VwGH 90/05/0144

VwGH90/05/01445.2.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der Gemeinde X gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 18. Juni 1990, Zl. BauR-010139/9-1990 Ha/Schi, betreffend ein Baubewilligungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1) MN und

2) KN), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1 impl;
BauRallg;
ROG OÖ 1972 §18 Abs5;
ROG OÖ 1972 §18;
AVG §59 Abs1 impl;
BauRallg;
ROG OÖ 1972 §18 Abs5;
ROG OÖ 1972 §18;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Eingabe vom 8. März 1988 ersuchten die Mitbeteiligten beim Gemeindeamt X um die Erteilung der Baubewilligung für einen Hühnerstall und die Fertigstellung einer Wohnung im Gebäude Z 7. Der diesem Ansuchen angeschlossene Bauplan weist ein aus Erdgeschoß und Obergeschoß bestehendes Gebäude aus, welches im östlichen Bereich unterkellert ist. Im östlichen Bereich sind im Erdgeschoß eine Küche und ein Wohnzimmer und im Obergeschoß zwei Wohnzimmer sowie ein Bad und WC samt Vorraum ausgewiesen. Dem Bauplan kann nicht entnommen werden, welche Bauführungen in diesem Bereich unter dem Titel Fertigstellung einer Wohnung ausgeführt werden sollen. Im Bauplan findet sich der Vermerk, daß der Einbau der Wohnung seit 1962 baubehördlich bewilligt ist. Westlich angrenzend an den bestehenden Schweinestall ist der Zubau eines 9,25 m langen und 6 m breiten Hühnerstalles vorgesehen.

Mit Schreiben vom 25. November 1988 teilte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde den Mitbeteiligten mit, seinerzeit sei auf Grund eines vorgenommenen Lokalaugenscheines ermittelt worden, daß der Einbau der ursprünglich bewilligten zwei Wohnräume nicht ausgeführt worden sei. Mit Bescheiden der Gemeinde sei daher festgestellt worden, daß in dem im Jahre 1962 bewilligten Neubau eines Wirtschaftsgebäudes der Einbau einer Wohnung nicht erfolgt und die Baubewilligung gemäß § 51 Abs. 2 im Zusammenhang mit § 69 Abs. 2 der OÖ Bauordnung (BO) erloschen sei. Aus dieser Tatsache sei der Schluß zu ziehen, daß die mit Ansuchen vom 2. März 1988 angestrebte Baubewilligung für die Fertigstellung einer nicht bestehenden Wohnung in einem nicht bestehenden Wohnhaus nicht erteilt werden könne. Im übrigen sei das Ansuchen um Fertigstellung einer Wohnung bereits zweimal mit Bescheiden vom 16. April 1986 und 8. Jänner 1987 rechtskräftig abgewiesen worden, sodaß das neuerliche gleichartige Ansuchen wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein werde. Da das Bauansuchen mit den eingereichten Plänen als Ganzes zu beurteilen und daher unteilbar sei, müsse auf der Grundlage der vorliegenden Einreichunterlagen auch dem Neubau des Hühnerstalles die Baubewilligung versagt bleiben. Den Mitbeteiligten wurde die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Der Aktenlage nach gaben sie jedoch keine Äußerung ab.

Mit Bescheid vom 23. Jänner 1989 wies der Bürgermeister das Bauansuchen ab. Zur Begründung wurde auf das erwähnte Erlöschen der Baubewilligung aus dem Jahre 1962 betreffend den Einbau der Wohnung verwiesen. Weiters wurde ausgeführt, daß in den rechtskräftigen Bescheiden der Gemeinde vom 16. April 1986 und 8. Jänner 1987 ausführlich begründet worden sei, daß die Erteilung einer Baubewilligung zum Wohnungseinbau für das im Grünland liegende Wirtschaftsgebäude nicht möglich sei, da dem zwingende Bestimmungen des rechtskräftigen Flächenwidmungsplanes entgegenstünden. Da das Bauansuchen mit den eingereichten Plänen als Ganzes zu beurteilen und unteilbar sei, müsse auf der Grundlage der vorliegenden Einreichunterlagen auch dem Einbau des Hühnerstalles die Baubewilligung versagt bleiben. Das Bauansuchen sei daher abzuweisen gewesen.

Der dagegen von den Mitbeteiligten erhobenen Berufung gab der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde mit Bescheid vom 12. Mai 1989 keine Folge.

