Normen
WRG 1959 §111;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §39;
WRG 1959 §111;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §39;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 9.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt, waren folgende Personen am 24. Oktober 1983 grundbücherliche Eigentümer nachstehend bezeichneter, in der KG A gelegener Grundstücke: die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens: n1, n2; die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien (zu je einem Viertel) sowie die
drittmitbeteiligte Partei (zur Hälfte): n3, n4; die dritt- und
viertbeschwerdeführenden Parteien: n5, n6, n7; die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien: n8, n9, n10.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Radkersburg vom 27. August 1984 wurden gemäß § 138 Abs. 1 in Verbindung mit § 39 WRG 1959 die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien hinsichtlich des Grundstückes n9, die dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien hinsichtlich des Grundstückes n6 und n12 sowie die fünft- und sechstbeschwerdeführenden Parteien hinsichtlich des Grundstückes n11, alle Grundstücke gelegen in der KG A, verpflichtet, auf den genannten Grundstücken eine breitflächige Mulde oder einen Graben mit einer Sohlbreite von mindestens 0,7 m und einer Böschungsneigung von höchstens 1:1 herzustellen und dabei die Mulde oder den Graben mindestens so tief zu machen und laufend zu erhalten wie der tiefste Punkt im naturbelassenen Gelände am östlichen Ende der Mulde anschließend an den Acker am Grundstück n12 oder n13. Begründet wurde dieser Auftrag im wesentlichen wie folgt: Auf den oben bezeichneten Grundflächen sowie dem Grundstück n3 habe sich stets eine Geländemulde befunden, in der Hochwasser abgeflossen sei und sich in niederschlagsreichen Zeiten Wasser angesammelt habe. Auf den im Spruch angegebenen Grundstücken sei in den vergangenen Jahren von den jeweiligen Grundeigentümern Erde in die Mulde gebracht, diese zugeschüttet und das Gelände von Wiese oder Lahn in Acker umgewandelt worden. Darüber hätten sich nun die am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erst- und zweitmitbeteiligten Parteien wiederholt bebeschwert und Abhilfe verlangt. Da Versuche einer gütlichen Regelung erfolglos geblieben seien, habe am 24. Mai 1984 eine örtliche Verhandlung stattgefunden, bei der sich auch die Drittmitbeteiligte dem Begehren nach Wiederherstellung der Mulde angeschlossen habe. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass durch die von den Beschwerdeführern getroffenen Maßnahmen der Wasserabfluss von den Grundstücken n3, n4, n2 und n1 verhindert werde. Damit sei gegen § 39 WRG 1959 verstoßen worden und sei auf Grund des Verlangens der Eigentümer der benachteiligten oberliegenden Grundstücke die gleichzeitig getroffene Anordnung zu erlassen gewesen.
In der Berufung gegen diesen Bescheid verlangten die Beschwerdeführer unter Hinweis auf eine mit den Betroffenen am 25. August 1980 geschlossene Vereinbarung die Aufhebung des wasserpolzeilichen Auftrages mit der Behauptung, die Abmachung genauestens eingehalten zu haben.
Mit Bescheid vom 28. Jänner 1985 wies der Landeshauptmann von Steiermark diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab. In der Begründung wurde auf § 39 WRG 1959 und die Ermittlungen der Behörde erster Instanz sowie das Berufungsvorbringen, wonach die Aufschüttung einer Geländemulde den Tatsachen entspreche, Bezug genommen und ausgeführt, es könne unbestrittenermaßen als erwiesen angenommen werden, dass die natürlichen Abflussverhältnisse zum Nachteil des Oberliegers verändert worden seien. Vom 25. August 1980 gebe es einen Aktenvermerk ("Amtsvermerk") mit dem Inhalt, dass die beiden Überfahrten über die Geländemulde bei den dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien die gleiche Höhe aufwiesen und im seinerzeitigen Zustand verbleiben könnten; hierdurch sei jedoch keine Bewilligung zur Veränderung der natürlichen Abflussverhältnisse erteilt, sondern nur das Fehlen einer Beeinträchtigung des Oberliegers festgestellt worden.
