Normen
B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs1, Abs2
ÖffnungszeitenG 2003 §5 Abs2
Krnt Öffnungszeiten-V 2010 §3 Abs2, Anlage B
B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs1, Abs2
ÖffnungszeitenG 2003 §5 Abs2
Krnt Öffnungszeiten-V 2010 §3 Abs2, Anlage B
Spruch:
I. Die Bestimmung des §3 Abs2 sowie die Anlage B der Verordnung des Landeshauptmannes von Kärnten vom 18. Mai 2010, hinsichtlich der Festlegung von Öffnungszeiten und Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsruhe (Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010), LGBl Nr 29/2010 idF LGBl Nr 67/2011, waren gesetzwidrig.
II. Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B387/2012 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1.1. Der Beschwerdeführer ist seit 1993 Inhaber eines Handelsgewerbes am Standort 9500 Villach. Am Sonntag, den 18. Dezember 2011, hielt er seine Betriebsstätte um 17.45 Uhr geöffnet, obwohl es sich bei der Stadt Villach um kein in der Anlage B zu §3 Abs1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Kärnten vom 18. Mai 2010, hinsichtlich der Festlegung von Öffnungszeiten und Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsruhe (Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010), LGBl 29/2010 idF LGBl 67/2011, angeführtes Gebiet handelt. Der Geschäftsgruppenleiter des Magistrats der Stadt Villach erstattete deshalb beim Leiter der Strafabteilung des Magistrats der Stadt Villach Anzeige wegen der Verwaltungsübertretung nach §11 iVm §3 Öffnungszeitengesetz 2003 iVm §3 Abs2 Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010. Nach einer Aufforderung zur Rechtfertigung und einer Äußerung des Beschwerdeführers in einem Schriftsatz vom 27. Jänner 2012 wurde der Beschwerdeführer als Inhaber eines Handelsgewerbes am Standort 9500 Villach iSd §21 VStG durch Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Villach ermahnt, da er diese Betriebsstätte am Sonntag, den 18. Dezember 2011 um 17.45 Uhr geöffnet gehabt hätte, obwohl Verkaufsstellen, für die nicht durch Verordnungen bestimmte Öffnungszeiten festgelegt wurden, an Samstagen nach 18.00 Uhr, an Sonn- und Feiertagen und an Montagen bis 6.00 Uhr geschlossen zu halten seien. Dem Beschwerdeführer wurde die Verwaltungsübertretung nach §368 GewO 1994 iVm §§3 und 11 Öffnungszeitengesetz 2003 in Bezug auf §3 Abs2 Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010 angelastet.
1.2. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 22. Februar 2012 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 21. Jänner 2012 als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer als Inhaber eines Handelsgewerbes auf Grund der Regelung des §3 Öffnungszeitengesetz 2003 verpflichtet gewesen sei, seine Verkaufsstelle am Sonntag, den 18. Dezember 2011 geschlossen zu halten. Die Stadt Villach zähle laut Anlage B der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010 nicht zu den sogenannten Saisonorten für die Wintersaison, sodass ein Verkauf von Waren iSd §3 Abs1 Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010 unzulässig gewesen sei. Da der Beschwerdeführer in seinem Berufungsschriftsatz kein Vorbringen gegen den eigentlichen Ausspruch einer Ermahnung iSd §21 VStG erstattet habe, werde, ohne die Frage des Vorliegens der Schuld zu relevieren, auf die Begründung des angefochtenen Bescheides des Bürgermeisters der Stadt Villach verwiesen. Der erkennende Senat sehe sich nicht veranlasst, die Gesetzmäßigkeit der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010 durch den Verfassungsgerichtshof prüfen zu lassen und einen Antrag gemäß Art139 B-VG zu stellen. Zufolge erwiesener Übertretung der Verwaltungsvorschriften habe kein Grund für eine ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides vorgelegen.
2. Bei der Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §3 Abs2 sowie der Anlage B der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher mit Beschluss vom 26. Februar 2013 von Amts wegen ein Verordnungsprüfungsverfahren betreffend §3 Abs2 sowie die Anlage B der genannten Verordnung eingeleitet.
3. Der Verfassungsgerichtshof ist im Prüfungsbeschluss vorläufig davon ausgegangen, dass die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen angewendet hat.
