VwGH 90/03/0236

VwGH90/03/023614.11.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr Hollinger, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 17. August 1990, Zl. IIb2-V-8508/1-1960, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
StVO 1960 §4 Abs5;
AVG §52;
StVO 1960 §4 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der Ausfertigung des mit ihr angefochtenen Bescheides ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 17. August 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 8. Jänner 1990 um 11.50 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Omnibus von der Esso-Tankstelle, Jochbergstraße 20, in Fahrtrichtung B 161 gelenkt und sei dabei an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden (Beschädigung eines anderen Pkws) beteiligt gewesen, es aber unterlassen, diesen Unfall ohne unnötigen Aufschub beim nächsten Gendarmerieposten anzuzeigen. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. b leg. cit. eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Auf Grund der Aktenlage und vom Beschwerdeführer unbestritten stehe fest - so wurde in der Bescheidbegründung ausgeführt -, daß der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt den in Rede stehenden Omnibus in Kitzbühel von der Tankstelle in Richtung B 161 rückwärts gelenkt habe. Das Auslenken eines Omnibusses rückwärts auf eine Bundesstraße sei ein Vorgang, der besondere Aufmerksamkeit erfordere. Der Beschwerdeführer habe das Quietschen von Autoreifen gehört und einen grauen Personenkraftwagen hinter dem Bus gesehen, der plötzlich abgebremst habe. Die Lenkerin des Pkws habe gehupt. Der Beschwerdeführer habe angegeben, er habe kein Zusammenstoßgeräusch vernommen, noch einen Anstoß bei seinem Fahrzeug gespürt. Dem entgegnete die Behörde, daß Voraussetzung für die Meldepflicht nach § 4 Abs. 5 StVO als objektives Tatbestandsmerkmal der Eintritt eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens sei, wobei dieser Tatbestand schon dann gegeben sei, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewußtsein gekommen seien oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zum Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte. Am Pkw der Unfallsgegnerin habe der Kotflügel rechts vorne Kratzspuren im Lack auf einer Länge von ca. 15 cm und einer Breite von 3 cm und habe der Pkw weiters Kratzspuren im Lack an der Motorhaube rechts aufgewiesen; auch sei der Kotflügel rechts vorne durch den Druck von oben gestaucht worden. Nachdem der Beschwerdeführer mit einem Omnibus von der Tankstelle nach rückwärts in eine Bundesstraße eingefahren sei und Bremsgeräusche eines Personenkraftwagens wahrgenommen und weiters im Rückspiegel gesehen habe, daß der gegenständliche Pkw abrupt angehalten und daß weiters nachträglich gehupt worden sei, hätten dem Beschwerdeführer bei gehöriger Aufmerksamkeit effektive Umstände zum Bewußtsein kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte. Der Beschwerdeführer wäre daher verpflichtet gewesen, sich durch Nachschauen zu vergewissern, was sich tatsächlich ereignet habe. Der Beschwerdeführer habe dies unterlassen und daher eine Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO begangen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie gehe leichtfertig davon aus, daß der Beschwerdeführer in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall stehe. Insbesondere sei zu berücksichtigen, daß wenig später den Beschwerdeführer kontrollierende Gendarmeriebeamte keinerlei Schäden am Omnibus des Beschwerdeführers hätte feststellen können. Diese vom Beschwerdeführer schon in seiner Berufung aufgestellte Behauptung enthalte implicit den Beweisantrag, die betreffenden Gendarmeriebeamten "in das Ermittlungsverfahren bzw. Beweisverfahren miteinzubeziehen". Die belangte Behörde gehe jedoch stillschweigend über diesen Antrag hinweg. Sie nehme damit eine unzulässige anzipierende Beweiswürdigung vor. Da an dem vom Beschwerdeführer gelenkten Omnibus habe keinerlei Schaden festgestellt werden können, könne davon ausgegangen werden, daß zur Klärung der Frage, ob "der Beschwerdeführer ursächlich für eine Beschädigung am Pkw" gewesen sei, besondere Fachkenntnisse nötig seien, weshalb die Beiziehung eines technischen Sachverständigen notwendig gewesen wäre. Auch zur Beurteilung der Frage der Wahrnehmbarkeit des Verkehrsunfalles für den Beschwerdeführer wäre ein Gutachten eines solchen Sachverständigen einzuholen gewesen.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Gemäß § 4 Abs. 5 StVO haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof, daß Voraussetzung für die Meldepflicht - wie die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides zutreffend darlegte - als objektives Tatbestandsmerkmal der Eintritt eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens ist, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zum Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (vgl. dazu n.v.a. das auch vom Beschwerdeführer zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. September 1985, Zl. 84/03/0065, sowie vom 19. Februar 1987, Zl. 86/02/0173, sowie die weitere darin angeführte Vorjudikatur).

Der Beschwerdeführer läßt in der vorliegenden Beschwerde die Feststellungen der belangten Behörde, er habe - von ihm unbestritten - beim Ausfahren mit dem gegenständlichen Omnibus aus einer Tankstelle im Rückwärtsgang in Richtung B 161 gesehen, wie ein Pkw hinter ihm plötzlich abgebremst worden sei, wobei er auch ein "Quietschen von Autoreifen" gehört habe, und daß ferner vom Lenker dieses Pkws gehupt worden sei, unbekämpft. Auch werden von ihm die in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführten Beschädigungen dieses Pkws nicht in Abrede gestellt.

In Hinsicht auf diese Beschädigungen durfte die belangte Behörde, ohne das Gutachten eines technischen Sachverständigen einholen zu müssen - dem vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. November 1985, Zl. 85/18/0222, lag ein anderer Sachverhalt zugrunde -, als erwiesen annehmen, daß der objektive Tatbestand der Eintritt eines Sachschadens erfüllt ist. In der Beurteilung der subjektiven Tatseite, ob also dem Beschwerdeführer unter den gegebenen Umständen bei gehöriger Aufmerksamkeit der Verkehrsunfall zum Bewußtsein hätte kommen müssen, ist der belangten Behörde ebenfalls keine Rechtswidrigkeit anzulasten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 19. Februar 1987, Zl. 86/02/0173) muß der Lenker den Geschehnissen um sein Fahrzeug seine volle Aufmerksamkeit zuwenden, insbesondere dann, wenn das Auslenken eines Omnibusses im Rückwärtsgang auf eine Bundesstraße erfolgt, wie die belangte Behörde zutreffend darlegte. Der belangten Behörde ist demnach nicht entgegenzutreten, wenn sie bei diesem Sachverhalt in den vom Beschwerdeführer unbestritten gemachten Wahrnehmungen (plötzliches Abbremsen des hinter dem Omnibus befindlichen Pkws, Quietschen von Autoreifen und anschließendes Hupen), ohne daß zur Beurteilung dieser Frage das Gutachten eines technischen Sachverständigen notwendig gewesen wäre, Umstände erblickte, auf Grund deren der Beschwerdeführer bei gehöriger Aufmerksamkeit die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden zu erkennen vermocht hätte. Der vom Beschwerdeführer vermißten Einvernahme der Gendarmeriebeamten, die bei einer späteren Fahrzeugkontrolle keinerlei Schäden an dem vom Beschwerdeführer gelenkten Omnibus hätten feststellen können, bedurfte es schon deswegen nicht, weil es nicht darauf ankam, ob bei dem Verkehrsunfall auch das Fahrzeug des Beschwerdeführers beschädigt wurde.

Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

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