VwGH 86/14/0177

VwGH86/14/017728.4.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert und Dr. Hnatek als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Dorner, über den Antrag des Dr. EW in T, vertreten durch Dr. Ekkehard Beer, Rechtsanwalt in Innsbruck, Schmerlingstraße 4, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol, Berufungssenat, vom 4. Juni 1986, Zl. 30.165-3/86, betreffend Einkommensteuer 1983, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 lita impl;
BAO §308 Abs1 impl;
BAO §308 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 lita impl;
BAO §308 Abs1 impl;
BAO §308 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag NICHT STATTGEGEBEN.

Begründung

Der Verwaltungsgerichtshof hatte mit Beschluß vom 21. Oktober 1986, Zl. 86/14/0111-6, die Beschwerde gegen den im Spruch dieses Beschlusses angeführten Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (angefochtenen Bescheid) als verspätet zurückgewiesen; der angefochtene Bescheid sei dem Antragsteller (damaligen Beschwerdeführer) nach dem mit den Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Zustellnachweis schon am 18. Juni 1986 und nicht, wie in der Beschwerde angegeben, erst am 19. Juni 1986 zugestellt worden. Bezogen auf den 18. Juni 1986 war die Beschwerde aber erst nach Ablauf der Beschwerdefrist erhoben.

Mit dem vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag bestreitet der Antragsteller, ein 69-jähriger praktischer Arzt, nicht die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 18. Juni 1986. Er bringt jedoch vor, daß er diesen seiner Ehefrau ohne "Übernahmskuvert" gemeinsam mit der Post vom 19. Juni 1986 zur Bearbeitung übergeben habe, sodaß sie angenommen habe, der Antragsteller hätte den angefochtenen Bescheid wie üblich durch den Briefträger, also am 19. Juni 1986, erhalten. Sie habe somit die Zustellung des angefochtenen Bescheides auf den 19. Juni 1986 datiert. Tatsächlich hätte aber die Ehefrau, die in ihrer 10- jährigen Tätigkeit als Ordinationshilfe sämtliche Termine und Daten korrekt und richtig in den Terminkalender eingetragen habe und auf die sich der Antragsteller daher verlassen hätte können, auf Grund des Zeitpunktes der Übergabe der Post vor der üblichen Briefträgerzustellung erkennen müssen, daß der Antragsteller den angefochtenen Bescheid bereits am 18. Juni 1986 erhalten habe und hätte nur den 18. Juni 1986 als Zustelldatum (in den Terminkalender) eintragen dürfen. Auf Grund der außerordentlichen Zuverlässigkeit der Ehefrau habe der Antragsteller annehmen müssen, daß sie das richtige Datum selbst, wie sonst immer, aufschreibe.

Etliche Wochen nach der Bescheidzustellung habe der Antragsteller, wie im Wiedereinsetzungsantrag weiters ausgeführt ist, am 30. Juli 1986 in der Kanzlei seines Rechtsvertreters vorgesprochen. Bei der Sachverhaltsaufnahme durch den Rechtsvertreter hätte der Antragsteller das Datum der Zustellung des Bescheides nicht mehr angeben können und habe telefonisch bei seiner Ehefrau das Zustelldatum des Bescheides eingeholt. Das in der Beschwerde angeführte Zustelldatum vom 19. Juni 1986 beruhe auf der Angabe der Ehefrau aus dem Terminbuch.

Erst durch den eingangs erwähnten Zurückweisungsbeschluß des Verwaltungsgerichtshofes habe der Antragsteller erfahren, daß das von der Ehefrau angeführte Datum jenes gewesen sei, an dem sie den Bescheid übernommen habe und nicht er. Es handle sich um ein für den Antragsteller unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis, das er nicht hätte beeinflussen können.

In einer Stellungnahme zum Wiedereinsetzungsantrag bestreitet die Finanzlandesdirektion für Tirol das Vorliegen eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses.

