VwGH 90/01/0236

VwGH90/01/023620.3.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerden der prot. Fa. N-Gesellschaft m.b.H. gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 7. November 1990, Zlen. 59.064/58a, b und c-II/13/90, betreffend Ausfuhr von Kriegsmaterial, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
KriegsmaterialG 1977 §3 Abs1 Z2;
KriegsmaterialG 1977 §3 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
B-VG Art130 Abs2;
KriegsmaterialG 1977 §3 Abs1 Z2;
KriegsmaterialG 1977 §3 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt 9.105 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerden wurden wegen ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden.

Die beschwerdeführende Partei beantragte zum Zwecke der Ausfuhr in die Türkei auf Grund von Aufträgen der türkischen Gendarmerie die Erteilung einer Exportbewilligung

a) mit Schriftsatz vom 29. September 1989 hinsichtlich 2.755 Stück Granaten 40 mm (antipersonel) samt Launcher,

b) mit Schriftsatz vom 20. Oktober 1989 hinsichtlich 6.010 Stück Granaten 400 mm (antipersonel), c) mit Schriftsatz vom 27. Oktober 1989 hinsichtlich 688 Stück Granaten 40 mm (antipersonel) mit Launcher.

Die belangte Behörde holte zunächst gemäß § 3 Abs. 1 Kriegsmaterialgesetz (KMG) Stellungnahmen der beteiligten Ministerien für Landesverteidigung und Auswärtige Angelegenheiten und des anzuhörenden Bundeskanzleramtes ein. Das Bundesministerium für Landesverteidigung erklärte, es bestünden gegen die Stattgebung der Anträge der Beschwerdeführerin vom Standpunkt der Wahrung militärischer Interessen keine Bedenken, wies jedoch darauf hin, daß die Beschaffung von Granaten für eine Gendarmerieeinheit in der Türkei "ungewöhnlich erscheine". Während das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten Einwände gegen eine Exportbewilligung "derzeit" nicht erhob, teilte das Bundeskanzleramt mit, daß "im Hinblick auf die Gegenstände und den Empfänger der Lieferungen wegen der in der Türkei gegebenen Lage der Menschenrechte" Bedenken gegen die Erteilung der Bewilligung bestünden.

Die belangte Behörde hat in einem umfangreichen Ermittlungsverfahren Medienberichte über das Gebiet, in dem das zum Export vorgesehene Kriegsmaterial eingesetzt werden soll, gesammelt und diese Berichte mit den Äußerungen der beteiligten Behörden einschließlich der Äußerung des Bundeskanzleramtes dreimal der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht, die hiezu jeweils Stellung nahm.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführerin auf Exportbewilligungen gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 KMG ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, insbesondere der eingeholten Äußerungen, der Medienberichte sowie der dazu abgegebenen Stellungnahmen der Beschwerdeführerin führte die belangte Behörde aus, es stehe fest, daß in der Türkei bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen türkischen Ordnungskräften und einer militanten Kurdenorganisation stattfänden und diese Auseinandersetzungen in den letzten Monaten eine solche Intensität erreicht hätten, daß sie eine Vielzahl von Menschenleben forderten. Ferner stehe fest, daß im betroffenen Gebiet das Ausnahmerecht verschärft worden sei und bei Überfällen kurdischer Bewaffneter auch Zivilpersonen getötet worden seien. Auch die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Beweismittel würden nicht die bewaffneten Auseinandersetzungen bestreiten und stellten das Vorgehen der militanten Kurdenorganisation in den Vordergrund. Bedenke man die Zahl der Gefechte und Getöteten und die Tatsache, daß sich die türkischen Streitkräfte zu einer Offensive veranlaßt gesehen hätten, so hätten diese Auseinandersetzungen in den letzten Monaten eine solche Intensität erreicht, daß jedenfalls eine "gefährliche Spannung" mit dem Charakter eines "bewaffneten Konfliktes" im Sinne des Kriegsmaterialgesetzes vorliege. Auch die Presse einschließlich der türkischen Medien kommentiere diesen Konflikt entsprechend; so werde unter anderem von einer "Generalprobe der kurdischen Intifada" bzw. einem "totalen Krieg" gesprochen. Komme es einmal zu derartigen bewaffneten Auseinandersetzungen, so sei jedenfalls auch schon das Bestehen "gefährlicher Spannungen" unzweifelhaft gegeben. Für solche spreche auch ein von der Beschwerdeführerin vorgelegtes, in englischer Sprache abgefaßtes Telegramm des Generalsekretärs im Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten, das mit folgender Formulierung beginne:

