VwGH 90/16/0042

VwGH90/16/004220.6.1990

Antrag der G-Gesellschaft m.b.H. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 31. Oktober 1989, GZ. GA 11-1603/1/89, betreffend Grunderwerbsteuer.

Normen

AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen und am 29. November 1989 zugestellten Bescheid der im Spruch dieses Beschlusses genannten Behörde war der Antragstellerin ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 1,900.201 S die Grunderwerbsteuer gemäß § 7 Z. 3 GrEStG 1987 mit 3,5 v.H. im Hinblick auf die noch nicht in genauer Höhe festgestehenden Gesamtkosten vorläufig zur Entrichtung vorgeschrieben worden.

Mit dem am 12. März 1990 zur Post gegebenen Antrag begehrte die Antragstellerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den oben erwähnten Berufungsbescheid und führte darin im wesentlichen aus, sie habe die Berufungsentscheidung dem einschreitenden Rechtsfreund mit dem Auftrag übergeben, sowohl in ihrem als auch im Namen des Käufers, P, eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Der einschreitende Rechtsvertreter der Antragstellerin habe innerhalb der Beschwerdefrist beide Beschwerden verfaßt, unterfertigt und unter Anfügung der jeweiligen Beilagen am 10. Jänner 1990 zur postalischen Abfertigung an seine Kanzleileiterin, M, übergeben. In der Unterschriftenmappe seien die jeweiligen bereits adressierten Kuverts enthalten gewesen. Beim Einkuvertieren sei, wie am 28. Feber 1990 durch telefonische Rückfrage bei der Einlaufstelle des Verwaltungsgerichtshofes festgestellt worden sei, lediglich die Beschwerde für P in das an den Verwaltungsgerichtshof adressierte Kuvert gegeben worden. Die für die Antragstellerin erhobene Beschwerde sei, weil sie äußerlich völlig identisch mit der zweiten Beschwerde gewesen sei, offensichtlich als Mandantendoppel behandelt und in das an die Antragstellerin adressierte Kuvert gegeben worden. Die namens der Antragstellerin zu erhebende Beschwerde sei infolge dieses Versehens nicht zusammen mit der anderen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gelangt. Die mit der postalischen Abfertigung betraute Kanzleileiterin sei seit 1979 in der Kanzlei des einschreitenden Rechtsvertreters ohne Beanstandungen beschäftigt. Ihr sei ein derartiges oder auch nur ähnliches Versehen bislang noch nie unterlaufen. Da sie besonders auch in der Erledigung von Gerichtsstücken sehr sorgfältig arbeite, sei ihr das Fehlverhalten völlig unerklärlich.

Mit dem Wiedereinsetzungsantrag legte die Antragstellerin eine "eidesstättige Erklärung" des mit dem einschreitenden Rechtsfreund in Kanzleigemeinschaft tätigen Rechtsanwaltes Dr. E und der M vor, die die Angaben in diesem Antrag bestätigen.

Gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag legte die Antragstellerin die darin als "versehentlich in das an sie adressierte Kuvert gegeben" bezeichnete Beschwerde vor.

Die belangte Behörde teilte zu diesem Wiedereinsetzungsantrag mit, daß die Vorgänge in der Kanzlei des einschreitenden Rechtsfreundes für sie nicht überprüfbar seien. Gegen eine allfällige Wiedereinsetzung erhebe sie aus verwaltungsökonomischen Gründen keine Einwände.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Hinblick auf die durch die oben angeführten Erklärungen bestätigten Angaben im Wiedereinsetzungsantrag im Zusammenhalt mit dem Inhalt des Aktes Zl. 90/16/0005, betreffend die Beschwerde des P, keinen Grund, an den Angaben im Wiedereinsetzungsantrag zu zweifeln. Ausgehend von diesem Sachverhalt ist der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus folgenden Erwägungen berechtigt:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 656 f zitierte Rechtsprechung). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit im Hinblick auf die Bestimmung des § 46 Abs. 1 zweiter Satz VwGG nur in Betracht, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Unterläuft einem Angestellten, dessen Zuverlässigkeit glaubhaft dargetan wird, erst nach der Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes und nach Kontrolle desselben durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so stellt dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein unvorhergesehenes Ereignis dar (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1987,

Zlen. 87/11/0252, 0254 und 0256). Die regelmäßige Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen.

Diese in der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes enthaltenen Erwägungen kommen auch im vorliegenden Fall voll zum Tragen. Auch hier hat der bevollmächtigte Rechtsanwalt der Antragstellerin das für die fristgerechte Erstattung der Beschwerde Erforderliche vorgekehrt. Zur Versäumung der Beschwerdefrist kam es nur auf Grund des oben beschriebenen Versehens seiner Angestellten, das dieser erst nach fristgerechter Fertigstellung und Kontrolle durch den Rechtsanwalt bei Kuvertierung der Beschwerde unterlaufen ist. Da dem Antragsteller und seinem bevollmächtigten Vertreter ein Verschulden an der Versäumung somit nicht vorgeworfen werden kann, war dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben.

Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren nun gemäß § 46 Abs. 5 VwGG in jene Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat. Die dieser Verfahrenslage entsprechende, das Beschwerdeverfahren selbst betreffende Verfügung wird zur hg. Zl. 90/16/0043 gesondert ergehen.

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