VwGH 87/07/0018

VwGH87/07/001820.9.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Univ. Ass. Dr. Unterpertinger, über die Beschwerde des Landes Oberösterreich (Landesstraßenverwaltung), vertreten durch Hofrat Dr. O G in Linz, Klosterstraße 7/11/378, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 4. September 1986, Z1. Wa-2272/2-1986/Spi/Wab, betreffend wasserpolizeilicher Auftrag zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art139 Abs1 impl;
B-VG Art140 Abs1 impl;
B-VG Art144 Abs2 impl;
B-VG Art144 Abs3 impl;
B-VG Art84 Abs2;
WRG 1959 §138 Abs2;
WRG 1959 §38 Abs1;
WRG 1959 §38 Abs3;
B-VG Art139 Abs1 impl;
B-VG Art140 Abs1 impl;
B-VG Art144 Abs2 impl;
B-VG Art144 Abs3 impl;
B-VG Art84 Abs2;
WRG 1959 §138 Abs2;
WRG 1959 §38 Abs1;
WRG 1959 §38 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Eingabe vom 5. September 1975 führte R B bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (BH) Beschwerde darüber, daß durch den nunmehrigen Beschwerdeführer das Straßenniveau der Aspacher Bezirksstraße im Hochwasserabflußbereich des St. Veiterbaches um ca. 20 cm erhöht worden sei, was eine Änderung der Hochwasserabflußverhältnisse in der Weise zur Folge habe, daß im Gegensatz zu früher sein Anwesen vom Hochwasser erreicht bzw. überflutet werde. Im Jahr 1978 habe der Genannte - so die Niederschrift der BH vom 9. August 1984 - mit dem damaligen Wasserrechtsreferenten der BH vereinbart, die Beschwerde "so lange als ruhend zu betrachten", bis durch ein neuerliches Hochwasser, das jenem vom 3. September 1975 entspreche, nochmals sein Haus beeinträchtigt werde, "wodurch bewiesen wäre, daß nunmehr in kürzeren jährlichen Abständen das Hochwasser bis zu diesem Anwesen reicht".

1.2. Am 9. August 1984 ersuchte laut Niederschrift vom selben Tag R B. die BH "im Sinne der seinerzeitigen Vereinbarung, das Wasserrechtsverfahren fortzusetzen und …. die Landesstraßenverwaltung zu verhalten, entweder die Niveauverhältnisse der Aspacher Bezirksstraße auf das vorher bestandene Ausmaß zurückzuführen oder durch geeignete Kompensationsmaßnahmen, wie z.B. die Vergrößerung des bestehenden Durchlasses, eine Verbesserung der Hochwasserabflußverhältnisse des St. Veiterbaches vorzunehmen".

2.1. Nach einer am 6. Dezember 1984 stattgefundenen mündlichen Verhandlung erging seitens der BH ein mit 10. Dezember 1984 datierter Bescheid, mit dem der Beschwerdeführer gemäß §§ 38 Abs. 1, 98, 105, 107 und 138 Abs. 2 WRG 1959 verpflichtet wurde, entweder unter Vorlage geeigneter Projektsunterlagen um die Erteilung der nachträglichen wasserrechtlichen Genehmigung für die Niveauerhöhung der Aspacher Bezirksstraße im Hochwasserabflußbereich des St. Veiterbaches anzusuchen oder durch geeignete Maßnahmen die ursprünglichen Niveauverhältnisse und somit den vorherigen Zustand wieder herzustellen.

2.2. Dieser Bescheid wurde aus Anlaß der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 29. Mai 1985 gemäß § 66 AVG 1950 zur Gänze behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwiesen. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß der Wiederherstellungsauftrag nicht geeignet sei, im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt zu werden, da keine Hinweise auf den genauen Umfang bzw. die Art der notwendigen Maßnahmen gegeben worden seien.