"Austria deeply deplores the recent escalation of violence in south eastern Turkey". Wie unversöhnlich bei "dieser Auseinandersetzung" reagiert werde, zeigten letztlich auch jene Berichte, welche das Vorgehen der militanten Kurden dokumentierten, sodaß sich der Generalsekretär im Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten des weiteren auch veranlaßt gesehen habe, die Terrorakte zu verurteilen. In diesem Sinne sei dies ein weiteres Indiz dafür, welch gefährliches Ausmaß die Spannungen bei den Auseinandersetzungen nunmehr erreicht hätten. Der Versagungsgrund gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 KMG ("gefährliche Spannungen", bewaffneter Konflikt") liege daher vor. Diese Gesetzesstelle unterscheide nicht, ob eine zwischenstaatliche oder innerstaatliche Konflikt- oder Spannungssituation vorliege und sie stelle auch - im Gegensatz etwa zur Ziffer 3 - keine Beziehung zum Verwendungszweck und damit - mittelbar - zum Empfänger des Kriegsmaterials her. Deshalb sei es vom Gesetz her auch belanglos, für welche Organisationseinheiten, Militär- oder andere Sicherheitskräfte das Kriegsmaterial bestimmt sei, weil einzig auf das Bestehen eines bewaffneten Konfliktes bzw. auf sonstige gefährliche Spannungen Bedacht zu nehmen sei. Auch "enthalte sich" diese Bestimmung "jeglicher Ideologie", das "heißt bei Vorliegen ihrer Kriterien" sei es ohne Belang, wie die der Staatsmacht entgegentretende Konfliktpartei zu bezeichnen sei (etwa als Rebellen-, Guerilla-, Separatistenorganisation mit terroristischen Zielen, als illegale Organisation, als Loslösungsbewegung, als Befreiungsbewegung usw.). In diesem Sinne sei allein die Frage zu prüfen, ob objektiv die Voraussetzungen der Z. 2 - gefährliche Spannungen, bewaffneter Konflikt, drohender Ausbruch eines solchen - vorlägen, weshalb sich die von der Beschwerdeführerin beantragte Aufnahme von Beweisen über den ideologischen Hintergrund der Konflikt- bzw. Spannungssituation wie die Einvernahme des türkischen Botschafters in Österreich, des österreichischen Botschafters und des österreichischen Handelsdelegierten in der Türkei zur innenpolitischen Situation und zur allgemeinen Lage in der Türkei, zur Frage, ob es sich bei der PKK um eine illegale Organisation handle, welchen Zweck diese Organisation verfolge und ob es sich bei ihr um eine zugelassene politische Partei handle, erübrige.

Wenn der Gesetzgeber die Tatbestände der Z. 2 auch alternativ gefaßt habe, so stünden sie doch in einem inneren Zusammenhang. So sei es im Einzelfall schwierig zu beurteilen, wann ein Spannungszustand in einen Zustand der "gefährlichen Spannungen" übergehe. Komme es aber einmal zu bewaffneten Auseinandersetzungen wie im vorliegenden Fall, so sei das Bestehen "gefährlicher Spannungen" "jedenfalls unzweifelhaft" gegeben. Unbestritten sei, daß die Kriegsmaterialeigenschaft der antragsgegenständlichen Granaten gegeben sei. Der belangten Behörde sei bei der vorliegenden Entscheidung Ermessen eingeräumt. Somit ergebe sich, daß das Vorliegen der Kriterien, auf welche im Sinne der Zielsetzungen des Kriegsmaterialgesetzes Bedacht zu nehmen sei, anhand der Ermittlungsergebnisse des im Einzelfall durchgeführten Verfahrens zu beurteilen sei. Frühere Entscheidungen wie die Bewilligung der von der Antragstellerin angesprochenen Mustersendung vermögen dieses Ermittlungsergebnis und seine rechtliche Würdigung keinesfalls "vorwegzunehmen". Den öffentlichen Interessen, die es im gegebenen Zusammenhang zu beachten gelte und die insbesondere den Ziffern 1 bis 6 des § 3 leg. cit. zu entnehmen seien, seien die privaten Interessen der Beschwerdeführerin gegenüberzustellen. Diese privaten Interessen seien, wie dies auch im Schreiben der Beschwerdeführerin vom 30. Mai 1990 zum Ausdruck komme, primär in erwarteten wirtschaftlichen Gewinnen aus der Lieferung des Kriegsmaterials sowie in allfälligen Folgeaufträgen zu erblicken. Bei Gegenüberstellung der dargelegten Interessenslagen zeige es sich aber, daß das erwähnte öffentliche Interesse weitaus gewichtiger sei als die privaten Interessen der Beschwerdeführerin. Würde man "letztere" als ausschlaggebend betrachten, stelle dies eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des genannten öffentlichen Interesses dar. Eine Ermessensentscheidung im Sinne der Bewilligung des beantragten Exports von Kriegsmaterial sei daher nicht zulässig.