Der Aktenvermerk vom 25. August 1980 lautet in seinem maßgebenden Teil wie folgt:
"Folgendes wurde - und zwar wie der Zusammenhang zeigt, zwischen den erst- bis viertbeschwerdeführenden sowie den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien - mündlich vereinbart: "Die Ehegatten T (das sind die dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien) senken die Aufschüttung der Überfahrt auf die an der südlichen Seite befindliche niedrigste Stelle. Die übrige Aufschüttung der Überfahrt T kann dann verbleiben. Sie stimmt dann mit der Höhe der Überfahrt am Grundstück S (das sind die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien) überein, die ebenfalls im jetzigen Zustand verbleiben kann. Zwischen den beiden Überfahrten können die Ehegatten T und S auf den Grundstücken n6 und n9 eine Aufschüttung bis zur Höhe der erwähnten Überfahrten vornehmen. Eine Erhöhung darüber hinaus darf nicht erfolgen."
Dieser Bescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich die Beschwerdeführer "in ihrem Recht auf gesetzmäßige Anwendung der §§ 39 und 138 WRG" 1959 verletzt erachten.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 39 Abs. 1 WRG 1959 darf der Eigentümer eines Grundstückes den natürlichen Abfluss der darauf sich ansammelnden oder darüber fließenden Gewässer zum Nachteile des unteren Grundstückes nicht willkürlich ändern. Nach Abs. 2 dieses Paragraphen ist auch der Eigentümer des unteren Grundstückes nicht befugt, den natürlichen Ablauf solcher Gewässer zum Nachteile des oberen Grundstückes zu hindern.
Gemäß § 138 Abs. 1 WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatz derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten unter anderem (lit. a) eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen.
Die Beseitigung gegen das Verbot des § 39 WRG 1959 verstoßender Neuerungen kann nicht nach dieser Gesetzesstelle, sondern nur auf Grund des § 138 WRG 1959 angeordnet werden (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Februar 1963, Zlen.1488/62 und 2037/62). Als eigenmächtige Neuerung ist eine Vorgangsweise anzusehen, die einer wasserrechtlichen Bewilligung bedürfte, ohne dass eine solche erwirkt wurde; dies gilt, wenn nicht die Gesetzesübertretung in der Herbeiführung eines - gleichermaßen zu beseitigenden - Zustandes besteht, der gar nicht bewilligungsfähig ist. § 39 WRG 1959 enthält jedenfalls keine Tatbestandsmerkmale welche die Grundlage für eine wasserrechtliche Bewilligung bilden könnten.
Im Beschwerdefall ist der nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle erlassene Auftrag auf (behauptetes) Verlangen aller - als in Bezug auf ihr Grundeigentum (§ 12 Abs. 2 WRG 1959) Betroffene aufgetretenen - Mitbeteiligten ergangen. Den Erst- und Zweitmitbeteiligten mangelte die Antragsberechtigung nicht unter dem Blickwinkel der von den Beschwerdeführern aufgeworfenen Frage, ob zur Zeit des Verwaltungsverfahrens vom Grundbuchsstand abgewichen werden durfte, da in jedem Fall auch Grundstücke im Miteigentum der Erst- und Zweitmitbeteiligten