das anläßlich einer Akteneinsicht festgestellte Fehlen von Aktenstücken sowie auf den Verdacht des Herbeiführens des Erkenntnisses durch gerichtlich strafbare Handlungen (Unterdrückung von Beweismaterial, Mißbrauch der Amtsgewalt, verbotene Intervention) hingewiesen.

Der über diesen Antrag in einem gemäß § 11 Abs. 4 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Z. 5 VwGG zusammengesetzten Senat gefaßte Beschluß gründet sich auf nachstehende Erwägungen:

Gemäß § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluß abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen wurde und anzunehmen ist, daß sonst das Erkenntnis oder der Beschluß anders gelautet hätte.

Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen von dem Tag, an dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung des Erkenntnisses oder des Beschlusses zu stellen.

Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen ist über den Antrag in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zu entscheiden.

In der am 19. Dezember 1990 eingebrachten Eingabe hat der Antragsteller ausgeführt, von dem seiner Ansicht nach vorliegenden Wiederaufnahmegrund erst durch die Zustellung des hg. Erkenntnisses vom 8. Oktober 1990 Kenntnis erlangt zu haben. In der am 3. Jänner 1991 eingebrachten sowie in der am 4. Jänner 1991 eingelangten Eingabe machte der Antragsteller geltend, von den seiner Ansicht nach gegebenen weiteren Wiederaufnahmegründen auf Grund einer Akteneinsicht am 20. Dezember 1990 Kenntnis erlangt zu haben. Damit hat der Antragsteller in allen die Wiederaufnahme betreffenden Eingaben Angaben über die Rechtzeitigkeit der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe gemacht.

Soweit der Antragsteller das Absehen von der beantragten Verhandlung als Wiederaufnahmegrund unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Parteiengehörs ins Treffen führt, ist ihm entgegenzuhalten, daß ihm auf Grund der Zustellung des den Gegenstand des Wiederaufnahmeantrages bildenden Erkenntnisses am 5. Dezember 1990 ab diesem Zeitpunkt das Absehen von der von ihm beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof bekannt war. Diesen Wiederaufnahmegrund hat der Antragsteller aber erst in seiner am 3. Jänner 1991 zur Post gegebenen Eingabe und somit nach Ablauf der für die Geltendmachung eines Wiederaufnahmegrundes gemäß § 45 Abs. 2 VwGG offenstehenden zweiwöchigen Frist ins Treffen geführt. Demgemäß war dem Verwaltungsgerichtshof ein Eingehen in der Sache selbst auf dieses verspätete Vorbringen verwehrt (vgl. hg. Erkenntnis vom 28. September 1983, Zl. 83/13/0095).

Der Antragsteller erblickt einen Wiederaufnahmegrund darin, daß er entgegen dem Gebot des § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG zu maßgebenden Gründen für das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1990, die ihm vorher nicht bekannt gewesen seien, nicht gehört worden sei. Als solche maßgebende Gründe hat der Antragsteller vorgebracht, der Verwaltungsgerichtshof sei entgegen dem seinem Erkenntnis zugrundeliegenden Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. April 1989 davon ausgegangen, daß die Rechtskraft des ihn betreffenden Urteiles des Schweizerischen Bundesstrafgerichtes vom 22. Mai 1979 nicht behauptet werden könne, und daß die Frage, ob dieses Urteil der MRK entspreche, nicht entscheidungswesentlich sei.

Demgegenüber ist zunächst festzuhalten, daß der Antragsteller in seiner gegen den angeführten Bescheid vom 4. April 1979 erhobenen Beschwerde selbst die Auffassung vertreten hat, das besagte Urteil sei nicht rechtskräftig und sei in einem nicht der MRK entsprechenden Verfahren zustandegekommen. Wie im hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1990 ausgeführt wird, hat der Verwaltungsgerichtshof die Fragen der Rechtskraft und MRK-Konformität des in der Schweiz gegen den Antragsteller gefällten Urteiles deshalb als nicht entscheidungswesentlich erachtet, weil der (damals) angefochtene Bescheid nicht nur von dieser Verurteilung, sondern auch von den ihr zugrundeliegenden Taten des Antragstellers ausgegangen war und schon letztere allein als für die Rechtfertigung der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes ausreichend erachtet hatte. Diese durch den Inhalt des (damals) angefochtenen Bescheides erwiesenen Ausführungen machen klar, daß dem Antragsteller bereits im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung gegen diesen Bescheid die später vom Verwaltungsgerichtshof für maßgeblich erachteten Gründe für die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides bekannt waren. Demgemäß bestand aber im seinerzeitigen Beschwerdeverfahren kein Anlaß, den Antragsteller zu diesen Gründen zu hören. Soweit der Verwaltungsgerichtshof diese Gründe an Hand der maßgeblichen Rechtsvorschriften beurteilt hat, ist festzuhalten, daß hinsichtlich der Gesetzesauslegung durch den Verwaltungsgerichtshof das Parteiengehör nicht zu wahren ist (vgl. hg. Beschlüsse vom 16. November 1955, Slg. NF Nr. 3886/A, und vom 2. Oktober 1963, Zl. 1796/63).

