VwGH 84/07/0012

VwGH84/07/001222.5.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Müller, über die Beschwerde des S und der T P in H, beide vertreten durch Dr. Robert A. Kronegger, Rechtsanwalt in Graz, Raubergasse 27, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 25. November 1983, GZ 03- 20H81-83/8, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Parteien: F und S H in H), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4 impl;
WRG 1959 §107;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4 impl;
WRG 1959 §107;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 9.200,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 18. April 1972 haben die Mitbeteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens um die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Fischteiches auf dem Grundstück Nr. 48 KG. H angesucht. In der hierüber am 21. Mai 1973 durchgeführten Verhandlung haben sich die Beschwerdeführer gegen das Projekt insofern ausgesprochen, als ihre auf den Grundstücken Nr. 47/3 und 51/3 KG. H entspringenden Quellen zur Speisung des Fischteiches der Mitbeteiligten herangezogen werden sollten. Sie seien nicht gewillt, dieses ihnen gehörige Quellwasser als Privatwasser ganz oder zum Teil entschädigungslos einem Dritten zur Speisung eines Fischteiches zu überlassen. Sie würden dieses Wasser auch in absehbarer Zeit als Trinkwasser benötigen. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 26. Juni 1974 wurde den Mitbeteiligten die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Fischteiches auf dem Grundstück Nr. 48 KG. H bei Einhaltung bestimmter Auflagen erteilt. Gleichzeitig wurde der Einwand der Beschwerdeführer zurückgewiesen und zur Gänze auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer berufen. Der Landeshauptmann von Steiermark hat sodann mit Bescheid vom 21. Februar 1975 die Berufung als unbegründet abgewiesen. Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer abermals berufen. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat mit seinem Bescheid vom 10. Mai 1976 auf Grund der Berufung gemäß § 66 AVG 1950 in Abänderung des Berufungsbescheides des Landeshauptmannes von Steiermark vom 21. Februar 1975 den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 26. Juni 1974 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Wasserrechtsbehörde erster Instanz zurückverwiesen. Zur Begründung wurde in diesem Bescheid im wesentlichen ausgeführt, die Mitbeteiligten seien als Unterlieger der Beschwerdeführer nur über jenes Wasser verfügungsberechtigt, welches über die Grundgrenze zu ihnen fließe. Bei der Nutzung der Quelle durch die Beschwerdeführer werde sich daher diese Wassermenge entsprechend vermindern oder je nach der Schüttung der Quelle in Trockenperioden überhaupt zum Versiegen kommen. Die von der Behörde erster Instanz getroffene Entscheidung wäre bei Einräumung eines Zwangsrechtes möglich gewesen. Ob die Voraussetzungen dafür vorlägen, sei von der Behörde erster Instanz nicht geprüft worden. Es sei aber unbestritten, die Nutzung der Quelle zur Trinkwasserversorgung einer Nutzung zur Speisung eines Fischteiches vorzuziehen, zumal der Fischteich der Mitbeteiligten auch noch von anderen Quellen gespeist werde. Um daher den Beschwerdeführern einen späteren Rechtsnachteil durch die Erteilung des beantragten Konsenses zu ersparen, wäre zunächst konkret der in Aussicht genommene Bedarf der Beschwerdeführer zu prüfen gewesen und auf Grund des Ergebnisses dieser Prüfung die wasserrechtliche Bewilligung an die Mitbeteiligten nur befristet oder unter der Bedingung, daß die im Ermittlungsverfahren festgestellte Menge an Trinkwasser für die Beschwerdeführer sichergestellt bleiben müsse, zu erteilen gewesen. Es hätte sich auch als zweckmäßig erwiesen, das Maß der Wasserbenutzung gemäß § 13 Abs. 4 WRG 1959 durch einen Vorbehalt zugunsten der Beschwerdeführer zu beschränken. Dieser Bescheid ist rechtskräftig.

Die Behörde erster Instanz hat sodann, nachdem sie am 3. Juli 1978 und am 21. Mai 1979 mündliche Verhandlungen durchgeführt hatte, mit ihrem Bescheid vom 21. August 1979 den Mitbeteiligten die nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Fischteiches auf den Grundstücken Nr. 47 und 49/2 KG. H bei Einhaltung bestimmter Auflagen erteilt. Ein Abspruch über die Einwendungen der Beschwerdeführer in diesem Bescheid - sie haben in der Verhandlung vom 11. Mai 1979 auf ihr bisheriges Vorbringen verwiesen, findet sich nicht. Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer abermals berufen. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 6. März 1980 wurde der Bescheid der Behörde erster Instanz vom 21. August 1979 gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwiesen. Die Behörde erster Instanz führte am 15. September 1980 eine Verhandlung durch, zu der die Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 geladen wurden, aber nicht erschienen sind. Am 3. Mai 1982 führte die Behörde erster Instanz eine ergänzende Verhandlung durch, bei der sich die Beschwerdeführer zwar eingefunden, jedoch nach dem Verhandlungsprotokoll keine Erklärungen abgegeben haben.

Mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom 22. Juli 1982 wurde den Mitbeteiligten die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Teichanlage auf den Grundstücken Nr. 49/2 und 48 KG. H bei Einhaltung bestimmter Auflagen erteilt. Ein Abspruch über die Einwendungen der Beschwerdeführer findet sich im Spruch des Bescheides nicht. Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer berufen, wobei sie sich gegen die erteilte Bewilligung unter Hinweis auf den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft aus dem Jahre 1976 und ihre Stellungnahme in der Verhandlung vom 21. Mai 1973 aussprachen.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 25. November 1983 wurde gemäß § 66 Abs. 4 in Verbindung mit § 42 Abs. 1 AVG 1950 die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde nach Wiedergabe des Sachverhaltes und des § 42 AVG 1950 ausgeführt, unzweifelhaft hätten die Beschwerdeführer bereits im Jahre 1974 die auch in der nunmehr anhängigen Berufung genannten Gründe geltend gemacht; der Bescheid der Behörde erster Instanz sei letztlich aus diesen Gründen behoben worden. Die Tatsache, daß der Bescheid der Behörde erster Instanz vom 22. Juli 1982 erlassen worden sei, beruhe jedoch auf der Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG 1950. Im gegenständlichen Falle sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 6. März 1980 die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen worden. Durch eine derartige Entscheidung trete das Verfahren in den Stand vor der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung. Wenn daher diejenigen am Verfahren Beteiligten, welche bereits in einer früheren mündlichen Verhandlung Einwendungen gemacht hätten, trotz der ordnungsgemäßen Kundmachung der neuerlichen Verhandlung erster Instanz diese Einwendungen nicht wiederholen, so sei daraus zu schließen, daß im Sinne des § 42 AVG 1950 sie dem den Gegenstand des Verfahrens bildenden Projekt zustimmten. In einem solchen Falle bleibe es der belangten Behörde verwehrt, auf die in der Berufung angeführten Gründe einzugehen, vielmehr sei die Berufung als unbegründet abzuweisen, da sich die Beschwerdeführer ihres Rechtes auf die Erhebung von Einwendungen verschwiegen hätten. Im gegenständlichen Falle hätten die Beschwerdeführer seit der Kundmachung der mündlichen Verhandlung erster Instanz, die am 15. September 1980 stattgefunden habe und die den ersten Verfahrensschritt im neuerlichen Bewilligungsverfahren erster Instanz gebildet hätte, keine Einwendungen erhoben, weshalb unter Anwendung des § 42 AVG 1950 die Berufung als unbegründet abzuweisen gewesen sei, ohne auf die Gründe näher eingehen zu können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich "durch den angefochtenen Bescheid in ihrem subjektiven Recht auf Beachtung, Berücksichtigung und sachliche (rechtlich meritorische) Erledigung aller von ihnen gegen die von den Mitbeteiligten beantragte Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Teichanlage auf den Grundstücken Nr. 49/2 und 48 KG. H im Zuge des Verfahrens erhobenen Einwendungen, daß die beantragte Wassernutzung ihre privatrechtlichen Rechte beeinträchtige, sowie in ihrem Recht auf gesetzmäßige Anwendung der Bestimmungen der §§ 98, 9, 11, 107, 111 und 121" WRG 1959 verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. Die Mitbeteiligten haben keine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 42 Abs. 1 AVG 1950 hat, wenn eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder auch durch Verlautbarung in der für Amtliche Kundmachungen im Lande bestimmten Zeitung bekanntgemacht wurde, dies zur Folge, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung finden und die Beteiligten dem Parteienantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, als zustimmend angesehen werden. Nach Abs. 2 desselben Paragraphen erstreckt sich die im Abs. 1 bezeichnete Rechtsfolge im Falle einer durch Verständigung der Beteiligten anberaumten Verhandlung bloß auf die Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 kann, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen.

Wurde von der Oberinstanz ein neuerliches Verfahren angeordnet, weil die Rechtsfrage von der Unterbehörde unrichtig gelöst und der Sachverhalt so mangelhaft ermittelt wurde, daß ohne Durchführung oder Wiederholung einer neuen mündlichen Verhandlung keine Entscheidung getroffen werden kann, dann tritt das Verfahren entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht in den Stand vor der Anberaumung der seinerzeit angeordneten mündlichen Verhandlung zurück, sondern in den Stand vor der Erlassung des bekämpften Bescheides. Das Verfahren war daher im Sinne des Auftrages der Oberinstanz zu ergänzen, ohne daß es erforderlich gewesen wäre, das gesamte bisherige Verfahren zu wiederholen. Daraus ergibt sich, daß die Beschwerdeführer nicht verhalten waren, ihre Einwendungen zu wiederholen, zumal das über ein Ansuchen geführte Verfahren einschließlich der Ermittlungsergebnisse, die in mehreren Verhandlungen zum gleichen Vorhaben gesammelt worden sind, eine Einheit bildet. Die belangte Behörde war daher auf Grund der Berufung verpflichtet, ihre Entscheidung dahin zu treffen, daß die Behörde erster Instanz über die von den Beschwerdeführern in einer früheren Verhandlung erhobenen Einwendungen zu entscheiden hat; sie durfte keinesfalls das Vorbringen der Beschwerdeführer aus Gründen der Präklusion unbeachtet lassen.

Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da eine gesonderte Vergütung der Umsatzsteuer im Gesetz nicht vorgesehen ist und jede Ausfertigung der Beschwerde nur mit je S 120,-- Bundesstempelmarken zu versehen war.

Wien, am 22. Mai 1984

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