VwGH 87/08/0057

VwGH87/08/005729.6.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident DDr. Heller und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Novak, über die Beschwerde der GB in L, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in Linz, Wischerstraße 30, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 21. Juli 1986, Zl. 124.245/2-6/86, betreffend Versicherungspflicht nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in Wien V, Wiedner Hauptstraße 84 - 86), zu Recht erkannt:

Normen

GSVG 1978 §2 Abs1 Z3;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1.0. Aus der Beschwerde und den mit ihr vorgelegten Beilagen ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

1.1. Die Beschwerdeführerin war bis zum 3. Juli 1979 als angestellte geschäftsführende Gesellschafterin der B-GesmbH nach dem ASVG pflichtversichert. Seither bezieht sie eine ASVG-Pension. In der Zeit vom 4. Juli 1979 bis 31. Dezember 1983 war sie weiterhin als geschäftsführende Gesellschafterin der GesmbH tätig und bezog nach ihrer Behauptung Einkünfte, die der Höhe nach unter der Geringfügigkeitsgrenze, wie sie im ASVG festgelegt ist, lagen.

1.2. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft hat - auf Grund einer Zurückverweisung nach § 66 Abs. 2 AVG, die mit hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1985, Zl. 84/08/0092 = ZfVB 1986/2/688, bestätigt worden war - nachstehende Entscheidung getroffen: Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG unterliege die Beschwerdeführerin vom 4. Juli 1979 bis 31. Dezember 1983 der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung. Darüber hinaus wurden Beitragsgrundlagen festgestellt sowie Beiträge und Verzugszinsen vorgeschrieben. Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch.

1.3. Mit Bescheid vom 28. April 1986 entschied der Landeshauptmann von Oberösterreich über diesen Einspruch lediglich, soweit er die Pflichtversicherung der Beschwerdeführerin betraf. Diesbezüglich wurde der Einspruch abgewiesen. In der Beitragssache wurde nicht abgesprochen.

1.4. Mit Bescheid vom 21. Juli 1986 gab der Bundesminister für soziale Verwaltung der gegen den Bescheid des Landeshauptmannes erhobenen Berufung betreffend die Versicherungspflicht der Beschwerdeführerin nach dem GSVG keine Folge. Die für den Eintritt der Pflichtversicherung maßgeblichen Voraussetzungen seien in § 2 GSVG gesetzlich verankert. Der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte § 25 GSVG regle lediglich die Ermittlung der Beitragsgrundlage und sei für das Verfahren über den Bestand der Pflichtversicherung ohne jede rechtliche Bedeutung.

1.5. Mit Beschluß vom 28. Februar 1987, B 868/86, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der von der Beschwerdeführerin gegen den zuletzt zitierten Bescheid erhobenen Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof ab. Die Beschwerde wurde dem Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß zur Entscheidung abgetreten.

1.6. Der Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof zufolge bekämpft die Beschwerdeführerin den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Sie erachtet sich in ihrem Recht auf Feststellung, daß sie auf Grund ihrer Tätigkeit als geschäftsführende Gesellschafterin der B-GmbH vom 4. Juli 1979 bis 31. Dezember 1983 keiner Versicherungs- und Beitragspflicht nach dem GSVG unterliege, sowie in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung von Sozialversicherungsbeiträgen entgegen den Bestimmungen des GSVG für verletzt. Gemäß § 25 Abs. 1 GSVG sei bei der Beurteilung der Frage der Pensionsversicherungspflicht nach dem GSVG ausschließlich auf die Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz begründenden Erwerbstätigkeit abzustellen. Bei geschäftsführenden Gesellschaftern einer GesmbH sei dabei ausschließlich auf die Einkünfte als Gesellschafter und die Einkünfte als Geschäftsführer abzustellen.

Wären die Einkünfte der Beschwerdeführerin, die erheblich unter der Freigrenze des ASVG lägen, dem ASVG zu unterstellen, wäre sie für den fraglichen Zeitraum jedenfalls sozialversicherungsfrei. Wäre die Beschwerdeführerin aber unter Anwendung des ASVG sozialversicherungsfrei, so müsse dies schon aus Gründen der verfassungskonformen Interpretation auch für eine allfällige Pflichtversicherung nach dem GSVG gelten. Das Vorliegen eines wirtschaftlich relevanten Mindesteinkommens als Voraussetzung für die Pflichtversicherung sei das einzig sachlich in Betracht kommende Abgrenzungskriterium, da es nicht darauf ankommen könne, in welchem organisatorischen Rahmen die Tätigkeit ausgeübt werde. In diesem Sinne sei § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG verfassungskonform zu interpretieren.

Da die Beschwerdeführerin bereits einen entsprechenden Pensionsversicherungsschutz nach dem ASVG erlangt habe, sei sie auf einen weiteren Versicherungsschutz nach dem GSVG nicht angewiesen. Die aufzuwendenden GSVG-Beiträge wären für sie völlig nutzlos.

Für den Vorbehalt eines gesonderten Einspruchsbescheides in der Beitragsfrage durch den Landeshauptmann fehle jede Rechtsgrundlage. Die belangte Behörde hätte diesen Gesichtspunkt aufgreifen müssen.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat ewogen:

2.1. Gemäß § 2 Abs. 1 GSVG, sowohl in seiner Urfassung als auch in der ab 1. April 1980 geltenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 531/1979 sind auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung pflichtversichert: 1. die

Mitglieder der Kammern der gewerblichen Wirtschaft; ... 3. die zu

Geschäftsführern bestellten Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sofern diese Gesellschaften Mitglieder einer der in Z. 1 angeführten Kammern sind.