3.1. Nach Durchführung einer neuerlichen Verhandlung am 13. März 1986 erließ daraufhin die BH unter dem Datum 25. März 1986 einen neuen Bescheid, mit dem der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die §§ 38, 98 und 138 Abs. 2 WRG 1959 verpflichtet wurde, daß er bis 30. September 1986 entweder

"a) unter Vorlage entsprechender dem § 103 WRG 1959 Genüge leistender Projektsunterlagen um die Erteilung der nachträglichen wasserrechtlichen Genehmigung für die erfolgte Niveauerhöhung der Aspacher-Bezirksstraße von Straßen-km 9,29 bis km 9,45 im Hochwasserabflußbereich des St. Veiterbaches bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn anzusuchen, oder

b) von Straßen-km 9,355 bis Straßen-km 9,375 die Aspacher Bezirksstraße um 3 dm und beiderseits anschließend jeweils bis zu 20 m um 25 cm und die weiteren 20 m um jeweils 15 cm abzusenken hat. Danach ist ein zügiger Übergang auf die derzeitige Straßennivellette so auszubilden, daß eine Mindestlänge der Absenkung von 160 m entsteht."

3.2. Auch gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer berufen. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung (25. August 1986) erließ der Landeshauptmann von Oberösterreich (die belangte Behörde) unter dem Datum 4. September 1986 einen Bescheid, mit dem spruchmäßig gemäß § 66 AVG 1950 zum einen der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung keine Folge gegeben, zum anderen die mit dem erstinstanzlichen Bescheid eingeräumte Frist bis zum 31. März 1987 verlängert wurde.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Berufungsvorbringens und teilweiser Wiedergabe des § 38 Abs. 1 und 3 WRG 1959 folgendes aus: Nach der herrschenden Rechtsprechung könne von einer häufigen Überflutung nur dann gesprochen werden, wenn es zu Überflutungen von Flächen durch ausufernde Gewässer regelmäßig in Abständen von wenigen Jahren komme. Derartige Ereignisse, die in Abständen von etwa zehn und mehr Jahren stattfänden, könnten nicht mehr als häufig bezeichnet werden (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. November 1964, Slg. Nr. 6486). In weiteren Erkenntnissen habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß im Verfahren gemäß § 38 Abs. 1 und 3 WRG 1959 vom Amtssachverständigen festzustellen sei, ob eine Liegenschaft im Hochwasserabflußbereich gelegen sei; die vom Sachverständigen festgestellte Wahrscheinlichkeit von Hochwasserereignissen in fünf- bis zehnjährlichen Intervallen und die daraus resultierende Qualifikation eines Gebietes als Hochwasserabflußbereich müsse jedenfalls bis zum Beweis des Gegenteiles als richtig gelten (Hinweis auf das Erkenntnis vom 12. Jänner 1973, Zlen. 1673, 1674/72). Im vorliegenden Fall hätten die Amtssachverständigen in ihren Gutachten ausgeführt, daß hydrologisch-statistisch festgestellt werden könne, daß die Straßenbaumaßnahmen im Hochwasserabflußbereich mit einer Auftrittswahrscheinlichkeit von weniger als zehn Jahren durchgeführt worden seien. Sie hätten weiters ausgeführt, daß eine Verbreiterung und Staubfreimachung der Aspacher Bezirksstraße in Richtung Westen erst im Jahre 1974 erfolgt sei, wobei die Straßennivellette in der Senke zwischen der Mühlbachbrücke und dem Anwesen des R B. etwas angehoben worden sei. Das Maß der Anhebung habe maximal bis zu 30 cm betragen. Ferner sei von den Amtssachverständigen festgestellt worden, daß die Anhebung des Holzlagerplatzes des Sägewerkes X. die Stauhöhe im gegenständlichen Rückstaubereich nicht wesentlich beeinträchtige und jene somit auch nicht zu berücksichtigen sei. In Würdigung dieser schlüssigen Gutachten, die vom Beschwerdeführer nicht entkräftet hätten werden können, sei die belangte Behörde zu der Überzeugung gelangt, daß gemäß § 38 WRG 1959 wasserrechtlich bewilligungspflichtige Maßnahmen gesetzt worden seien und somit der Auftrag der Erstinstanz gerechtfertigt gewesen sei. Zur Behauptung des Beschwerdeführers, die Anschüttung bzw. Anhebung der Straßennivellette sei bereits wasserrechtlich bewilligt worden, sei festzuhalten, daß es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, einen entsprechenden Nachweis zu erbringen. Weder die dem Brückenneubau zugrundeliegenden Bescheide noch sonstige Unterlagen enthielten diesbezügliche Hinweise.