4. Der Verfassungsgerichtshof führte seine Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen wie folgt aus:
"4.1. §4 Öffnungszeitengesetz 2003 sieht vor, dass Verkaufsstellen an Montagen bis Freitagen von 6 Uhr bis 21 Uhr, an Samstagen von 6 Uhr bis 18 Uhr offen gehalten werden dürfen. §5 Abs2 Öffnungszeitengesetz 2003 enthält jedoch die Ermächtigung an den Landeshauptmann, nach Anhörung der zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch Verordnung für Verkaufstätigkeiten, für die an Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen oder an Montagen bis 6 Uhr ein besonderer regionaler Bedarf besteht, durch Verordnung jene Zeiten festzulegen, an denen diese Tätigkeiten ausgeübt werden dürfen. In der Verordnung ist zu berücksichtigen, ob sich der besondere Bedarf auf das ganze Land oder nur auf ein Teilgebiet erstreckt sowie ob er das ganze Jahr über oder nur saisonal oder nur an bestimmten Tagen besteht. Soweit sich eine Verordnung nicht auf das ganze Land erstreckt, sind auch die betroffenen Gemeinden anzuhören. Der Landeshauptmann von Kärnten hat von dieser Ermächtigung mit der Erlassung der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010, LGBl 29/2010, Gebrauch gemacht.
4.2. Nach §3 Abs1 der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010 ist der Verkauf von Waren des Touristenbedarfs (Lebensmittel, Sportartikel der in dem betreffenden Gebiet zur Jahreszeit üblichen Sportarten, Bekleidungs-, Foto- und Toilettenartikel, Souvenirs, Devotionalien, Druckerzeugnisse, Schreibwaren und Artikel des Trafiksortiments) mit Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen während der Sommersaison vom 1. Mai bis 30. September in der Zeit von 8 Uhr bis 21 Uhr – längstens jedoch acht Stunden – in den in der Anlage A angeführten Gebieten zulässig. Während der Wintersaison vom 1. Dezember bis einschließlich Ostermontag ist der Verkauf dieser Waren mit Beschäftigung von Arbeitnehmern gemäß §3 Abs2 der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010 an Sonn- und Feiertagen in der Zeit von 8 Uhr bis 18 Uhr – längstens jedoch acht Stunden täglich – in den in der Anlage B genannten Gebieten zulässig.
4.3. Für die Beurteilung eines Gebietes als Sommer- oder Winterfremdenverkehrsregion dürften ausweislich der Erläuterungen zum Entwurf der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010 als Maßstab die Nächtigungszahlen in Verbindung mit den Einwohnerzahlen eines Gebietes herangezogen worden sein.
4.4. Keines der der Stadt Villach zugehörigen Gebiete wurde als Winterfremdenverkehrsregion in die Anlage B der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010 aufgenommen.
4.5. Aus den beigeschafften Verwaltungsakten ergibt sich, dass für die Stadt Villach, jedenfalls für ihr Zentrum, erhebliche Zahlen von Übernachtungen pro Einwohner gegeben sind, die zum Teil die Zahlen von Übernachtungen pro Einwohner anderer in der Anlage B angeführter Gebiete übersteigen.
4.6. Der Verfassungsgerichtshof hegt vorläufig das Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung, dass die Abgrenzung des Kreises der in die Anlage B der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010 aufgenommenen Gebiete sachlich nicht gerechtfertigt sein dürfte.
4.7. Zwar dürfte es in dem von der gesetzlichen Ermächtigung begrenzten Spielraum des Verordnungsgebers – innerhalb des durch die gesetzlichen Regelungen vorgegebenen Rahmens – liegen, sich an Auswahlkriterien zu orientieren, die dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung zur Verfügung einer Ausnahme vom Gebot des Ladenschlusses zu bestimmten Zeiten entsprechen, wenn er Gebiete festlegt, für welche iSd §5 Abs2 Öffnungszeitengesetzes 2003 Ausnahmebestimmungen für Öffnungszeiten wegen eines besonderen regionalen Bedarfes getroffen werden sollen. Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass als Kriterium für die Aufnahme eines Gebiets in die Anlage B die Nächtigungszahlen herangezogen werden. Es dürfte jedoch nach vorläufiger Ansicht des Verfassungsgerichtshofes gegen das aus dem Gleichheitsgrundsatz entspringende Sachlichkeitsgebot verstoßen, wenn der Verordnungsgeber Gebiete, welche das Kriterium erfüllen würden, ohne sachliche Rechtfertigung nicht in die Anlage B der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010 aufnimmt, während andere Gebiete, die das Kriterium in geringerem Umfang erfüllen, im Katalog der Anlage B berücksichtigt sind."