Nach § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG, in der ab 1. Jänner 1981 geltenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 586/1980, sind auf Grund dieses Bundesgesetzes pflichtversichert die zu Geschäftsführern bestellten Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sofern diese Gesellschaft Mitglied einer der in Z. 1 bezeichneten Kammern ist und diese Personen nicht bereits auf Grund einer Beschäftigung als Geschäftsführer der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz unterliegen oder auf Grund dieser Pflichtversicherung Anspruch auf Kranken- oder Wochengeld aus der Krankenversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz haben, auch wenn dieser Anspruch ruht, oder auf Rechnung eines Versicherungsträgers Anstaltspflege erhalten oder in einem Genesungs-, Erholungs- oder Kurheim oder in einer Sonderanstalt untergebracht sind oder auch Ersatz der Pflegegebühren gemäß §§ 131 oder 150 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes einem Versicherungsträger gegenüber haben.

2.2. Im vorliegenden Fall ist unbestritten, daß die Beschwerdeführerin im maßgebenden Zeitraum eine zur Geschäftsführerin bestellte Gesellschafterin einer GesmbH und diese GesmbH Mitglied einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft war.

Hinsichtlich der Versicherungspflicht wird im GSVG nicht auf die Entgeltlichkeit der Geschäftsführertätigkeit eines geschäftsführenden Gesellschafters einer GesmbH abgestellt. Die Geschäftsführereigenschaft des Gesellschafters ist ein formalisiertes Merkmal der Versicherungspflicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 1986, Zl. 84/08/0168 = ZfVB 1987/2/621).

Es kommt daher nicht darauf an, ob die Beschwerdeführerin aus ihrer so umschriebenen Tätigkeit in der GesmbH ein Einkommen erzielt hat, das über oder unter der Geringfügigkeitsgrenze (wie sie im ASVG definiert wird) gelegen ist, oder ob sie gar unentgeltlich tätig war.

Beim eindeutigen Wortlaut der die Versicherungspflicht umschreibenden Tatbestände des § 2 Abs. 1 GSVG besteht für eine von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte verfassungskonforme Auslegung keine Möglichkeit, da dieser Auslegungsgrundsatz nur zum Tragen kommen kann, wenn die gesetzliche Regelung zu Zweifeln über ihren Inhalt Anlaß gibt.

Nicht zielführend ist auch der Hinweis der Beschwerdeführerin darauf, daß die aufzuwendenden GSVG-Beiträge wegen des bereits bestehenden Pensionsversicherungsschutzes nach dem ASVG völlig nutzlos wären. Die Pflichtversicherung tritt nämlich kraft Gesetzes mit der Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes ein und begründet die Anwartschaft auf Versicherungsleistungen. Ob und in welchem Umfang tatsächlich Ansprüche auf Versicherungsleistungen entstehen, hat keinen Einfluß auf die Frage des Zustandekommens der Pflichtversicherung, sondern hängt vom Eintritt des jeweiligen Versicherungsfalles und der Erfüllung allfälliger weiterer vom Gesetz normierter Leistungsvoraussetzungen ab (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. August 1986, Zl. 86/08/0153 = ZfVB 1987/2/651). Es ergibt sich aus der (hier sachlich abgegrenzten) Riskengemeinschaft, daß in Kauf genommen werden muß, daß es in manchen Fällen trotz bestehender Versicherungspflicht zu keinem Rentenanfall kommt (VfSlg. 6015/1969, 7047/1973).

2.3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die angewendeten Gesetzesbestimmungen sind offenbar bei dem die Beschwerde wegen Aussichtslosigkeit ablehnenden Verfassungsgerichtshof - im Hinblick auf die von diesem zitierte Vorjudikatur "zum Gleichheitssatz im allgemeinen" (VfSlg. 8457/1978) und "zu analogen Fragen im Sozialversicherungsrecht" (VfSlg. 6004/1969 und 9365/1982) - nicht entstanden. Auch der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, einen Gesetzesprüfungsantrag zu stellen, sind doch die Anknüpfungskriterien in den Tatbeständen des § 2 Abs. 1 Z. 1 bis 3 GSVG grundsätzlich taugliche Mittel zur Abgrenzung der Versichertengemeinschaft (vgl. § 3 Abs. 2 HKG, der die Kammermitgliedschaft seinerseits an die Berechtigung zur entsprechenden selbständigen Erwerbstätigkeit knüpft), wobei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt ist, bei den selbständig Erwerbstätigen anders als bei den Unselbständigen den Versicherungsschutz auch für Zeiten (ihrer Kammermitgliedschaft) zu gewähren, in denen kein oder nur ein geringfügiges mit der Erwerbstätigkeit im Zusammenhang stehendes Einkommen erzielt wird, und diesfalls eine Mindestbeitragsgrundlage vorzusehen.

2.4. Im Hinblick auf die Trennbarkeit von Versicherungspflicht- und Beitragssachen ist der angefochtene Versicherungspflichtbescheid des Bundesministers - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - nicht deswegen rechtswidrig, weil der Landeshauptmann seine Erledigung des Einspruches vorerst auf die Versicherungspflichtfrage beschränkt hat.

2.5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 29. Juni 1987

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