VwGH 89/08/0117

VwGH89/08/011724.10.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Sauberer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde der MK in K, vertreten durch Dr. Martin Nagiller, Rechtsanwalt in 6330 Kufstein, Kaiserbergstraße 30, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 8. März 1989, Zl. Vd- 3426/3, betreffend Haftung als Betriebsnachfolger gemäß § 67 Abs. 6 ASVG (mitbeteiligte Partei: Tiroler Gebietskrankenkasse in 6020 Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §68 Abs2;
VwRallg;
ASVG §68 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- sowie an die mitbeteiligte Tiroler Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 24. November 1986 verpflichtete die mitbeteiligte Tiroler Gebietskrankenkasse die Beschwerdeführerin gemäß § 67 Abs. 6 Z. 1 ASVG zur Zahlung von S 18.906,77 innerhalb von acht Tagen nach Zustellung des Bescheides. Der Begründung zufolge handelt es sich um rückständige Beitragschulden aus dem Betrieb des Ehegatten der Beschwerdeführerin, den diese übernommen und seit 1. Mai 1986 weitergeführt habe. Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch.

1.2. Mit Bescheid vom 8. März 1989 gab der Landeshauptmann von Tirol diesem Einspruch teilweise Folge und setzte den Haftungsbetrag auf S 16.041,15 herab.

1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Unterlassung der Feststellung ihrer Haftung für Beitragsschulden, hinsichtlich derer die Vollstreckungsverjährung bereits eingetreten sei, verletzt. Nach der Begründung dieser Beschwerde sei der Bescheid der Tiroler Gebietskrankenkasse vom 24. November 1986 bereits seit dem 2. Dezember 1986, nämlich seit dem Ablauf der achttägigen Leistungsfrist, vollestreckbar gewesen. Dem Einspruch sei keine aufschiebende Wirkung zugekommen und überdies habe die Einspruchsbehörde die beantragte aufschiebende Wirkung mit Bescheid vom 23. Februar 1987 nicht zuerkannt. Gemäß § 68 Abs. 2 ASVG verjähre das Recht auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden binnen zwei Jahren nach Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung. Nichts anderes als diese Verständigung stelle der seit 2. Dezember 1986 vollstreckbare Bescheid der Gebietskrankenkasse vom 24. November 1986 dar. Dennoch habe die Gebietskrankenkasse bis zum 20. März 1989 keine Schritte zum Zwecke der Hereinbringung der festgesetzten Beiträge unternommen. Träte die Vollstreckungsverjährung nach § 68 Abs. ASVG während des Rechtsmittelverfahrens über den Feststellungsbescheid ein, so sei darauf auch im Festsetzungsverfahren Bedacht zu nehmen. Die belangte Behörde hätte daher dem Einspruch stattgeben und feststellen müssen, daß eine vollstreckbare Haftungsforderung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gegen die Beschwerdeführerin nicht bestehe.

1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungeakten vor; die mitbeteiligte Tiroler Gebietskrankenkasse erstattete eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 68 Abs. 1 und 2 ASVG lauten auszugsweise:

"§ 68. (1) Das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjährt binnen zwei Jahren vom Tag der

Fälligkeit der Beiträge. ...... Diese Verjährungsfrist der

Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn ..... Die

Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird.

(2) Das Recht auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden verjährt binnen zwei Jahren nach Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung. Die Verjährung wird durch jede zum Zwecke der Hereinbringung getroffene Maßnahme, wie z.B. durch Zustellung einer an den Zahlungspflichtigen gerichteten Zahlungsaufforderung (Mahnung)

unterbrochen; ..... "

2.2. Strittig ist ausschließlich die Frage, ob ein (behauptetermaßen ungenütztes) Verstreichen zwischen dem Zeitpunkt des Ablaufes der Leistungsfrist, wie sie im erstinstanzlichen Haftungsbescheid festgesetzt worden war und Einforderungsmaßnahmen der Behörde im Sinne des § 68 Abs. 2 ASVG den angefochtenen Haftungsbescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

Der Verwaltungsgerichtshof kann nun die Frage, ob der Haftungsbescheid (§ 410 Abs. 1 Z. 4 ASVG) der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse im vorliegenden Fall nicht die Elemente eines Beitrags(Haftungs)feststellungsbescheides und eines Einforderungsbescheides in sich vereint - was zur Verneinung der behaupteten Verjährung des Einforderungsrechtes führen würde -, dahingestellt bleiben lassen. Denn selbst dann, wenn sich der Haftungsbescheid der Gebietskrankenkasse nur als eine Feststellung der Beitragsverpflichtung im Haftungsweg darstellte, wäre folgendes zu erwägen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30. Jänner 1986, Zl. 85/08/0116 = ZfVB 1986/5/2177, ausgeführt hat, könne jedenfalls in Fällen, in denen zwischen dem Beitragsschuldner und dem Krankenversicherungsträger die Verpflichtung des Beitragsschuldners zur Zahlung von Beiträgen strittig sei, von "festgestellten Beitragsschulden" im Sinne des § 68 Abs. 2 ASVG nicht gesprochen werden. Anderenfalls könnte während eines Streites zwischen dem Beitragsschuldner und dem Krankenversicherungsträger über die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen dem Grunde oder der Höhe nach zwar nicht das Feststellungsrecht entsprechend der Bestimmung des § 68 Abs. 1 ASVG, wohl aber das Einforderungsrecht, auf das aber letztlich die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen abziele, verjähren. Das bedeute keineswegs, daß der Krankenversicherungsträger "durch einseitige Rechtshandlungen willkürlich Verjährungsvorschriften verlängern oder umgehen könnte". Denn es stehe ja dem Beitragsschuldner im Falle eines Streites über die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen frei, eine Klärung dieser Frage dadurch herbeizuführen, daß er die Erlassung eines Bescheides nach § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG, im Falle der Säumnis des Krankenversicherungsträgers die Entscheidung des Landeshauptmannes nach § 410 Abs. 2 leg. cit. und bei dessen Säumnis die Entscheidung des Bundesministers gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 begehre.

Der Verwaltungsgerichtshof hält an der damit zum Ausdruck gebrachten Auslegung des Begriffes der "festgestellten" Beitragsschulden im Sinne des § 68 Abs. 2 ASVG dahingehend, daß darunter Rechtskraft im Sinne von Unanfechtbarkeit der Streiterledigung durch ordentliche Rechtsmittel und nicht Vollstreckbarkeit gemeint ist, fest. Auf § 43 Abs. 2 VwGG sowie Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, wird Bezug genommen.

Es ist daher der Verjährungstatbestand des § 68 Abs. 2 ASVG im Beschwerdefall nicht gegeben, sodaß der angefochtene (Haftungs)Bescheid aus diesem einzigen von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Grund, nämlich der von ihr gedachten Rückwirkung einer solchen Einforderungsverjährung auf den Bescheid betreffend die Feststellung der Verpflichtung zur Beitragsleistung, nicht mit Rechtswidrigkeit belastet ist.

2.3. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 sowie 48 Abs. 3 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. 1 Z. 4 und 7 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst BGBl. Nr. 206/1989.

2.5. Es wird darauf hingewiesen, daß die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wird, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 6. September 1978, Zlen. 1902, 1903/78 = ZfVB 1979/2/513).

Wien, am 24. Oktober 1989

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