betroffen waren, wobei die Beschwerdeführer in ihrer Berufung das flächenmäßig festgestellte (auch die Gründstücke n1 und n2 berührende) Ausmaß der wasserrechtlich relevanten Benachteiligung nicht (mehr) in Frage gestellt haben. Dass die Erst- und Zweitmitbeteiligten gemäß § 138 Abs. 1 WRG 1959 die Beseitigung sie beeinträchtigender eigenmächtiger Neuerungen verlangen durften, ergibt sich aus dem die "Betroffenheit" begründenden Eingriff in ihr Grundeigentum (§ 12 Abs. 2 WRG 1959) in Form des Verstoßes der Beschwerdeführer gegen § 39 WRG 1959. Diese Vorschrift verbietet die willkürliche Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse zum Nachteil des unteren wie des oberen Grundstückes und setzt somit nicht, wie die Beschwerdeführer glauben, großräumige Neigungsverhältnisse voraus, abgesehen davon, dass Regulierungswasserbauten aller Art gemäß § 41 Abs. 4 WRG 1959 fremde Rechte nicht beeinträchtigen dürfen. Auch soweit die Beschwerdeführer die angebliche Nichtbeachtung der Errichtung eines Hochwasserschutzdammes an der Mur rügen, sind sie nicht im Recht; denn zum einen war der Amtssachverständige in der Verhandlung am 24. Mai 1984 auf diesen Umstand eingegangen, zum anderen haben die Beschwerdeführer das im erstinstanzlichen Bescheid festgehaltene Ermittlungsergebnis, wonach in der besagten Geländemulde "Hochwasser abfloss, sich aber in niederschlagsreichen Zeiten auch Wasser ansammelte", die Beeinträchtigung also auch durch Niederschlagswasser zu Stande kam, in der Berufung nicht in Abrede gestellt. Schließlich wurde auch das - stets nur den maßgebenden Sachverhalt betreffende - Parteiengehör in Hinsicht der Beschwerdeführer entgegen deren Ansicht - mit einer am Ende dieses Erkenntnisses angeführten Ausnahme - nicht dadurch verletzt, dass ihnen die in ihrer Abwesenheit nach der Verhandlung vom 24. Mai 1984, nämlich am 5. Juli und am 20. August 1984, vorgenommenen Erhebungen im ganzen Verfahren nicht zur Kenntnis gebracht wurden. Die Wasserrechtsbehörden sind nämlich zur Festlegung der Tiefe der in ihrem Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes vorgeschriebenen Mulde - und um diesen Zustand ging es bei den ergänzenden Erhebungen - von einem Punkt (5) ausgegangen; der letztlich nicht geändert (und zugleich auf das naturbelassene Gelände bezogen) wurde. Dass der ursprüngliche Geländeverlauf im Muldenbereich auf Grund der nachträglichen Messungen hätte zu dem (partiellen) Ergebnis führen können, die Beschwerdeführer seien nicht (nur) als Unterlieger, sondern (auch) als Oberlieger zu betrachten, hätte bei der gegebenen Sachlage nicht bedeutet, dass die ursprünglichen Abflussverhältnisse durch die Aufschüttung etwa nicht nachteilig beeinflusst worden wären. Unter dem Gesichtspunkt der zur Herstellung des früheren Zustandes vorgeschriebenen, nur an dem zuvor angegebenen Geländepunkt orientierten Grabentiefe war der ursprüngliche Geländeverlauf im einzelnen und war auch die Lage der tiefsten Stelle des benachbarten Grundstückes für die getroffene Entscheidung nicht maßgebend.
