VwGH 90/08/0127

VwGH90/08/012725.9.1990

N gegen Landesarbeitsamt Oberösterreich vom 30. März 1990, Zl. IVa-AlV-7022-4-B, betreffend Sondernotstandshilfe für alleinstehende Mütter gemäß § 39 AlVG.

Normen

AlVG 1977 §39 Abs2 idF 1983/594;
AlVG 1977 §39 Abs2;
MeldeG 1972 §7 Abs1;
AlVG 1977 §39 Abs2 idF 1983/594;
AlVG 1977 §39 Abs2;
MeldeG 1972 §7 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und der ihr beigeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Mit Bescheid des Arbeitsamtes B vom 28. September 1989 wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 28. August 1989 auf Gewährung der Notstandshilfe für alleinstehende Mütter gemäß § 39 Abs. 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 2 lit. c AlVG 1977 mangels Notlage keine Folge gegeben. Diesem Bescheid lag der Sachverhalt zugrunde, daß die Beschwerdeführerin mit dem Vater ihrer Tochter Romana (aus Anlaß von deren Geburt am 2. September 1989 die Beschwerdeführerin Sondernotstandshilfe beantragte) in X gemeinsam wohnte und gemeldet war, sowie ferner, daß der Kindesvater im August 1989 ein Nettoeinkommen von S 13.573,76 hatte.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid aus seinen zutreffenden Gründen bestätigt. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides sei unbestritten, daß die Beschwerdeführerin an der selben Adresse wie der Vater ihres unehelichen Kindes Romana angemeldet sei. Demnach gelte die Beschwerdeführerin nicht als alleinstehende Mutter im Sinne der (von der belangten Behörde einleitend zitierten) anzuwendenden Gesetzesstellen. Wie aus deren klarem Wortlaut hervorgehe, komme es nicht auf das Bestehen einer Lebensgemeinschaft an, sondern es seien Väter von unehelichen Kindern, die mit der Mutter an der gleichen Adresse gemeldet seien, einem Lebensgefährten gleichzuhalten. Nach Zitierung der von der belangten Behörde angewendeten Gesetzesvorschriften des § 39 Abs. 3 und 4 sowie 33 Abs. 2 AlVG, sowie ferner der anzuwendenden Bestimmungen der Notstandshilfeverordnung führt die belangte Behörde weiters aus, daß die Beschwerdeführerin und der Kindesvater zwar eine getrennte Haushaltsführung behauptet hätten, doch könne man bei der von der Beschwerdeführerin selbst angegebenen alleinigen Benützung von einem Zimmer durch sie und ihre beiden Kinder sowie aus der (mit dem Kindesvater) gemeinsamen Benützung von Küche, Bad, WC und Waschmaschine nicht davon sprechen, daß ein getrennter Haushalt vorliege, zumal von einer Nahebeziehung zwischen der Beschwerdeführerin und dem Vater ihres Kindes auszugehen sei. Es sei daher (auch) von einem gemeinsamen Haushalt auszugehen. Unter Heranziehung der Bestimmung des § 4 Abs. 2 der Notstandshilfeverordnung in der Fassung der Verordnung vom 23. Juni 1988, BGBl. Nr. 319/1988, ermittelte die belangte Behörde eine "Familienobergrenze" im Sinne des § 4 Abs. 2 NHV von S 11.415,50 und gelangte mit Rücksicht auf das tatsächliche Familieneinkommen (bestehend aus dem Nettoeinkommen des Kindesvaters) in der Höhe von S 13.573,76 zur Verneinung der Notlage der Beschwerdeführerin im Sinne des § 39 in Verbindung mit § 33 Abs. 2 lit. c AlVG 1977.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird vorgebracht, daß die Beschwerdeführerin mit dem Kindesvater zwar in einem Haus, nicht aber in einem Wohnungsverband lebe, und daß kein gemeinsamer Haushalt bestehe. Die belangte Behörde habe insbesondere den Begriff "gleiche Adresse" verkannt. Unstrittig und offenkundig könnten in einem einzigen Haus mehrere getrennte Wohnungen bestehen, wobei niemand je auf den Gedanken käme "der Bewohner einer Wohneinheit etwa im zehnten Stock lebe mit dem einer Wohneinheit im Parterre in Hausgemeinschaft oder an 'der gleichen Adresse'". Gleiches gelte aber auch für die Bewohner "eines nach außen hin als einzige Wohnung erscheinenden Gebäudeteiles". Es könnten auch innerhalb einer einzigen solchen Einheit faktisch und rechtlich getrennte Wohnungen existieren, die dann ebenfalls nicht als gleiche Adresse gelten würden. Die Existenz von solchen Unterbestandrechten sei auch vom Gesetzgeber audrücklich anerkannt. Die belangte Behörde hätte daher nicht ohne jegliche weitere Beweisaufnahme und Überprüfung feststellen dürfen, daß die Beschwerdeführerin mit dem Kindesvater in Haus- oder Lebensgemeinschaft lebe. Es wäre zumindest ein Ortsaugenschein vorzunehmen gewesen, um die konkreten Räumlichkeiten feststellen zu können. Der Behörde liege eine gesetzwidrige Auslegung des Begriffes des Lebensgefährten zur Last, da "beim getrennten Wohnen in einer tatsächlich ausreichend großen Wohneinheit eben zwei Wohnungen ('Adressen')" bestünden. Im übrigen sei der Beschwerdeführerin die Sondernotstandshilfe schon deshalb zuzuerkennen gewesen, weil sie mit dem Vater ihres Sohnes Simon nicht in Lebensgemeinschaft lebe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 39 Abs. 1 AlVG 1977 gebührt alleinstehenden Müttern, die wegen Betreuung ihres Kindes, dessen Geburt Anlaß für die Gewährung des Karenzurlaubsgeldes war, keine Beschäftigung annehmen können, weil erwiesenermaßen für dieses Kind keine Unterbringungsmöglichkeit besteht, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres dieses Kindes Notstandshilfe, sofern der Anspruch auf Karenzurlaubsgeld erschöpft ist und mit Ausnahme der Arbeitswilligkeit die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Notstandshilfe erfüllt sind.