5. Der Landeshauptmann von Kärnten hat die Verordnungsakten bereits im Ausgangsverfahren vorgelegt, hat darüber hinaus im Verordnungsprüfungsverfahren allerdings keine Äußerung erstattet.
6. Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend hat eine Stellungnahme abgegeben, von der Erstattung einer inhaltlichen Äußerung jedoch abgesehen.
7. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Kärnten hat die auf den Anlassfall Bezug habenden Verwaltungsakten bereits im Ausgangsverfahren vorgelegt. Am nunmehrigen Verordnungsprüfungsverfahren hat er sich nicht beteiligt.
Der Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens hat sich zum amtswegig eingeleiteten Verordnungsprüfungsverfahren ebenfalls nicht geäußert.
II. Rechtslage
1. Gesetzliche Vorschriften
Die maßgeblichen Bestimmungen des Öffnungszeitengesetzes 2003, BGBl I 48/2003 idF BGBl I 62/2007, lauten:
"Geltungsbereich
§1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten, sofern sich nicht nach §2 anderes ergibt, für alle ständigen und nichtständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen (Läden und sonstige Verkaufsstellen) von Unternehmungen, die der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) unterliegen.
[(2) - (3) …]
[…]
Allgemeine Offenhaltezeiten an Werktagen
§4. (1) Die Verkaufsstellen (§1) dürfen, soweit sich nicht nach den folgenden Bestimmungen anderes ergibt, an Montagen bis Freitagen von 6 Uhr bis 21 Uhr, an Samstagen von 6 Uhr bis 18 Uhr offen gehalten werden.
(2) Bäckereibetriebe dürfen ab 5.30 Uhr offen gehalten werden, soweit der Landeshauptmann keine Festlegung der Offenhaltezeiten gemäß §4a Abs1 Z1 trifft.
(3) Die Gesamtoffenhaltezeit gemäß Abs1 und 2 darf innerhalb einer Kalenderwoche 72 Stunden nicht überschreiten.
[…]
Sonderregelung für das Wochenende und für Feiertage
§5. (1) An Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen und an Montagen bis 6 Uhr dürfen die Verkaufsstellen nur für Verkaufstätigkeiten offen gehalten werden, für die durch Verordnungen gemäß Abs2 bis 4 bestimmte Offenhaltezeiten festgelegt wurden.
(2) Für Verkaufstätigkeiten, für die an Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen oder an Montagen bis 6 Uhr ein besonderer regionaler Bedarf besteht, hat der Landeshauptmann nach Anhörung der zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch Verordnung jene Zeiten festzulegen, in denen diese Tätigkeiten an Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen oder an Montagen bis 6 Uhr ausgeübt werden dürfen. Die Verordnung hat auch zu berücksichtigen, ob sich der besondere Bedarf auf das ganze Land oder nur auf ein Teilgebiet erstreckt sowie ob er das ganze Jahr über oder nur saisonal oder nur an bestimmten Tagen besteht. Soweit sich eine Verordnung nicht auf das ganze Land erstreckt, sind auch die betroffenen Gemeinden anzuhören.
(3) […]
(4) Verordnungen gemäß Abs2 und 3 sind dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit jeweils zur Kenntnis zu bringen.
[…]
Strafbestimmung
§11. Wer entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen seine Verkaufsstelle nicht geschlossen hält, Waren verkauft, Bestellungen entgegennimmt oder die für seine Verkaufsstelle geltenden Ladenöffnungszeiten nicht kundmacht, ist nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 zu bestrafen. Übertretungen von Verordnungen nach §5 Abs3 sind nach den Bestimmungen des §27 des Arbeitsruhegesetzes zu bestrafen."