4.1. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser Gerichtshof hat die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 9. Dezember 1986, B 938/86, abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

4.2. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof hat der Beschwerdeführer seine Beschwerde ergänzt (Schriftsätze vom 27. Februar 1987 und vom 11. Jänner 1988) und angegeben, durch den bekämpften Bescheid in seinem Recht darauf verletzt zu sein, daß ihm der besagte Alternativauftrag (vgl. oben 3.1.) nicht erteilt werde. Der Beschwerdeführer macht - wie bereits in seiner an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde - verfassungsrechtliche Bedenken gegen die §§ 38 Abs. 1, 2 und 3 sowie 138 Abs. 2 WRG 1959 geltend und behauptet darüber hinaus inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides aus den genannten Gründen und regt die Anfechtung der vorzitierten Bestimmungen des WRG 1959 beim Verfassungsgerichtshof an (Art. 140 Abs. 1 B-VG).

5. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In seiner Beschwerdeergänzung vom 27. Februar 1987 wiederholt der Beschwerdeführer in wortidenten Ausführungen seine in dem an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerdeschriftsatz vom 1. Oktober 1986 geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 38 Abs. 1 und 3 WRG 1959. Unter Bezugnahme auf Walter-Mayer, Grundriß des Besonderen Verwaltungsrechtes, S. 283 und 291, wird die Ansicht vertreten, daß die genannten Bestimmungen verfassungswidrigerweise (unter Verstoß gegen Art. 18 Abs. 1 B-VG) keine nähere Determinanten für die im Abs. 1 des § 38 leg. cit. vorgesehene wasserrechtliche Bewilligung enthielten. § 38 Abs. 3 leg. cit. sei darüber hinaus auch unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes bedenklich. Im Hinblick auf den Ablehnungs-Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Dezember 1986, B 938/86, weist der Beschwerdeführer darauf hin, daß er sich "in Wahrnehmung seiner Interessen, welche im beschwerdegegenständlichen Fall besonders gelagert zu sein scheinen, dennoch veranlaßt und berechtigt (fühle), seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die im beschwerdegegenständlichen Fall angewendeten gesetzlichen

Bestimmungen (§ 38 Abs. 1 und 3 WRG 1959) .... nochmals vorzutragen".

In seiner "Äußerung" vom 11. Jänner 1988 bringt der Beschwerdeführer zusätzlich vor, daß der Verwaltungsgerichtshof, sollte er die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken teilen, durch den zitierten Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Dezember 1986 nicht daran gehindert sei, dennoch - d.h. ungeachtet der ursprünglichen Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof - einen Prüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen (Hinweis auf Heller, Rechtsschutz und Ablehnung von Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, ÖJZ 1987, S. 577 ff.)

2. Wenngleich der Verwaltungsgerichtshof die vom Beschwerdeführer zuletzt geäußerte Rechtsansicht teilt, sieht er sich im vorliegenden Fall nicht veranlaßt, die Anregung, gemäß Art. 140 Abs. 1 erster Satz B-VG einen Antrag auf Überprüfung der §§ 38 und 138 Abs. 2 WRG 1959 an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, aufzugreifen.

2.1. Was zunächst den Abs. 2 des § 38 sowie § 138 Abs. 2 WRG 1959 anlangt, so ist die Beschwerde insoweit jegliche Begründung dafür, worin die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit der genannten Vorschriften gelegen sein soll, schuldig geblieben. Beim Verwaltungsgerichtshof sind aus der Sicht des Beschwerdefalles keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 138 Abs. 2 WRG entstanden (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Norm vgl. den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 1982, B 249/77). § 38 Abs. 2 leg. cit. hat in diesem Zusammenhang schon deshalb außer Betracht zu bleiben, weil sich der angefochtene Bescheid nicht auf diese Bestimmung stützt, sie somit vom Verwaltungsgerichtshof bei der Überprüfung dieses Bescheides nicht anzuwenden ist.

2.2. Soweit die Beschwerde verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 38 Abs. 1 und 3 WRG 1959 geltend macht und diese mit weitausholenden Überlegungen zu begründen versucht, so hat der Verfassungsgerichtshof in dem mehrfach zitierten Ablehnungs-Beschluß vom 9. Dezember 1986 ausgeführt, daß das Beschwerdevorbringen die behauptete Rechtsverletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (des § 38 Abs. 1 und 3 leg. cit.) als so wenig wahrscheinlich erkennen läßt, daß sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, und hiezu u.a. auf seinen Beschluß vom 25. November 1983, B 110/80, verwiesen, in dem die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit des § 38 WRG zum Ausdruck gebracht worden war.