Gemäß § 39 Abs. 2 AlVG 1977 in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr.594/1983 gilt als nicht alleinstehend eine Mutter, die ledig, geschieden oder verwitwet ist und mit dem Vater des unehelichen Kindes nach den Vorschriften des Meldegesetzes 1972, BGBl. Nr. 30/1973, an der gleichen Adresse angemeldet ist oder anzumelden wäre.

Über den Zweck der Neufassung des § 39 Abs. 2 AlVG 1977 wird im Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung (84 Blg. NR. 16. GP) ausgeführt, daß die Regelung vor der erwähnten Novelle, wonach ledige Mütter das höhere Karenzurlaubsgeld bzw. die Sondernotstandshilfe auch dann erhielten, wenn sie mit dem Kindesvater des außerehelichen Kindes zusammenlebten, in der Öffentlichkeit kritisiert worden sei. Die Novelle sehe daher eine Gleichstellung dieses Kindesvaters mit einem Ehegatten in beiden Bereichen vor. Die Ansprüche der wirklich alleinstehenden Mütter würden dadurch nicht geschmälert.

Nach den allgemein anerkannten Auslegungsregeln darf einem Gesetz in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden, als aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet. Entsprechend dem eindeutigen Wortlaut des § 39 Abs. 2 AlVG 1977, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 594/1983, in Verbindung mit den zitierten Gesetzesmaterialien gelten ledige Mütter schon dann als nicht alleinstehend, wenn sie und der Kindesvater des außerehelichen Kindes nach den Vorschriften des Meldegesetzes 1972 an der gleichen Adresse angemeldet sind oder anzumelden wären. Bei Zutreffen dieses Umstandes ist nicht mehr zu prüfen, ob die Elternteile tatsächlich zusammenleben oder einen gemeinsamen Haushalt führen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. November 1988, Zl. 87/08/0011).

