VwGH 90/06/0191

VwGH90/06/019127.6.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, in der Beschwerdesache des N gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 5. Juli 1990, Zl. A 17-K-1516/1987-3, betreffend baubehördliche Aufträge, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

Begründung

Den Wiedereinsetzungsantrag stützte der Beschwerdeführer auf folgendes Vorbringen:

Ihm sei der angefochtene Bescheid am 17. Juli 1990 übergeben worden bzw. habe er diesen Bescheid an diesem Tag seiner Ehefrau mit dem Auftrag übergeben, damit den Anwalt seines Vertrauens in Graz aufzusuchen und diesen mit der Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zu beauftragen. Seine Ehegattin habe diesbezüglich ein Schreiben an den Anwalt handschriftlich abgefaßt und offenbar nicht abgesendet oder das Schreiben unrichtig einkuvertiert, was heute nicht mehr nachprüfbar sei. Erst nach Akteneinsicht in der Kanzlei des Beschwerdeführervertreters in Graz am 29. und am 30. Oktober 1990 habe der Beschwerdeführer erfahren, daß gegen den Bescheid keine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde eingebracht worden sei. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei seit Jahren in seiner Ordination angestellt und verrichte für den Beschwerdeführer alle Behördenwege, ohne daß es bisher Probleme gegeben habe, weshalb seine Gattin als äußerst zuverlässige Kraft anzusehen sei. Damit sei er durch ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis an der Wahrnehmung seiner Rechte durch Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gehindert worden.

Zur Bescheinigung dieses Sachverhalts legte der Beschwerdeführer eine eidesstättige Erklärung vor, daß er erst durch die Akteneinsicht in der Kanzlei Dr. X am 29. und am 30. Oktober erfahren habe, daß gegen den Bescheid eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde "nicht beauftragt und eingebracht" worden sei. Seine Frau habe bisher alle Arbeiten pünktlich erledigt.

Weiters wurde eine eidesstättige Erklärung der Ehegattin des Beschwerdeführers vorgelegt, wonach ihr dieser am 17. Juli 1990 den angefochtenen Bescheid übergeben habe, damit sie einen Anwalt mit der Einbringung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde beauftrage. Sie sei der festen Überzeugung, daß sie einen Brief an den Beschwerdeführervertreter mit dem Bescheid geschickt habe; sie habe diesen Brief, da sie nicht maschinschreiben könne, mit der Hand geschrieben und aus ihr unerklärlichen Gründen nicht eingeschrieben aufgegeben. Für sie sei mit der Versendung des Briefes, der offensichtlich nie beim Beschwerdeführervertreter eingelangt sei, die Angelegenheit erledigt gewesen. Sie sei bei ihrem Mann seit Jahren angestellt und mache alle Behördenwege und habe in der Vergangenheit immer alles zur Zufriedenheit aller erledigt.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Gemäß § 46 Abs. 3 VwGG ist der Antrag spätestens binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen und die versäumte Handlung gleichzeitig nachzuholen.

Damit wurde der bereits am 6. November 1990 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte, mit einer Beschwerde verbundene Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig gestellt.

Es liegt jedoch kein Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des Gesetzes vor. Auch wenn man zugunsten des Beschwerdeführers annimmt, daß der in allen Bescheinigungsmitteln genannte Auftrag zur Einbringung einer VERFASSUNGSGERICHTSHOFbeschwerde wohl auch den Auftrag zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nach rechtlicher Beurteilung des Rechtsanwalts umfaßte, und weiters davon ausgeht, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers den Auftrag zur Erhebung der Beschwerde tatsächlich an den Beschwerdeführervertreter und nicht etwa an Y oder die von ihm vertretene Gesellschaft gesandt hat, steht der Bewilligung der Wiedereinsetzung das Verschulden des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin entgegen, das nicht bloß als "minderer Grad des Versehens", also als leichte Fahrlässigkeit angesehen werden kann. Dem Verwaltungsgerichtshof scheint nämlich durchaus bedeutsam, daß der Beschwerdeführervertreter den Beschwerdeführer gegenüber den Verwaltungsbehörden nicht vertreten hatte und daher von dem angefochtenen Bescheid keine Kenntnis hatte. Der Beschwerdeführer bzw. seine Ehegattin konnten sich daher nicht darauf verlassen, daß sich auch der Rechtsanwalt um die Einhaltung der Frist kümmern würde. Unter diesen Umständen scheint es dem Gerichtshof grob fahrlässig, einen Rechtsanwalt, der mit der Sache bisher nicht befaßt war, mit einer unbescheinigten Postsendung mit der Einbringung einer Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu beauftragen, ohne in der Folge sich etwa fernmündlich zu vergewissern, ob die Sendung beim Rechtsanwalt angekommen und ob dieser bereit sei, die Beschwerde für den Beschwerdeführer einzubringen. Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob der Ehegattin des Beschwerdeführers bloß die Funktion eines Boten oder die eines Vertreters (Behauptung in der Beschwerde Verrichtung "aller Behördenwege") zukam. Im ersten Fall wäre es nämlich Sache des Beschwerdeführers gewesen, nachzufragen, ob der Beschwerdeführervertreter die Beschwerde einbringen werde; im zweiten Fall hätte sich die Ehegattin, deren Verschulden als Vertreterin dem Vertretenen voll anzulasten wäre, darum kümmern müssen.

Da auch unter der Annahme der Richtigkeit der Behauptungen zur Dartuung des Wiedereinsetzungsgrundes davon auszugehen ist, daß die Versäumung der sechswöchigen Frist zur Einbringung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (§ 26 Abs. 1 VwGG) nur durch eine besondere Sorglosigkeit des Beschwerdeführers bzw. seiner Ehegattin im Falle der Vertretereigenschaft verursacht worden ist, war der Antrag auf Wiedereinsetzung als unbegründet abzuweisen.

Damit ist aber die erst zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag am 6. November 1990 eingebrachte Beschwerde im Hinblick auf die nach den Bescheinigungsmitteln behauptete Zustellung am 17. Juli 1990 jedenfalls verspätet, sodaß sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen war.

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