In einer Gegenäußerung weist der Antragsteller darauf hin, daß er den angefochtenen Bescheid ausnahmsweise nicht vom Zusteller erhalten, sondern in seinem Postfach eine Verständigung betreffend den diesbezüglichen Rückscheinbrief vorgefunden und diesen dann am Abend des 18. Juni 1986 beim Postschalter behoben habe. Gerade diese Ausnahme sei "schuld" und kausal, daß der Antragsteller den Weg des Wiedereinsetzungsverfahrens hätte beschreiten müssen. Es möge unbestritten bleiben, daß der Antragsteller durchaus in der Lage gewesen wäre, seine Frau bei der Übergabe des Schriftstückes über den Zustelltag zu informieren. Unter Berücksichtigung aller bereits im Wiedereinsetzungsantrag vorgetragenen Umstände könne es dem 69- jährigen Antragsteller wohl nicht verargt werden, daß er dies seiner Frau nicht gesagt habe, zumal die Übergabe der Post vom 19. Juni 1986 vor dem üblichen Zeitpunkt der Zustellung von Briefen durch den Zusteller gelegen habe. Das Hinzufügen des Übernahmedatums des Rückscheinbriefes sei aus der Sicht des Antragstellers und seiner bisherigen Erfahrung mit der Arbeitsweise seiner Ehefrau einfach nicht notwendig gewesen. Keinesfalls sei jedoch dem Antragsteller mehr als ein Versehen minderen Grades anzulasten.

Dem Wiedereinsetzungsantrag kommt aus folgenden Gründen keine Berechtigung zu:

Seit der Neufassung des § 46 Abs. 1 VwGG durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 564/ 1985 hindert zwar nicht mehr jede Form von Verschulden die Bewilligung der Wiedereinsetzung. Unschädlich ist aber nur ein minderer Grad des Versehens. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben. Auffallend sorglos handelt ein Wiedereinsetzungswerber jedoch, wenn er die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht läßt (siehe Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 663 und die dort angeführte Rechtsprechung).

In diesem Sinne ist dem Antragsteller auffallende Sorglosigkeit anzulasten: Denn dadurch, daß er seiner Ehefrau den angefochtenen Bescheid am 19. Juni 1986 ohne "Übernahmskuvert" gemeinsam mit der Post vom 19. Juni 1986 übergab, ohne auf die Zustellung am 18. Juni 1986 aufmerksam zu machen, durfte er nicht ohne weiteres erwarten, daß die Ehefrau den 18. Juni 1986 als den Tag der Zustellung des angefochtenen Bescheides im Terminkalender vermerkt. Die für die Einhaltung von Fristen erforderliche Sorgfalt hätte es nach der Lage des Falles geboten, daß sich der Antragsteller über die richtige Vormerkung im Terminkalender vergewissert, zumindest hätte er aber die Ehefrau (etwa durch einen schriftlichen Vermerk am angefochtenen Bescheid) darüber informieren müssen, daß die Zustellung bereits am 18. Juni 1986 erfolgte. Bei dem vom Antragsteller aufgezeigten eigenen Verhalten konnte er nicht auf eine richtige Fristvormerkung durch die wenn auch verläßliche Ehefrau vertrauen.

Die Art der Zustellung des angefochtenen Bescheides am 18. Juni 1986 ändert nichts daran, daß der Antragsteller den Bescheid der Ehefrau am 19. Juni ohne nähere Information gemeinsam mit der Post vom 19. Juni 1986 ohne "Übernahmskuvert" übergab.

Mit dem Hinweis auf sein fortgeschrittenes Alter will der Antragsteller offenbar dartun, daß er die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer acht gelassen habe. Auch hierin vermag der Verwaltungsgerichtshof dem Antragsteller nicht zu folgen, da demjenigen, der noch im Stande ist, den Beruf eines praktischen Arztes auszuüben, durchaus zuzumuten ist, daß er die für die Einhaltung gerichtlicher Fristen erforderliche Sorgfalt aufbringt.

Dem vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag konnte somit nicht stattgegeben werden.

Wien, am 28. April 1987

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