Gegen diese Bescheide richten sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen gleichlautenden Beschwerden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht auf Ausfuhr von Kriegsmaterial in ein Land, gegen das ein Versagungsgrund im Sinne des Kriegsmaterialgesetzes nicht gegeben sei, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 18. Oktober 1977 über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, BGBl. Nr. 540 in der Fassung BGBl. Nr. 358/1982 (KGM), wird die Bewilligung nach § 1 vom Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten und dem Bundesminister für Landesverteidigung nach Anhörung des Bundeskanzlers, soweit keine anderen gesetzlichen oder völkerrechtlichen Verpflichtungen entgegenstehen, unter Anwendung von Art. 130 Abs. 2 B-VG erteilt. Hiebei ist darauf Bedacht zu nehmen, daß

1) die Ein-, Aus- und Durchfuhr völkerrechtlichen Verpflichtungen oder außenpolitischen Interessen der Republik Österreich unter besonderer Berücksichtigung der immerwährenden Neutralität nicht zuwiderläuft;

2) die Aus- und Durchfuhr nicht in ein Gebiet erfolgen soll, in dem ein bewaffneter Konflikt herrscht, ein solcher auszubrechen droht oder sonstige gefährliche Spannungen bestehen;

3) die Aus- oder Durchfuhr nicht in ein Bestimmungsland erfolgen soll, in dem auf Grund schwerer und wiederholter Menschenrechtsverletzungen die Gefahr besteht, daß das gelieferte Kriegsmaterial zur Unterdrückung von Menschenrechten verwendet wird;

4) Embargobeschlüsse des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen unter Bedachtnahme auf die immerwährende Neutralität Österreichs entsprechend berücksichtigt werden;

5) der Ein-, Aus- oder Durchfuhr sicherheitspolizeiliche oder militärische Bedenken nicht entgegenstehen;

6) keine sonstigen vergleichbaren gewichtigen Bedenken bestehen.

Eine Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle stellt eine Ermessensentscheidung dar. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bei solchen Entscheidungen - diese sind dadurch gekennzeichnet, daß ihr Inhalt nicht gesetzlich vorausbestimmt ist, mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zugelassen und alle diese möglichen Entscheidungen gesetzmäßig sind - auf die Prüfung zu beschränken, ob der Behörde Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung oder Ermessensmißbrauch) unterlaufen sind und ob das Verfahren, das der Entscheidung vorausgegangen ist, den gesetzlichen Vorschriften entsprochen hat (vgl. unter anderem die Verwaltungsgerichtshoferkenntnisse vom 10. November 1947, Slg. N.F. Nr. 196/A, vom 17. April 1985, Slg. N.F. Nr. 11747/A).

Die Beschwerdeführerin bringt unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (Punkt 2b der Beschwerde) vor, dem Bundesminister für Inneres obliege die Prüfung in sicherheitsrechtlicher Sicht, dem Bundesminister für Landesverteidigung unter militärischen Gesichtspunkten - etwa ob Gefahr bestehe, daß das Kriegsmaterial nach erfolgtem Export möglicherweise gegen die Republik Österreich eingesetzt werde -, dem Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten obliege, das Vorliegen oder Nichtvorliegen entgegenstehender, völkerrechtlicher Verpflichtungen oder außenpolitischer Interessen zu beurteilen sowie die Einschätzung der Gefahr einer "Unterdrückung" der Menschenrechte im Abnehmerstaat vorzunehmen. Das Anhörungsrecht des Bundeskanzlers sei vorgesehen worden, weil nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen verfassungsrechtliche Angelegenheiten der immerwährenden Neutralität Österreichs in den Wirkungsbereich des Bundeskanzlersamtes fielen und diesem außerdem die Koordinierung der Bundesverwaltung obliege. Die Einsprüche der Bundesministerien bezögen sich ausschließlich auf die Menschenrechtsverletzungen, aber nicht dahin, daß ein Konflikt herrsche, auszubrechen drohe oder sonstige gefährliche Spannungen bestünden. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid die Menschenrechtsverletzungen gar nicht als Begründung für die Abweisung herangezogen, sondern die Abweisung ausschließlich auf den Versagungsgrund der Ziffer 2 gestützt. Die belangte Behörde habe daher die angefochtenen Bescheide nicht im Einvernehmen mit den Bundesministerien erlassen, sondern aus "eigenen Überlegungen" heraus. Durch die belangte Behörde sei daher in diesem Punkt die sachverhaltsmäßige Feststellung eines Tatbildmerkmales unterblieben.