Die vorliegende Beschwerde ist hinsichtlich der Geltendmachung von Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 38 Abs. 1 und 3 WRG 1959 dadurch gekennzeichnet, daß - wie erwähnt - die dem Verfassungsgerichtshof dazu unterbreiteten Gedanken (Beschwerdeschriftsatz vom 1. Oktober 1986) wortgleich dem Verwaltungsgerichtshof vorgetragen werden (Beschwerdeergänzung vom 27. Februar 1987). D.h., daß die Normbedenken, die dem Verfassungsgerichtshof vorlagen, und die dieser derart wertete, daß er die Behandlung der Beschwerde mangels hinreichender Erfolgsaussichten ablehnte (Art. 144 Abs. 2 erster Satz erster Fall B-VG), nunmehr auch an den Verwaltungsgerichtshof herangetragen werden. Da sich solcherart für den Verwaltungsgerichtshof keine dem Verfassungsgerichtshof nicht bereits bekannte Aspekte eröffnen, im übrigen davon auszugehen ist, daß der Verfassungsgerichtshof seinen Ablehnungs-Beschluß vom 9. Dezember 1986 erst nach intensivem Studium des Falles und nach entsprechend sorgfältigen Überlegungen gefaßt hat (vgl. dazu Heller, Rechtsschutz und Ablehnung von Beschwerden, ÖJZ 1987, S. 582), und schließlich auch der Verwaltungsgerichtshof von sich aus keine (zusätzlichen) Normbedenken hegt, besteht für ihn kein Anlaß, beim Verfassungsgerichtshof einen § 38 Abs. 1 und 3 WRG 1959 betreffenden Prüfungsantrag gemäß Art. 140 Abs. 1 erster Satz B-VG zu stellen.

3. Unter dem Gesichtspunkt inhaltlicher Rechtswidrigkeit bringt der Beschwerdeführer u.a. vor ("Äußerung" vom 11. Jänner 1988), daß die Frage, ob ein Hochwasserabflußgebiet i.S. des § 38 Abs. 3 zweiter Satz WRG 1959 vorliegt, innerhalb dessen Grenzen u. a. auch "andere Anlagen" i.S. des § 38 Abs. 1 leg. cit. der wasserrechtlichen Bewilligung nach der zuletzt genannten Bestimmung bedürfen, oder nicht, weder aufgrund einer Wahrscheinlichkeitsrechnung noch aufgrund von widerleglichen oder unwiderleglichen Vermutungen, sondern ausschließlich nach den Verhältnissen beurteilt werden dürfe, die im Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung i.S. des § 38 Abs. 1 WRG 1959 durch den Bewilligungswerber bzw., falls ein solcher Antrag nicht gestellt werde, im Zeitpunkt der Fertigstellung der "anderen Anlage" tatsächlich geherrscht hätten. Sei daher in einem der beiden genannten Zeitpunkte der Tatbestand "erfahrungsgemäß häufig überflutete Flächen" noch nicht verwirklicht, dann sei die erbaute Anlage nicht bewilligungspflichtig i.S. des § 38 Abs. 1 leg. cit. Da im Jahr 1974, dem Jahr der Fertigstellung der derzeit bestehenden Trasse der Aspacher Bezirksstraße im fraglichen Bereich, die Hochwässer der Jahre 1975, 1983 und 1985 noch nicht bekannt sein hätten können, sei die Berücksichtigung dieser Ereignisse durch die Amtssachverständigen unzulässig gewesen. Die "erfahrungsgemäß häufige" Überflutung von Flächen könne vielmehr nur aufgrund von in der Vergangenheit tatsächlich gemachten Erfahrungen der Wasserrechtsbehörden, also nur ex post, beurteilt werden. - Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

4.1. Gemäß § 38 Abs. 1 WRG 1959 ist unter anderem zur Errichtung und Abänderung von Anlagen innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer nebst der sonst etwa erforderlichen Genehmigung auch die wasserrechtliche Bewilligung einzuholen, wenn eine solche nicht schon nach den Bestimmungen des § 9 oder § 41 dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Nach Abs. 3 desselben Paragraphen sind, soweit bei den Gemeinden Abdrucke der Katastralmappen erliegen, die mit der Katastralmappe beim zuständigen Vermessungsamt übereinstimmen, auf Anordnung des Landeshauptmannes vom Amte der Landesregierung die Grenzen der Hochwasserabflußgebiete (Abs. 1) für zwanzig- bis dreißigjährige Hochwässer ersichtlich zu machen. Bis dahin sind als Hochwasserabflußgebiete jene Fläche anzusehen, die erfahrungsgemäß häufig überflutet werden.