2. Verordnung
Die maßgeblichen Bestimmungen der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010, LGBl 29/2010 idF LGBl 67/2011, lauten (die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen sind hervorgehoben):
"Verkaufstätigkeiten an Sonn- und Feiertagen mit Beschäftigung von
Arbeitnehmern
§3
Verkaufstätigkeiten an Sonn- und Feiertagen in Saisonorten
(1) Während der Sommersaison vom 1. Mai bis 30. September ist in den in der Anlage A angeführten Gebieten der Verkauf von Waren des Touristenbedarfes (das sind Lebensmittel, Sportartikel der in dem betreffenden Gebiet zur Jahreszeit üblichen Sportarten, Bekleidungs-, Foto- und Toilettenartikel, Souvenirs, Devotionalien, Druckerzeugnisse, Schreibwaren und Artikel des Trafiksortiments) an Sonn- und Feiertagen in der Zeit von 8 Uhr bis 21 Uhr – längstens jedoch acht Stunden täglich – zulässig.
(2) Während der Wintersaison vom 1. Dezember bis einschließlich Ostermontag ist in den in der Anlage B angeführten Gebieten der Verkauf von Waren im Sinne des Absatz 1 an Sonn- und Feiertagen in der Zeit von 8 Uhr bis 18 Uhr – längstens jedoch acht Stunden täglich – zulässig.
[…]
Verkaufstätigkeiten an Sonn- und Feiertagen ohne Beschäftigung von
Arbeitnehmern
§8
Sonderregelungen für Pörtschach am Wörthersee, Velden am Wörthersee, St. Paul im Lavanttal, Hüttenberg, Villach und Wolfsberg
[(1) - (3) …]
(4) In der Stadt Villach ist der Verkauf von Ansichtskarten, Souvenirs, Devotionalien, Fotoverbrauchsmaterialien u.ä. an Sonn- und Feiertagen vom 1. Mai bis 30. September in der Zeit von 9 Uhr bis 21 Uhr innerhalb der Straßenzüge Gerberstraße – Freihausgasse – Moritzstraße – 8.-Mai-Platz – Widmanngasse – Ledergasse zulässig.
[(5) - (6) …]
[…]
Anlage A
Bezirk Feldkirchen:
Gemeinde Albeck, Gemeinde Ossiach, Gemeinde Reichenau,
Gemeinde St. Urban, Gemeinde Steindorf am Ossiacher See,
Gemeinde Steuerberg
Bezirk Hermagor:
Gemeinde Gitschtal, Marktgemeinde Kötschach-Mauthen, Gemeinde
Lesachtal
Aus der Stadtgemeinde Hermagor-
Pressegger See folgende Ortschaften:
Obervellach, Presseggen, Presseggersee, Sonnleiten, Sonnenalpe
Nassfeld, Tröpolach
Bezirk Klagenfurt-Land:
Gemeinde Keutschach am See, Gemeinde Krumpendorf am Wörther
See, Gemeinde Maria Wörth, Gemeinde Pörtschach am Wörther See,
Gemeinde Schiefling am Wörthersee, Gemeinde Techelsberg am
Wörthersee
Landeshauptstadt
Klagenfurt am Wörther See:
Von der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörther See das
innerhalb der nachstehend beschriebenen Grenze liegende
Gebiet:
Ausgehend vom Schnittpunkt der Stadtgrenze im Westen mit der
Villacher Straße (Schrotturm) in östlicher Richtung entlang
der Villacher Straße (Kärntner Straße B 83) bis zur
Paternioner Brücke, von dort in westlicher Richtung entlang
des Lendkanals bis zum Schilfweg; dann in südöstlicher
Richtung den Schilfweg entlang bis zur Wörther-See-
Süduferstraße (Wörther-See-Straße L 96), diese weiter in
südlicher Richtung entlang bis zur Jugenddorfstraße, diese
weiter in südwestlicher Richtung bis zum Kinderheim
'Maiernigg-Alpe', von dort in gerader Linie in nordwestlicher
Richtung bis zum Schnittpunkt der Wörther-See- Süduferstraße
mit der Stadtgrenze im Westen; von dort das Ostufer des
Wörthersees entlang bis zum Ausgangspunkt der Beschreibung.
Die Grenzlinie verläuft entlang der Innenseite der genannten
Straßen und des Kanals, gesehen vom Ausnahmebereich.