Aktenwidrig ist die Behauptung der Beschwerdeführerin, daß die beteiligten Bundesministerien Einsprüche gegen die Bewilligung der Anträge wegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei erhoben hätten. Das Bundesministerium für Landesverteidigung hat allein aus der Sicht der wahrzunehmenden militärischen Gesichtspunkte einer Bewilligung zugestimmt, jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Beschaffung von Granaten für die Gendarmerie in der Türkei "ungewöhnlich" erscheint, und einer Abweisung aus anderen Gründen des § 3 Abs. 1 Z. 1 bis 6 KMG zugestimmt. Der Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten hat im Rahmen der von ihm wahrzunehmenden Interessen den Anträgen auf Ausfuhr von Kriegsmaterial "derzeit" zugestimmt, doch hat keines dieser beteiligten Ministerien "Einspruch" gegen die Bewilligung der Anträge wegen Verletzung der Menschenrechte erhoben. Allein der Bundeskanzler, der nur anzuhören ist und mit dem die belangte Behörde kein Einvernehmen herzustellen hatte, hat in seiner Äußerung auf mögliche Menschenrechtsverletzungen hingewiesen. Abgesehen davon, daß es der belangten Behörde, der allein der angefochtene Bescheid zuzurechnen ist, zusteht, jedenfalls auch aus im § 3 Abs. 1 Z. 2 bis 6 KGM angeführten und zu berücksichtigenden Momenten gestellte Anträge auf Ausfuhr von Kriegsmaterial zu beurteilen und abzulehnen, bedurfte die belangte Behörde der Zustimmung der beteiligten Ministerien nur dann, wenn sie eine positive Entscheidung treffen hätte wollen. Es ist daher unzutreffend, daß die abweisende Entscheidung der belangten Behörde nicht im Einvernehmen mit den beteiligten Ministerien erfolgt ist. Wenn die belangte Behörde die von dem bloß anzuhörenden Bundeskanzler aufgeworfene Frage einer Menschenrechtsverletzung in der Türkei im Verwaltungsverfahren eingehend geprüft hat und die diesbezüglichen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht für geeignet befunden hat, als Abweisungsgrund für die Anträge im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 3 KMG heranzuziehen, so hat sie dadurch ihren Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit belastet.

Die Beschwerdeführerin rügt ferner, die belangte Behörde habe wenige Tage vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides in einem anderen Fall (Bescheid vom 31. Oktober 1990) ausgeführt, die Türkei sei zwar nicht als ein Gebiet anzusehen, in dem ein bewaffneter Konflikt herrsche oder ein solcher auszubrechen drohe ..., sie müsse aber sehr wohl als ein Gebiet eingestuft werden, in dem sonstige gefährliche Spannungen bestünden.

Dem ist entgegenzuhalten, daß andere Entscheidungen der belangten Behörde nicht Maßstab für die Frage der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide sind, abgesehen davon, daß der im § 3 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. angeführte Grund (sonstige gefährliche Spannungen) auch im vorliegenden Fall herangezogen wurde und die Situation in diesem Gebiet zufolge der Golfkrise besonders wechselvoll war.

