VwGH 88/07/0094

VwGH88/07/009428.2.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Janistyn, in der Beschwerdesache des KS in R, vertreten durch Dr. Christian Tschurtschenthaler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Karfreitstraße 6/II, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Kärntner Landesregierung vom 18. April 1988, Zl. Agrar 11-494/8/88, betreffend Nichtigerklärung eines Bescheides (mitbeteiligte Partei: Bringungsgemeinschaft R, vertreten durch den Obmann HK in R), den Beschluss gefasst:

Normen

AgrBehG 1950 §7 Abs1;
AgrBehG 1950 §7 Abs2 Z5 litd;
AgrVG §1;
AVG §68 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
AgrBehG 1950 §7 Abs1;
AgrBehG 1950 §7 Abs2 Z5 litd;
AgrVG §1;
AVG §68 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 5. Dezember 1986 stellte der Beschwerdeführer an die mitbeteiligte Bringungsgemeinschaft (im folgenden: MB) den Antrag, ihn der Mitgliedschaft zur MB zu entbinden und ihm die von ihm an die MB geleisteten Beiträge zurückzuerstatten. Begründend führte der Beschwerdeführer aus, seine Waldparzelle sei durch die Forststraße der MB nicht erschlossen worden. Er sei daher der Weggenossenschaft RFK beigetreten, welche sein Grundstück erschlossen habe.

Am 12. Februar 1987 führte die Agrarbezirksbehörde Villach (ABB) über den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausscheiden aus der MB eine mündliche Verhandlung durch und holte in der Folge eine Stellungnahme ihres technischen Sachverständigen ein, welche sie den Verfahrensparteien zur Kenntnis brachte. Mit Bescheid vom 10. August 1987 gab die ABB dem Antrag des Beschwerdeführers vom 5. Dezember 1986 statt und entließ den Beschwerdeführer aus der Mitgliedschaft zur MB. Gleichzeitig wurde die MB verpflichtet, dem Beschwerdeführer S 16.559,-- "aus dem Titel des seinerzeitigen Einkaufsbetrages" sowie S 2.970,-- als von ihm geleistete Erhaltungskosten zu bezahlen. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer infolge der Weigerung des Eigentümers eines zwischen dem Grundstück des Beschwerdeführers und dem Ende des Forstweges der MB liegenden Grundstückes, dieses Grundstück zur Holzabfuhr benützen zu dürfen, nicht in der Lage gewesen sei, den Bringungsweg der MB zu benützen. Auf Grund dieses unverschuldeten Bringungsnotstandes auf seiten des Beschwerdeführers habe die Unmöglichkeit der Verwirklichung des seinerzeitigen Vertragszweckes anerkannt werden können.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte die MB geltend, der Beschwerdeführer habe wiederholt Holz über den Forstweg abgeführt. Der Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers sei, obwohl ihm bekannt gewesen sei, daß der Forstweg noch vor seinem Waldgrundstück ende, freiwillig der MB beigetreten. Dem Beschwerdeführer wäre die Möglichkeit offengestanden, sich entweder mit dem Eigentümer des dazwischenliegenden Grundstückes ins Einvernehmen zu setzen, oder die zwangsweise Einräumung eines Bringungsrechtes zu beantragen. Die belangte Behörde führte in der Folge am 6. November 1987 eine örtliche Erhebung in Anwesenheit der Verfahrensparteien durch, holte Gutachten ihres forsttechnischen Sachverständigen und ihres agrartechnischen Mitgliedes ein und führte am 18. April 1988 eine mündliche Verhandlung durch. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom selben Tag wies die belangte Behörde in Spruchabschnitt I gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 iVm § 1 Agrarverfahrensgesetz 1950 die Berufung der MB als unzulässig zurück. In Spruchabschnitt II des angefochtenen Bescheides wurde der Bescheid der ABB vom 10. August 1987 gemäß § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 iVm § 19 Abs. 1 Ktn. Güter- und Seilwege-Landesgesetz 1969, LGBl. Nr. 46 (GSLG), als nichtig erklärt. Begründend führte die belangte Behörde zu Spruchabschnitt I aus, die Berufung der Mitbeteiligten sei durch den Obmann erhoben worden, ohne daß hiefür ein entsprechender Beschluß der Vollversammlung der MB zugrunde gelegen sei. Die erst nach Ablauf der Berufungsfrist erfolgte Genehmigung der Berufungserhebung habe die rechtzeitige Willensbildung nicht ersetzen können. Dem Obmann der MB habe sohin die Legitimation zur Erhebung des Rechtsmittels gefehlt. Spruchabschnitt II des angefochtenen Bescheides begründete die belangte Behörde damit, daß der dem Verfahren zugrundeliegende Ausscheidungsantrag des Beschwerdeführers an die MB zu Handen ihres Obmannes gerichtet gewesen sei. Die MB habe in der Folge aber keine Vollversammlung über diesen Antrag anberaumt, sondern die ABB um Hilfestellung ersucht, welche in der Folge den erstinstanzlichen Bescheid erlassen habe. Gemäß den Regelungen des § 16 GSLG bedürfe der Austritt aus einer Bringungsgemeinschaft deren Zustimmung. Eine Entscheidung über einen derartigen Austrittsantrag durch die Agrarbehörde habe erst zu erfolgen, wenn die Bringungsgemeinschaft die Zustimmung zum Austritt verweigere. Auch der Antrag auf Rückerstattung der geleisteten Beiträge sei an die MB gerichtet gewesen, sodaß deren Vollversammlung darüber beschlußmäßig zu entscheiden habe. Abgesehen davon enthalte das GSLG keine Bestimmungen über die Rückerstattung von Herstellungskosten. Zusammenfassend sei die ABB mangels eines entsprechenden Antrages nicht zur Entscheidung über das Begehren des Beschwerdeführers zuständig gewesen, weshalb der Bescheid der ABB gemäß § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 von Amts wegen für nichtig zu erklären gewesen sei.