Auf Grund der dagegen von den Mitbeteiligten eingebrachten Vorstellung behob die OÖ Landesregierung mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid den Berufungsbescheid der Gemeinde und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat. Nach kurzer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens prüfte die Gemeindeaufsichtsbehörde zunächst die Frage, ob nicht bereits entschiedene Sache vorliege. Entschiedene Sache werde durch den angenommenen Sachverhalt im Lichte der angewandten Rechtsvorschrift bestimmt. Neuerliche Anträge bezüglich einer entschiedenen Sache wären als unzulässig zurückzuweisen. Nicht mehr dieselbe Verwaltungsangelegenheit liege vor, wenn es sich um einen anderen Sachverhalt, insbesondere auch um einen später entstandenen, handle. Im Beschwerdefall liege rechtskräftig entschiedene Sache bezüglich eines Wohnhauses im Grünland vor, der nunmehr verfahrensgegenständliche Antrag auf Bewilligung richte sich auf die Erteilung einer Baubewilligung auf demselben Grundstück desselben Bauwerbers für das Projekt "Errichtung eines Hühnerstalles und Wohnungsfertigstellung". Da der Antragsteller vormals nur ein Wohnhaus habe errichten wollen, nunmehr aber eine landwirtschaftliche Betriebsstätte einschließlich einer Wohnung errichten wolle, liege eine andere Sache vor. Der Antrag sei daher zulässig.

Inhaltlich vertrat die Gemeindeaufsichtsbehörde die Ansicht, daß das eingereichte Stallprojekt eine Fläche von 42,63 m2 aufweise und für den Betrieb der Hühnerhaltung auch geeignet sei, da im Gebäudealtbestand allenfalls benötigte weitere Wirtschafts- und Lagerräume vorhanden seien. Da also ein landwirtschaftlicher Betrieb projektiert werde, der zumindet dem landwirtschaftlichen Nebenerwerb diene, sei auch die Errichtung einer zur Landwirtschaft gehörenden Wohnung für den Betriebsinhaber ein Bau, der einer bestimmungsgemäßen Nutzung im Sinne des § 18 des OÖ Raumordnungsgesetzes (ROG) diene. Zusammenfassend sei daher festzustellen, daß das eingereichte Bauprojekt der bestehenden Flächenwidmung "Grünland" entspreche. Da die Baubehörde den auf die Baubewilligung bezüglich des eingereichten Projektes gerichteten Antrag abgewiesen habe, seien Rechte der Mitbeteiligten verletzt worden.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die beschwerdeführende Gemeinde, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und den mitbeteiligten Parteien erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Aus der Antragsbedürftigkeit der Baubewilligung hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung den Schluß gezogen, daß die Baubehörde über das Parteibegehren, wie es sich aus dem Ansuchen, den Plänen und der Baubeschreibung ergibt, abzusprechen hat, wobei grundsätzlich das Bauvorhaben als ein untrennbares Ganzes zu beurteilen ist. Liegen allerdings die Bewilligungsvoraussetzungen nur für einen Teil des Bauvorhabens vor und ist dieser Teil von dem übrigen Vorhaben trennbar, so hat die Baubehörde im Zweifel davon auszugehen, daß eine Teilbewilligung vom Parteibegehren mitumfaßt ist (siehe das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 1975, Zl. 171/75, Slg. N.F. Nr. 8896/A - nur Rechtssatz). Im Beschwerdefall ist zweifellos das Vorhaben der mitbeteiligten Bauwerber trennbar bezüglich des im Bauplan ausgewiesenen Hühnerstalles und der ausdrücklich projektierten Fertigstellung einer Wohnung, wobei, wie schon in der Sachverhaltsdarstellung erwähnt, der Bauplan nicht erkennen läßt, welche Baumaßnahmen darunter verstanden werden sollen.