Die Beschwerdeführerin rügt schließlich unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, daß die belangte Behörde die im Verwaltungsverfahren beantragten Einvernahmen des türkischen Botschafters in Österreich und des österreichischen Botschafters und des österreichischen Handelsdelegierten in der Türkei unterlassen habe. Während in der Beschwerde das Beweisthema, wozu die Genannten befragt werden sollten, gar nicht dargetan ist, wurde in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 8. August 1990 bloß angegeben, diese sollten zur innenpolitischen Situation der Türkei gehört werden. Nun ist die innenpolitische Situation in der Türkei überhaupt kein Beweisthema im Verwaltungsverfahren gewesen, sondern vor allem die Frage, ob die Ausfuhr von Kriegsmaterial in ein Gebiet erfolgt, in dem ein bewaffneter Konflikt herrscht, ein solcher auszubrechen droht oder sonstige gefährliche Spannungen bestehen. Die Beschwerdeführerin hat in der Beschwerde auch nicht dargetan, zu welchen anderen Feststellungen die belangte Behörde auf Grund dieser Einvernahmen hätte kommen können. Abgesehen davon - die Einvernahme dieser Zeugen hat die belangte Behörde, ohne den angefochtenen Bescheid mit der behaupteten Rechtswidrigkeit zu belasten, zu Recht unterlassen - konnte die belangte Behörde schon auf Grund der drei von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren abgegebenen Stellungnahmen und der von den beteiligten Ministerien abgegebenen Äußerungen, die der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht worden sind, davon ausgehen, daß bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen türkischen Ordnungskräften und einer militanten Kurdenorganisation (auch PKK genannt) stattfinden und in dem betreffenden Gebiet (südostliche Türkei) der Ausnahmezustand besteht, was auch von der Beschwerdeführerin weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde bestritten wird. Ausnahmezustand bedeutet einen staatlichen Notstand, der den Staat zu außerordentlichen Maßnahmen nötigt, im vorliegenden Fall, um seine Hoheitsrechte gegen Angriffe einer militanten Kurdenorganisation durchzusetzen. Die Beschwerdeführerin selbst hat in ihrer Stellungnahme vom 13. August 1990 unter anderem ausgeführt, "daß die kurdische Untergrundbewegung PKK bereits öffentlich den Krieg gegen Ankara erklärt hat". Bei der PKK handle es sich um eine militante Organisation, deren Ziel sei, in der Türkei Unruhe zu schaffen und aufrührerische Tätigkeiten zu setzen. Ist also die Bekämpfung dieser kurdischen Untergrundorganisation mit Waffengewalt durch die Türkei notwendig, so liegt sowohl ein bewaffneter Konflikt

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides bringt die Beschwerdeführerin vor, daß in den Stellungnahmen der "befaßten Behörden nur vom Tatbestand der Menschenrechtsverletzungen" (§ 3 Abs. 1 Z. 3 leg. cit.) ausgegangen worden sei, aber nicht vom § 3 Abs. 1 Z. 2 KMG. Wie bereits zuvor ausgeführt, haben die Bundesminister für Landesverteidigung und Auswärtige Angelegenheiten in ihren Stellungnahmen nicht auf Menschenrechtsverletzungen in der Türkei hingewiesen, sondern nur der anzuhörende Bundeskanzler. Die Behauptung der Beschwerdeführerin ist daher aktenwidrig und unzutreffend. Außerdem hat die belangte Behörde im Ermittlungsverfahren durch die Zusendung von Zeitungsartikeln und Äußerungen der befaßten Bundesministerien an die Beschwerdeführerin zur Stellungnahme ausreichend erhoben, ob Kriterien des § 3 Abs. 1 Z. 2 KMG vorliegen; sie brauchte hiebei weder auf eine Gesetzesstelle hinweisen noch ihre rechtlichen Überlegungen der Beschwerdeführerin vor der Bescheiderlassung bekanntgeben. Entgegen den Beschwerdebehauptungen hat die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides an keiner Stelle die "Rechtsansicht" vertreten, daß "Terrorüberfälle durch die PKK" ohne Unterstützung hingenommen werden müssen. Verbale Unterstützungen der Republik Österreich, wonach Terrorakte in der Türkei zu verurteilen seien, bedingen keineswegs materielle Unterstützungen durch Waffenexporte aus Österreich, hat doch der Gesetzgeber des Kriegsmaterialgesetzes die Bewilligungskriterien für einen Export von Kriegsmaterial nicht darauf abgestellt, ob ein innerstaatlicher oder zwischenstaatlicher Konflikt vorliegt und auf welchen ideologischen Hintergrund die Konfliktsituation beruht. Nicht zielführend sind die in diesem Zusammenhang vorgebrachten

Da die Beschwerden sich sohin als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 5. März 1991, BGBl. Nr. 104, insbesondere dessen Art. III Abs. 2.

Von den beantragten Verhandlungen konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

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