4.2. Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß für den in Rede stehenden Bereich der Aspacher Bezirksstraße (vgl. oben 1.3.1.) keine Grenzen des Hochwasserabflußgebietes i.S. des § 38 Abs. 3 erster Satz WRG 1959 ersichtlich gemacht worden sind. Es war demnach auf fachkundiger Basis zu klären, ob und gegebenenfalls welche Flächen "erfahrungsgemäß häufig" i.S. des § 38 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. überflutet werden, um beurteilen zu können, ob für die - gleichfalls außer Streit stehende - Niveauerhöhung der Aspacher Bezirksstraße im fraglichen Bereich eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht gemäß § 38 Abs. 1 leg. cit. gegeben ist und ob diese Niveauanhebung eine eigenmächtige Neuerung i.S. des § 138 Abs. 2 WRG 1959 darstellt.

4.3. Die belangte Behörde hat der Begründung des angefochtenen Bescheides zufolge ihren rechtlichen Schluß, die besagte Straßenniveauerhöhung sei in einem Hochwasserabflußgebiet durchgeführt worden, weshalb diese Maßnahme der wasserrechtlichen Bewilligung bedürfe, aus der Feststellung gezogen, es sei hydrologisch-statistisch nachgewiesen, daß die Straßenbaumaßnahmen "im Hochwasserabflußbereich von weniger als 10 Jahren vorgenommen wurden". Diese wesentliche Sachverhaltsfeststellung stützt sich ihrerseits auf die fachlichen Aussagen des im Rahmen der Berufungsverhandlung vom 25. August 1986 gemeinsam erstellten Gutachtens der Amtssachverständigen für Wasserbautechnik und für Hydrologie. Die beiden Sachverständigen hatten ihrem Gutachten die "extremen" Hochwässer der Jahre 1948, 1954, 1975, 1983 und 1985 zugrunde gelegt und aus diesen fünf, in einem Zeitraum von 37 Jahren aufgetretenen Ereignissen gefolgert, "daß Hochwässer, die ein Überströmen der Straße bewirken, in Zeiträumen von weniger als 10 Jahren im Durchschnitt auftreten". Indem die belangte Behörde bei ihrer rechtlichen Beurteilung entscheidend auf dieses Fachurteil abgestellt hat, hat sie deutlich zum Ausdruck gebracht, den Gehalt des § 38 Abs. 3 zweiter Satz WRG 1959 verkannt zu haben.

Insofern übereinstimmend mit dem Beschwerdeführer ist die belangte Behörde im bekämpften Bescheid ausdrücklich davon ausgegangen, daß die verfahrensgegenständliche Anhebung des Straßenniveaus "erst im Jahre 1974 erfolgte". Solcherart hat die belangte Behörde zutreffend den Zeitpunkt der Fertigstellung der Straßenniveauerhöhung als den für die Beurteilung der relevanten Rechtsfrage der wasserrechtlichen Bewilligungsbedürftigkeit dieser "anderen Anlagen" (§ 38 Abs. 1 WRG 1959) maßgebenden Zeitpunkt angesehen. Damit aber durften zur Lösung der genannten Rechtsfrage nur jene Hochwässer herangezogen werden, die sich bis zum Jahr 1974 ereignet hatten. Um beurteilen zu können, ob eine bestimmte Maßnahme in einem Gebiet gesetzt wird, das "erfahrungsgemäß" häufig überflutet wird, kann in einer den Denkgesetzen entsprechenden Weise allein auf Überflutungen Bedacht genommen werden, die bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Maßnahme getroffen wird, stattgefunden haben (vgl. die diese Erwägungen stützenden Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 12. November 1964, Slg. Nr. 6486/A, S. 955). Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, daß es der belangten Behörde im Grunde des § 38 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. verwehrt war, vom Zeitpunkt der Fertigstellung der Straßenniveauerhöhung aus gesehen künftige Hochwasserereignisse (also jene aus 1975, 1983 und 1985) in ihre Entscheidungsfindung miteinzubeziehen.