Diese aufgezeigte Unterscheidung ist im Beschwerdefall deshalb von Bedeutung, weil die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides das Bauprojekt "Errichtung eines Hühnerstalles und Wohnungsfertigstellung" als ein Ganzes beurteilt hat und die Frage der entschiedenen Sache deshalb verneint hat, weil nur bezüglich eines Wohnhauses im Grünland rechtskräftig entschiedene Sache vorliege. Handelt es sich nun hiebei um zwei voneinander zu trennende Vorhaben, so kann auf Grund der dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakten eindeutig nur davon ausgegangen werden, daß hinsichtlich des Antrages betreffend die Errichtung eines Hühnerstalles keine entschiedene Sache vorliegt, wogegen der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde etwa in seinem Bericht an die OÖ Landesregierung vom 17. Mai 1988 darauf hingewiesen hat, daß bereits mit Ansuchen vom 2. August 1985 und vom 26. Juni 1988 um die Erteilung einer Baubewilligung für den Einbau von Wohnungen in das bestehende Wirtschaftsgebäude angesucht worden sei, wobei beide Bauansuchen rechtskräftig abgewiesen worden seien (vgl. Blatt 2 der vorgelegten Akten der belangten Behörde). Ob aber die früheren Vorhaben mit den nunmehr beabsichtigten Vorhaben betreffend Fertigstellung einer Wohnung übereinstimmten oder nicht, kann auf Grund der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten nicht festgestellt werden. Keinesfalls kann aber das Vorliegen einer entschiedenen Sache mit der von der belangten Behörde gegebenen Begründung verneint werden. In dieser Beziehung erweist sich der angefochtene Bescheid jedenfalls mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht der Auffassung der belangten Behörde zu folgen, die bloße Darstellung eines Hühnerstalles in einem Bauplan habe zur Folge, daß zumindest die Annahme eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbs gerechtfertigt und somit auch die weitere Annahme, daß die Errichtung einer zur Landwirtschaft gehörenden Wohnung für den Betriebsinhaber als eine bestimmungsgemäße Nutzung im Sinne des § 18 ROG zu beurteilen sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, es gehöre zum Begriff der Landwirtschaft, daß es sich um eine planvolle, grundsätzlich auf die Erzielung von Einnahmen gerichtete nachhaltige Tätigkeit handeln müsse, also um eine zumindest nebenberufliche landwirtschaftliche Tätigkeit, könnten doch sonst die Bestimmungen über die Flächenwidmung dadurch umgangen werden, daß jemand lediglich einem Hobby nachgeht (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 31. März 1978, Slg. N.F. Nr. 9513/A, und vom 17. November 1981, Slg. N.F. Nr. 10.592/A). Verfehlt ist freilich die von der beschwerdeführenden Gemeinde vertretene Auffassung, daß ein landwirtschaftlicher Nebenerwerb im Standort einen landwirtschaftlichen Haupterwerb voraussetze. Wenn der OÖ Landesgesetzgeber im § 18 Abs. 5 letzter Satz des Raumordnungsgesetzes ausdrücklich bestimmt hat, daß zur bestimmungsgemäßen Nutzung von Grünland im besonderen auch Bauten und Anlagen für den Nebenerwerb der Land- und Forstwirtschaft gehören, so sollte damit nicht ausgeschlossen werden, daß auch für nebenberufliche Landwirte, die einen anderen Hauptberuf ausüben, eine Bauführung im Grünland zulässig ist. Diese Gesetzesstelle sollte vielmehr klarstellen, daß auch für Nebenerwerbe der Land- und Forstwirtschaft Bauführungen im Grünland zulässig sind.

Die beschwerdeführende Gemeinde wendet sich schließlich gegen die Annahme der belangten Behörde, daß die projektierte Wohnung dem Betriebsinhaber zur Führung seines landwirtschaftlichen Betriebes diene. Sie verweist darauf, daß die bereits errichtete Wohnung derzeit vermietet sei, woraus die Beschwerdeführerin den Schluß zieht, daß die im Grünland projektierte Wohnung keinesfalls der bestimmungsgemäßen Nutzung von Grünland dienen soll.

Diesem Vorbringen halten die mitbeteiligten Bauwerber in ihrer Gegenschrift entgegen, daß sie nur vorübergehend auf Grund eines Hilferufes in einer Zeitung eine Familie aufgenommen hätten und mit dieser auch kein Mietvertrag abgeschlossen worden sei.

Die belangte Behörde hält dem zutreffend entgegen, daß Sache des Baubewilligungsverfahrens das im eingereichten Projekt konkretisierte Bauvorhaben sei, konsenswidrigen Bauführungen oder einer konsenswidrigen Verwendung von Bauten aber durch baupolizeiliche Maßnahmen entgegengetreten werden könne. Dies sei jedoch nicht Gegenstand des Vorstellungsverfahrens gewesen, weshalb derartige Erwägungen im Verfahren bezüglich des Ansuchens um Baubewilligung außer Betracht zu bleiben hätten. Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Auffassung der belangten Behörde, wobei nach der von ihm bereits eingangs vertretenen Rechtsanschauung im Beschwerdefall überhaupt zunächst auf Verwaltungsebene zu prüfen sein wird, ob der Antrag der Mitbeteiligten auf Erteilung der Baubewilligung für eine Wohnungsfertigstellung nicht in Wahrheit schon deshalb keiner positiven Erledigung zugeführt werden kann, weil entschiedene Sache vorliegt.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

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