In der Beschwerde wird weder bestritten, daß die Beschwerdeführerin und der Vater jenes Kindes, aus Anlaß von dessen Geburt die Sondernotstandshilfe beantragt wurde, in einer gemeinsamen Wohnung im Sinne eines "nach außen hin als einzige Wohnung erscheinenden Gebäudeteiles" (wie es in der Beschwerde heißt) wohnen. Damit liegt gerade nicht jener Fall vor, der in der Beschwerde als Beispielsfall zitiert wird, nämlich, daß zwei Personen zwar im gleichen Haus, aber in verschiedenen Wohneinheiten wohnen (und deshalb nicht an der gleichen Adresse angemeldet sind oder anzumelden wären; vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 10. November 1988, Zl. 87/08/0011), sondern ein Fall, in dem tatsächlich beide Kindeseltern in ein oder derselben Wohneinheit und damit auch an der gleichen Adresse wohnen. Entgegen der in der Beschwerde zum Ausdruck kommenden Auffassung, führt eine "tatsächlich ausreichend große Wohneinheit" noch nicht dazu, daß zwei (verschiedene) Wohnungen und damit Adressen angenommen werden könnten. Der Annahme, eine besonders große Wohnung könnte auch als zwei Wohnungen angesehen werden, steht u.a. auch entgegen, daß gemäß § 23 der OÖ Bauverordnung (Verordnung der OÖ Landesregierung vom 16. Jänner 1985, LGBl. Nr. 5/1985 als Landesgesetz in Kraft gesetzt durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 37/1989 vom 14. April 1989, mit Wirkung vom 1. Oktober 1989) Wohnungen baulich in sich geschlossen und mit den erforderlichen sanitären Anlagen ausgestattet sein müssen, die im vorliegenden Fall unstrittig nur einmal (und nicht etwa doppelt) vorliegen. Schon deshalb war es für die belangte Behörde entbehrlich, einen Ortsaugenschein vorzunehmen und sonstige Erhebungen betreffend die fraglichen Räumlichkeiten anzustellen.

Die Bestimmung des § 39 Abs. 2 AlVG bezieht sich in der Wendung "Vater des unehelichen Kindes" auf jenes Kind, dessen Geburt in § 39 Abs. 1 AlVG zum Anlaß für die Einräumung des Anspruches auf Sondernotstandshilfe genommen wird. Dies kann nach dem gesamten Regelungszusammenhang nicht zweifelhaft sein. Das Beschwerdeargument, die Beschwerdeführerin lebe mit dem Kindesvater des zweiten Kindes nicht (auch) im selben Haus, geht daher ins Leere, da die Geburt jenes Kindes Anlaß des gegenständlichen Verfahrens gewesen ist, dessen Vater mit der Beschwerdeführerin wohnt.

Gegen die Ermittlung der Familienobergrenze im Sinne des § 4 Abs. 2 der Notstandshilfeverordnung und gegen die von den Behörden des Verwaltungsverfahrens festgestellte Höhe des Nettoeinkommens des Kindesvaters wird in der Beschwerde nichts vorgebracht. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß der Verfassungsgerichtshof zwar mit Erkenntnis vom 29. Juni 1990, G 81/90 u.a., V 179/90 u.a. die Bestimmung des § 4 Abs. 2 der Notstandshilfeverordnung in der hier anzuwendenden Fassung des BGBl. Nr. 319/1988 als gesetzwidrig aufgehoben und gleichzeitig bestimmt hat, daß die Aufhebung mit Ablauf des 30. September 1990 in Kraft tritt, dies jedoch an der Anwendbarkeit der genannten Verordnungsbestimmung im vorliegenden Fall deshalb nichts ändert, weil die Beschwerdeführerin nicht Anlaßfall des verfassungsgerichtlichen Verfahrens im Sinne des Art. 139 Abs. 6 letzter Satz B-VG gewesen ist und die Verordnung auf die vor der Aufhebung verwirklichte Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles weiterhin anzuwenden ist, sofern der Verfassungsgerichtshof - wie hier - in seinem aufhebenden Erkenntnis nichts anderes ausspricht (Art. 139 Abs. 6 vorletzter Satz B-VG).

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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