Normen
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
Begründung
Der Verwaltungsgerichtshof stellte mit Beschluß vom 21. Dezember 1989, Zl. 89/06/0116-5, das Verfahren betreffend die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 31. März 1988, Zl. 03-12 Ha 102-88/8, gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG ein, weil die Antragstellerin der mit 21. September 1989 an sie ergangenen Aufforderung, die Mängel der gegen den vorbezeichneten Bescheid eingebrachten Beschwerde zu beheben, nicht fristgerecht nachgekommen war.
Mit dem vorliegenden Antrag vom 19. April 1990 wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG begehrt, weil die Antragstellerin durch ein unvorhersehbares und für sie unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert gewesen sei, die Frist zur Behebung des aufgetragenen Mangels einzuhalten; sie sei im gegenständlichen Verfahren durch die ausgewiesene Rechtsanwaltskanzlei vertreten, der in den Angelegenheiten der Antragstellerin noch kein Formfehler unterlaufen sei, insbesondere habe die Kanzleileiterin, Frau T., bisher alle die Antragstellerin betreffenden Schriftstücke und Verfügungen Rechtsanwalt Dr. E. vorgelegt. Im gegenständlichen Fall habe Frau T., wie sich nunmehr herausgestellt habe, die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 1989 nicht Rechtsanwalt Dr. E. vorgelegt, weil sie der Auffassung gewesen sei, daß die Angelegenheit erledigt sei, zumal sich im Akt bereits eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes befunden habe. Rechtsanwalt Dr. E. habe aus diesem Grunde dem Verbesserungsauftrag des Verwaltungsgerichtshofes keine Folge geleistet. Es sei für die Antragstellerin unvermeidlich und unvorhersehbar gewesen, daß die Leiterin der Kanzlei Rechtsanwalt Dr. E. eine Verfügung nicht vorlegen werde, und daß daher der Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes keine Folge geleistet wurde. Davon, daß die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 1989 nicht vorgelegt worden war, habe Rechtsanwalt Dr. E. erst am 17. April 1990 Kenntnis erlangt. Hieraus ergebe sich, daß der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründet sei.
Mit dem Antrag wurden eine eidesstättige Erklärung der Kanzleileiterin T. sowie - in Befolgung des seinerzeit erteilten Auftrages - eine weitere Ausfertigung der eingebrachten Beschwerde vorgelegt.
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann kein Erfolg beschieden sein.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG, in der Fassung des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1985, BGBl. Nr. 564, ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung sowohl zu § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 als auch zu § 46 Abs. 1 VwGG ausgesprochen, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist. Das Versehen des Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem als Verschulden anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muß den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als Hilfsapparat bedient. Insbesondere muß der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, daß die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozeßhandlungen sichergestellt wird. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen u.a. dafür vorzusorgen sein, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. An dieser Aufsichts- und Kontrollpflicht eines Rechtsanwaltes hat sich auch durch die Neufassung des § 46 Abs. 1 VwGG auf Grund des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 564/1985 nichts geändert. Es ist daher in derartigen Fällen weiterhin ausschlaggebend, ob der Rechtsanwalt der genannten Verpflichtung entsprochen hat, wobei der Unterschied zur früheren Rechtslage lediglich darin besteht, daß dann, wenn diesbezüglich ein Verschulden des Rechtsanwaltes hervorkommt, nunmehr noch zusätzlich zu klären ist, ob es sich hiebei nicht um einen minderen Grad des Versehens handelte. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird im Bereich der Zivilprozeßordnung, z.B. von Fasching im Lehrbuch des österreichischen Zivilprozesses, Rz. 580, als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber oder sein Vertreter dürfe also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten von Rechtsanwälten seien diesen zuzurechnen und ermöglichten jedenfalls dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz der Einhaltung der berufsgebotenen Sorgfaltspflicht des Anwalts bei der Kontrolle der Termin- und Fristenevidenz und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen und eine durch die konkreten Umstände des Einzelfalles bedingte entschuldbare Fehlleistung gewesen seien (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. September 1986,
Zlen. 86/11/0132, 0133, und die dort angeführte Judikatur).
Von einem solchen bloß minderen Grad des Versehens kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein, denn es kann nicht einer Kanzleileiterin überlassen werden, selbständig zu entscheiden, in welcher Weise einem gerichtlichen Auftrag zu entsprechen sei. Schon allein darin ist ein Verschulden des Vertreters der Antragstellerin zu erblicken, welches, wie bereits oben ausgeführt, auch diese trifft (vgl. den hg. Beschluß vom 24. April 1979, Zl. 777/79). Überdies findet sich im Wiedereinsetzungsantrag auch kein Hinweis darauf, daß der Vertreter der Antragstellerin allgemein oder im besonderen Fall der ihn treffenden Überwachungspflicht nachgekommen wäre bzw. das Bestehen einer solchen Pflicht überhaupt erkannt hätte.
Demnach ist schon aus dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag zu erkennen, daß der Vertreter der Antragstellerin nicht ohne sein Verschulden - bei dem es sich im vorliegenden Fall, wie dargelegt, nicht um einen minderen Grad des Versehens handelt - verhindert war, dem Verbesserungsauftrag fristgerecht zu entsprechen.
Aus diesem Grunde war daher dem Antrag nicht stattzugeben.
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