Bezirk Spittal an der Drau:
Gemeinde Bad Kleinkirchheim, Gemeinde Flattach, Gemeinde
Großkirchheim, Stadtgemeinde Gmünd in Kärnten, Gemeinde
Mallnitz, Marktgemeinde Millstatt, Gemeinde Rennweg am
Katschberg, Marktgemeinde Seeboden am Millstätter See,
Gemeinde Weißensee
Aus der Stadtgemeinde Radenthein
folgende Ortschaften:
Döbriach, Untertweng
Bezirk Villach-Land:
Gemeinde Afritz am See, Marktgemeinde Arnoldstein, Gemeinde
Arriach, Gemeinde Feld am See, Marktgemeinde Finkenstein am
Faaker See mit Ausnahme der KG Fürnitz, Gemeinde Stockenboi
Aus der Marktgemeinde Treffen am Ossiachersee die Ortschaften
Annenheim, Kanzelhöhe Sattendorf, Treffen und Seespitz,
Marktgemeinde Velden am Wörther See
Stadt Villach:
Aus der Stadt Villach folgende Ortschaften: Drobollach am
Faaker See, Egg am Faaker See, St. Andrä
Bezirk Völkermarkt:
Marktgemeinde Eberndorf, Gemeinde Feistritz ob Bleiburg,
Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See, Gemeinde Sittersdorf
Anlage B
Gemeinde Afritz am See, Gemeinde Albeck
Gemeinde Bad Kleinkirchheim, Gemeinde Flattach, Gemeinde
Großkirchheim, Gemeinde Heiligenblut am Großglockner, Gemeinde
Krems in Kärnten, Gemeinde Mallnitz
Aus der Marktgemeinde Treffen am Ossiachersee die Ortschaften
Annenheim, Kanzelhöhe Sattendorf, Treffen und Seespitz,
Gemeinde Reichenau, Gemeinde Rennweg
Aus der Stadtgemeinde Hermagor-Pressegger See die Ortschaften:
Sonnleiten, Sonnenalpe Nassfeld, Tröpolach
Aus der Stadtgemeinde Wolfsberg folgende Ortschaften:
Klippitztörl, Rieding, St. Stefan
Gemeinde Feistritz ob Bleiburg"
III. Erwägungen
1. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.
2. Die im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich als zutreffend erwiesen.
2.1. §4 Öffnungszeitengesetz 2003 sieht vor, dass Verkaufsstellen an Montagen bis Freitagen von 6 Uhr bis 21 Uhr, an Samstagen von 6 Uhr bis 18 Uhr offen gehalten werden dürfen. §5 Abs2 Öffnungszeitengesetz 2003 enthält die Ermächtigung an den Landeshauptmann, nach Anhörung der zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch Verordnung für Verkaufstätigkeiten, für die an Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen oder an Montagen bis 6 Uhr ein besonderer regionaler Bedarf besteht, durch Verordnung jene Zeiten festzulegen, an denen diese Tätigkeiten ausgeübt werden dürfen. In der Verordnung ist zu berücksichtigen, ob sich der besondere Bedarf auf das ganze Land oder nur auf ein Teilgebiet erstreckt sowie ob er das ganze Jahr über oder nur saisonal oder nur an bestimmten Tagen besteht. Soweit sich eine Verordnung nicht auf das ganze Land erstreckt, sind auch die betroffenen Gemeinden anzuhören. Der Landeshauptmann von Kärnten hat von dieser Ermächtigung mit der Erlassung der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010, LGBl 29/2010, Gebrauch gemacht.
2.2. Nach §3 Abs1 der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010 ist der Verkauf von Waren des Touristenbedarfs (Lebensmittel, Sportartikel der in dem betreffenden Gebiet zur Jahreszeit üblichen Sportarten, Bekleidungs-, Foto- und Toilettenartikel, Souvenirs, Devotionalien, Druckerzeugnisse, Schreibwaren und Artikel des Trafiksortiments) mit Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen während der Sommersaison vom 1. Mai bis 30. September in der Zeit von 8 Uhr bis 21 Uhr – längstens jedoch acht Stunden – in den in der Anlage A angeführten Gebieten zulässig. Während der Wintersaison vom 1. Dezember bis einschließlich Ostermontag ist der Verkauf dieser Waren mit Beschäftigung von Arbeitnehmern gemäß §3 Abs2 der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010 an Sonn- und Feiertagen in der Zeit von 8 Uhr bis 18 Uhr – längstens jedoch acht Stunden täglich – in den in der Anlage B genannten Gebieten zulässig.