Ausdrücklich lediglich gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Einhaltung eines gesetzmäßigen Verfahrens und auf richtige Anwendung des GSLG wie auch des AVG 1950 verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt. Die MB hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet, ein Kostenbegehren aber nicht erhoben.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit nach Erschöpfung des Instanzenzuges Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Unter Erschöpfung des Instanzenzuges ist die restlose Ausschöpfung aller Anfechtungsmöglichkeiten im Verwaltungsverfahren zu verstehen.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde als erste Instanz in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes den Bescheid der ABB vom 10. August 1987 gemäß § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 als nichtig erklärt und in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides darauf hingewiesen, daß gegen den Bescheid ein weiteres Rechtsmittel nicht zulässig sei.

Dem Beschwerdefall liegt eine Angelegenheit zugrunde, in welcher bei Vorliegen der weiteren vom Gesetz vorgesehen Voraussetzungen gemäß § 7 Abs. 2 Agrarbehördengesetz 1950 in der Fassung BGBl. Nr. 476/1974 die Anrufung des Obersten Agrarsenates eröffnet ist: Gemäß § 7 Abs. 2 Z. 5 lit. d leg. cit. ist nämlich eine Berufung an den Obersten Agrarsenat gegen abändernde Erkenntnisse des Landesagrarsenates zulässig, mit denen ein Mitglied aus einer Bringungsgemeinschaft ausgeschieden wird. Nun hat im Beschwerdefall der zuständige Landesagrarsenat als erste Instanz den Bescheid der Agrarbezirksbehörde gemäß § 68 Abs. 4 AVG 1950 für nichtig erklärt, wobei der aufgehobene Bescheid der untersten Instanz eine Materie im Sinn des § 7 Abs. 2 Agr.BehG 1950 zum Gegenstand hatte. Daß in einem derartigen Fall der Oberste Agrarsenat im Sinne des § 2 Abs. 2 Agrarverfahrensgesetz 1950 die oberste sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des AVG 1950 ist, steht außer Zweifel.

Für Entscheidungen gemäß § 68 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 1 Agrarverfahrensgesetz 1950 gelten hinsichtlich des Instanzenzuges die materiellen Vorschriften (siehe auch Ringhofer,

Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, Wien 1987, S. 578 f sowie die auf Seite 681 f angeführte Rechtsprechung). Der Instanzenzug endet dann nicht beim Landesagrarsenat, wenn dieser in einem eigenen - in diesem Fall auf § 68 Abs. 4 AVG 1950 beruhenden Verfahren in erster Instanz entschieden hat, wie vom Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 17. Jänner 1980, Zl. 3278/79, näher dargelegt wurde.

Gegen den angefochtenen Bescheid ist daher entgegen der darin enthaltenen Rechtsmittelbelehrung die Anrufung des Obersten Agrarsenates mit Berufung zulässig. Da der Rechtszug somit nicht erschöpft ist, war die vorliegende Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen. Auf die gemäß § 71 Abs. 1 AVG 1950 für derartige Fälle eröffnete Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wird hingewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff und insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, über die Pauschalierung der Kostenersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Wien, am 28. Februar 1989

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