Der Antragsteller erblickt eine weitere Verletzung des Parteiengehörs im verwaltungsgerichtlichen Verfahren darin, daß anläßlich der Vornahme einer Akteneinsicht beim Verwaltungsgerichtshof durch von ihm bevollmächtigte Vertreter am 20. Dezember 1990 wesentliche Teile des Verwaltungsaktes und vom Antragsteller dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegte Schriftstücke und Gutachten gefehlt hätten. Hiezu ist zunächst rein informativ zu bemerken, daß die Akteneinsicht zu einem Zeitpunkt erfolgte, der nach der Zustellung des Erkenntnisses und somit auch nach der mit dieser gleichzeitig erfolgten Rückmittlung der Akten des Verwaltungsverfahrens an die belangte Behörde lag. Naturgemäß konnte somit in diesem Zeitpunkt der Verwaltungsakt nicht mehr beim Verwaltungsgerichtshof greifbar sein. Was das Fehlen von Unterlagen, die der Antragsteller selbst dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt hatte, anlangt, ergibt sich aus dem beim Verwaltungsgerichtshof geführten Verzeichnis der in dieser Beschwerdeangelegenheit eingelangten Schriftstücke, daß die bei der Vornahme der Akteneinsicht als fehlend festgestellten Schriftstücke tatsächlich beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt sind und zu den Akten genommen wurden. Allerdings wurden - und dies erklärt die Nichtauffindbarkeit der vom Antragsteller übermittelten Unterlagen im Zeitpunkt der Akteneinsicht - dem Verwaltungsgerichtshof mit Note des Bundesministers für Inneres vom 8. Jänner 1991 offenbar irrtümlich an diesen übermittelte Aktenteile rückgesendet und befinden sich nun - sofern es sich nicht um Teile der Verwaltungsakten handelt - wieder bei den Akten. Davon, daß Eingaben des Antragstellers nicht zu den verwaltungsgerichtlichen Akten genommen worden wären, kann sohin keine Rede sein. Von rechtlicher Bedeutung im Zusammenhang mit diesem Wiederaufnahmegrund ist aber, daß der Antragsteller in dem vorangegangenen Beschwerdeverfahren Gelegenheit hatte, alles ihm wesentlich erscheinende vorzubringen, und von dieser Gelegenheit auch Gebrauch gemacht hat. Bei diesem Sachverhalt liegt aber Verletzung des Parteiengehörs im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht vor (vgl. hg. Beschluß vom 1. Juli 1954, Zlen. 2264, 2622/50). Zu der in diesem Zusammenhang erhobenen Rüge, im hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1990 sei nicht auf alle beigebrachten Unterlagen eingegangen worden, ist dem Antragsteller entgegenzuhalten, daß er mit einem derartigen Vorbringen nicht das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes darzutun vermag (vgl. hg. Erkenntnis vom 16. November 1955, Slg. NF Nr. 3886/A).

Soweit der Antragsteller Kritik an dem hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1990, übt, ist er darauf hinzuweisen, daß die Rechtseinrichtung der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG keine Handhabe bietet, eine in dem abgeschlossenen Verfahren vom Verwaltungsgerichtshof geäußerte Rechtsansicht bekämpfen zu können (vgl. hg. Beschlüsse vom 17. Februar 1965, Slg. NF Nr. 6599/A, und vom 29. September 1969, Zl. 771/66).

Was den Vorwurf anlangt, das Erkenntnis vom 8. Oktober 1990 sei im Sinne des § 45 Abs. 1 Z. 1 durch gerichtlich strafbare Handlungen herbeigeführt worden, ist zunächst festzuhalten, daß der Übergang der Zuständigkeit zur Behandlung dieser Beschwerdeangelegenheit vom Senat 01 auf den Senat 19 des Verwaltungsgerichtshofes auf einer ab 22. Jänner 1990 geltenden, auch bereits im Jahr 1989 angefallene Beschwerdeangelegenheiten betreffenden Änderung der Geschäftseinteilung des Verwaltungsgerichtshofes beruhte. Für das Vorliegen der vom Antragsteller behaupteten gerichtlich strafbaren Handlungen hat weder er konkrete, nachprüfbare Angaben gemacht noch lassen die Akten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens einen Schluß auf das Vorliegen solcher strafbarer Handlungen zu.

Da der Antragsteller somit keine tauglichen Wiederaufnahmegründe vorbringen konnte, war seinem Antrag nicht stattzugeben, wobei sich ein Auftrag zur Behebung von Formgebrechen (fehlende Unterschrift eines Rechtsanwaltes) erübrigte.

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