2.3. Für die Beurteilung eines Gebietes als Sommer- oder Winterfremdenverkehrsregion sind ausweislich der Erläuterungen zum Entwurf der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010 als Maßstab die Nächtigungszahlen in Verbindung mit den Einwohnerzahlen eines Gebietes herangezogen worden. Aus den beigeschafften Verwaltungsakten ergibt sich, dass für die Stadt Villach, jedenfalls für ihr Zentrum, die erhebliche Zahl von Übernachtungen pro Einwohner gegeben ist, die zum Teil die Zahl von Übernachtungen pro Einwohner anderer in der Anlage B angeführter Gebiete übersteigt. Es wurde jedoch keines der der Stadt Villach zugehörigen Gebiete als Winterfremdenverkehrsregion in die Anlage B der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010 aufgenommen.
3. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bezüglich der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen bei seiner Auffassung, dass die Abgrenzung des Kreises der in die Anlage B der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010 aufgenommenen Gebiete sachlich nicht gerechtfertigt war.
3.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Verordnungsgeber (vgl. zur Prüfung von Verordnungsbestimmungen am Maßstab des Verfassungsrechts VfSlg 17.960/2006, 19.033/2010). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB zum Sachlichkeitsgebot bei Gesetzen VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Verordnungsgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen.
3.2. Es liegt in dem von der gesetzlichen Ermächtigung begrenzten Spielraum des Verordnungsgebers – innerhalb des durch die gesetzlichen Regelungen vorgegebenen Rahmens –, sich an Auswahlkriterien zu orientieren, die dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung zur Verfügung einer Ausnahme vom Gebot des Ladenschlusses zu bestimmten Zeiten entsprechen, wenn er Gebiete festlegt, für welche iSd §5 Abs2 Öffnungszeitengesetz 2003 Ausnahmebestimmungen für Öffnungszeiten wegen eines besonderen regionalen Bedarfes getroffen werden sollen. Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass als Kriterium für die Aufnahme eines Gebiets in die Anlage B die Nächtigungszahlen herangezogen werden. Es verstößt jedoch gegen das aus dem Gleichheitsgrundsatz entspringende Sachlichkeitsgebot, wenn der Verordnungsgeber Gebiete, welche das Kriterium einer erheblichen Zahl von Übernachtungen pro Einwohner erfüllt haben, ohne sachliche Rechtfertigung nicht in die Anlage B der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010 aufgenommen hat, während andere Gebiete, die das Kriterium in geringerem Umfang erfüllen, im Katalog der Anlage B berücksichtigt sind.
3.3. Im Verordnungsprüfungsverfahren haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Verordnungsgeber noch weitere, über die Nächtigungszahlen in Verbindung mit den Einwohnerzahlen eines Gebietes hinausgehende Auswahlkriterien für die Beurteilung eines Gebietes als Winterfremdenverkehrsregion herangezogen hat.
4. Da die Bestimmung des §3 Abs2 der Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010 regelt, dass in den in der Anlage B genannten Gebieten während der Wintersaison der Verkauf bestimmter Waren mit Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in der Zeit von 8 Uhr bis 18 Uhr zulässig ist, steht die Anlage B in einem untrennbaren Zusammenhang mit der erstgenannten Bestimmung.
IV. Ergebnis
1. Die Bestimmung des §3 Abs2 sowie die Anlage B der Verordnung des Landeshauptmannes von Kärnten vom 18. Mai 2010, hinsichtlich der Festlegung von Öffnungszeiten und Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsruhe (Kärntner Öffnungszeiten-Verordnung 2010), LGBl 29/2010 idF LGBl 67/2011, waren gesetzwidrig.
2. Die Verpflichtung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches erfließt aus Art139 Abs5 zweiter Satz iVm Art139 Abs4 B-VG und §60 Abs2 VfGG iVm §4 Abs1 Z4 BGBlG.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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