4.4. Allerdings hat die Außerachtlassung dieser normativen Beschränkung durch die belangte Behörde nicht zwingend die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Folge. Wäre der bekämpfte Bescheid, ungeachtet seiner auf einem Rechtsirrtum beruhenden Begründung, im Spruch zutreffend, so käme es nicht zur Aufhebung. Der Gerichtshof vermag indes hier das Vorliegen einer derartigen rechtlichen Konstellation nicht zu erkennen.

Einerseits liegt es auf der Hand, daß sich mit den verbleibenden zwei extremen Hochwässern ex 1948 und 1954 eine "erfahrungsgemäß häufige Überflutung von Flächen" i.S. des § 38 Abs. 3 zweiter Satz WRG 1959 - eine solche liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Überflutungen in Abständen von etwa zehn und weniger Jahren vor (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis Slg. Nr. 6486/A, sowie die Erkenntnisse vom 13. Juli 1978, Z1. 2077/77, und vom 28. April 1981, Z1. 07/3725/80) - nicht dartun läßt. Zum anderen könnte selbst dann nicht von einem im Ergebnis rechtsrichtigen Spruch des bekämpften Bescheides die Rede sein, wenn man annähme, daß die beiden Amtssachverständigen neben den fünf extremen Hochwässern auch - im übrigen in zeitlicher Hinsicht völlig undifferenziert gebliebene - "kleinere Hochwasserereignisse" in ihr fachliches Urteil und dem folgend die belangte Behörde solche Ereignisse in die rechtliche Beurteilung miteinbezogen hätte. Zwar wäre eine Berücksichtigung "kleinerer Hochwässer" zur Lösung der Frage, ob von einem Hochwasserabflußgebiet i.S. des § 38 Abs. 3 zweiter Satz WRG 1959 gesprochen werden kann, an sich zulässig (vgl. dazu nochmals das Erkenntnis Slg. Nr. 6486/A, ferner das Erkenntnis vom 12. Jänner 1973, Zlen. 1673, 1674/72); allerdings müßte in einem mängelfreien Verfahren ermittelt worden sein, daß und wann (in Frage kämen auch insoweit nur Ereignisse vor dem Jahr 1974) diese "kleineren Hochwässer" aufgetreten waren. Letzteres ist nach Ausweis der Akten nicht der Fall, hat doch anläßlich der Berufungsverhandlung der Vertreter des Beschwerdeführers auf die einschlägigen Ausführungen der Amtssachverständigen bezugnehmend deren (ohnehin vage) Feststellungen zu diesem Punkt ausdrücklich bestritten, wozu kommt, daß ein in dieselbe Richtung gehendes Vorbringen des Beschwerdeführers bereits in dessen Berufung vom 9. April 1986 enthalten ist, ohne daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf diese kontroversen Standpunkte im Sachverhaltsbereich eingegangen wäre.

5.1. Nach dem Gesagten ist die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage zu dem Ergebnis gelangt, es sei erstens die in Rede stehende Erhöhung des Straßenniveaus in einem Hochwasserabflußgebiet i.S. des § 38 Abs. 3 zweiter Satz WRG 1959 vorgenommen worden, und daher zweitens diese Maßnahme gemäß § 38 Abs. 1 leg. cit. bewilligungspflichtig. Daraus folgt, daß der dem Beschwerdeführer erteilte Alternativauftrag gemäß § 138 Abs. 2 leg. cit. der gesetzlichen Grundlage entbehrt, kann doch von einer "eigenmächtigen" Neuerung nur gesprochen werden, wenn für die betreffende Maßnahme eine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich gewesen wäre, diese aber nicht erwirkt worden ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. November 1981, Slg. Nr. 10.599/A).

5.2. Da sohin der Beschwerdeführer in dem vom Beschwerdepunkt (oben 1.4.2.) erfaßten Recht verletzt worden ist, war der angefochtene Bescheid - ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 sowie 59 Abs. 3 dritter Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien am 20. September 1988

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