Dennoch sind die Beschwerdeführer mit ihren Einwänden gegen den erteilten Auftrag, und zwar im besonderen aus folgenden Gründen, im Recht:
138 Abs. 1 WRG 1959 ermächtigt die Behörde nur zum Auftrag der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes, also etwa - wie unter den Voraussetzungen des Beschwerdefalles - der Beseitigung eigenmächtig vorgenommener Neuerungen, nicht jedoch zu einer darüber hinausgehenden Anordnung (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. September 1979, Slg. Nr. 9922/A). Das bedeutet, dass den Beschwerdeführern weder - wie geschehen - eine Instandhaltungspflicht auferlegt werden durfte, noch sie zur Wiedereintiefung der zugeschütteten Mulde über den vor der durch sie herbeigeführten Änderung vorhandenen Zustand hinaus, soweit hierdurch in Rechte Dritter - im Beschwerdefall der Mitbeteiligten - eingegriffen wurde, verhalten werden durften. Nun haben die Beschwerdeführer in der Berufung auf eine mit den Erst- und Zweitmitbeteiligten am 25. August 1980 geschlossene "Vereinbarung" Bezug genommen, mit welcher diese einer Aufschüttung bis zu einer bestimmten Höhe zugestimmt hätten. Einen Hinweis darauf haben die Beschwerdeführer zwar in der mündlichen Verhandlung am 24. Mai 1984 (der Niederschrift zufolge) unterlassen, doch waren sie dazu in Wahrung ihrer Rechte nicht verpflichtet, weil im Verhandlungsgegenstand nur von der "Aufschüttung einer Geländemulde" und dem (behaupteten) Verlangen der Erst- und Zweitmitbeteiligten nach "Abhilfe durch die Behörde" die Rede war, die Erst- und Zweitmitbeteiligten selbst keine nähere Erklärung abgaben und der Behörde erster Instanz der Inhalt der "Vereinbarung" bekannt war. Es wurde auch anlässlich der erwähnten späteren Erhebungen auf diese "Vereinbarung" Bezug genommen und es wurden vom wasserbautechnischen Amtssachverständigen zwei Varianten für die zu fordernde Abtragung ausgearbeitet, von denen die eine (I) auf die ursprüngliche Muldentiefe, die andere (II) auf einen bei jener "Vereinbarung" bezeichneten (höher liegenden) Geländepunkt abstellte. Wenn nun in der Begründung des angefochtenen Bescheides eine behördliche Bewilligung der Veränderung der Abflussverhältnisse verneint wird, trifft dies zwar zu, lässt aber das Berufungsvorbringen in Hinsicht des behauptetermaßen damals erzielten Einvernehmens mit den Betroffenen unbeantwortet. Auf die Wirksamkeit dieser Abmachung wäre jedoch (im Weg einer Vorfragenbeurteilung) einzugehen gewesen, weil eine "eigenmächtige" Neuerung durch Eingriff in das Grundeigentum in Form einer "willkürlichen" Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse insoweit nicht vorliegt, als ein privatrechtlicher Titel hiezu berechtigt (vgl. Anmerkung 5 zu § 39 WRG 1959 bei Grabmayr-Rossmann, Das österreichische Wasserecht2, Wien 1978) Die besagte "Vereinbarung" betraf allerdings nur die Grundstücke n6 und n9 und somit nur die erst- bis viertbeschwerdeführenden Parteien. Da jedoch, insbesondere unter Bedachtnahme auf die angestellten ergänzenden Messungen in Hinsicht der Abtragungsvariante II im Fall eines anders lautenden Beseitigungsauftrages bezüglich der Grundstücke n6 und n9 Rückwirkungen für die Anordnung betreffend die übrigen vom Auftrag betroffenen Flächen nicht auszuschließen ist, kann kein Abtragungsbereich isoliert betrachtet werden. Abschließend ist noch festzuhalten, dass unter Bedachtnahme auf die Messungsergebnisse vom 5. Juli und 20. August 1984 die angeordnete Abtragung an der Grenze zwischen den Grundstücken der Beschwerdeführer und der betroffenen Nachbargrundstücke (Geländepunkt 1) auch ohne Berücksichtigung der "Vereinbarung" im Ausmaß über die bloße Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes hinausginge; in dieser Hinsicht wurde auch das Parteiengehör verletzt.
Im fortgesetzten Verfahren wird im übrigen zum einen klarzustellen sein, inwiefern seitens der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien ein entsprechendes Verlangen nach einem wasserpolizeilichen Auftrag überhaupt vorliegt, zum anderen wird die Anordnung jene Bestimmtheit erhalten müssen, die den Verwaltungsakt gegebenenfalls der Zwangsvollstreckung zugänglich macht, was auch mit Hilfe eines geeigneten, zum Bestandteil des Bescheides erklärten Lageplanes geschehen könnte.
Da sich der wasserpolizeiliche Auftrag in der vorliegenden Form somit als mit dem Gesetz nicht in Einklang stehend erweist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes zur Gänze aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.
Wien, am 7. März 1989
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