VwGH 83/17/0189

VwGH83/17/01897.10.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Würth und Dr. Hnatek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, in der Beschwerdesache der X Aktiengesellschaft in W, vertreten durch DDr. Hellwig. Torggler, Rechtsanwalt in Wien I, Tegetthoffstraße 3, gegen die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien wegen Verletzung ihrer Pflicht zur Entscheidung über eine Berufung in einer Lohnsummensteuernachsichtssache und über einen Antrag auf Festsetzung der Lohnsummensteuer gemäß § 149 Abs. 2 WAO, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §38;
BAO §201 impl;
BAO §281 impl;
BAO §311 Abs2 impl;
LAO Wr 1962 §149 Abs2;
LAO Wr 1962 §216;
LAO Wr 1962 §243 Abs2;
VwGG §27;
VwGG §33 Abs1;
AVG §38;
BAO §201 impl;
BAO §281 impl;
BAO §311 Abs2 impl;
LAO Wr 1962 §149 Abs2;
LAO Wr 1962 §216;
LAO Wr 1962 §243 Abs2;
VwGG §27;
VwGG §33 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei ersuchte den Magistrat der Bundeshauptstadt Wien gemäß § 182 WAO (nach Ablauf der Frist des § 29 Abs. 2 GewStG) um Nachsicht irrtümlich für die Jahre 1978 und 1979 zu viel entrichteter Lohnsummensteuer. Dieser Antrag wurde von der Abgabenbehörde erster Instanz mit Bescheid vom 5. Oktober 1982 mit der Begründung zurückgewiesen, § 182 Abs. 1 WAO über die Nachsicht von Abgaben stelle eine Norm des materiellen Abgabenrechtes dar und finde deshalb auf Lohnsummensteuer keine Anwendung. Die beschwerdeführende Partei erhob gegen diesen Bescheid am 8. November 1982 Berufung. In ihrer Eingabe "An den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4" vom 7. Dezember 1982 führte die beschwerdeführende Partei "in Ergänzung" ihres Schriftsatzes vom 8. November 1982 (Berufung) unter Punkt 1) ihre Rechtsansicht zum Nachsichtsgesuch näher aus und stellte unter Punkt 2) einen Antrag auf bescheidmäßige Festsetzung der Lohnsummensteuer für 1978 und 1979 gemäß § 149 Abs. 2 WAO.

Mit ihrem Bescheid vom 18. März 1983, Zl. MDR S 4/83, setzte die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien die Entscheidung über die Berufung gegen den erwähnten Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz gemäß § 216 WAO aus. Diesen Bescheid bekämpfte die beschwerdeführende Partei beim Verwaltungsgerichtshof. Mit dessen Erkenntnis vom 17. Juni 1983, Zl. 83/17/0072-5, wurde der Aussetzungsbescheid aufgehoben. Das genannte Erkenntnis wurde der belangten Behörde am 11. Juli 1983 zugestellt.

Die beschwerdeführende Partei erhob am 20. September 1983 Beschwerde gemäß § 27 VwGG 1965 gegen die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien (in der Folge: belangte Behörde) wegen Nichterledigung der genannten Berufung und ihres Antrages auf Abgabenfestsetzung gemäß § 149 Abs. 2 WAO.

Gemäß § 27 VwGG 1965 kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 des Bundes-Verfassungsgesetzes erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

1) Der Aussetzungsbescheid der belangten Behörde vom 18. März 1983 stand der Erledigung der Berufung durch die belangte Behörde bis zur Wirksamkeit seiner Behebung durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 1983 entgegen. Solange ein Aussetzungsbescheid dem Rechtsbestand angehört, ist die Entscheidungspflicht weggefallen (Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Dezember 1975, Slg. Nr. 8937/A). Die in § 27 VwGG 1965 vorgesehene Frist beginnt mit der Behebung eines Bescheides; durch die der Weg zu einer Sachentscheidung über das anhängige Rechtsmittel eröffnet wird, erneut zu laufen (Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juni 1976, Slg.Nr. 9074/A). Nichts anderes kann für den Fall gelten, wenn ein die Entscheidungspflicht vorübergehend zum Wegfall bringender Bescheid aufgehoben wird. Die im Hinblick auf § 63 Abs. 1 VwGG 1965, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 203/1982, gemäß § 32 Abs. 1 und Abs. 2 AVG 1950 zu berechnenden Frist des § 27 VwGG 1965 begann daher mit Ablauf des 11. Juli 1983 neu zu laufen. Sie war somit im Zeitpunkt der Erhebung der Säumnisbeschwerde (am 20. September 1983) noch nicht verstrichen.

2) Über einen Antrag gemäß § 149 Abs. 2 WAO hat die Abgabenbehörde erster Instanz - dies ist gemäß § 47 WAO der Magistrat - zu entscheiden. Der am 7. Dezember 1982 von der beschwerdeführenden Partei somit zutreffend beim Magistrat der Bundeshauptstadt Wien, Magistratsabteilung 4, eingebrachte Antrag war, weil hierüber die Abgabenbehörde erster Instanz noch nicht entschieden hatte, und ein schriftliches Verlangen gemäß § 243 Abs. 2 WAO auf Übergang der Zuständigkeit an die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien nicht gestellt worden war, nicht Gegenstand einer Entscheidungspflicht der mit der vorliegenden Beschwerde belangten Behörde. Der Säumnisbeschwerde fehlt insofern die von § 27 VwGG 1965 geforderte Voraussetzung, dass die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von der Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat.

Die Beschwerde war daher wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG 1965 ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Wien, am 7. Oktober 1983

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