Normen
B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
Spruch:
I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden. Der Bescheid wird aufgehoben.
II. Das Land Oberösterreich ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreter die mit € 2.620,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt
1. Der Beschwerdeführer beantragte mit Ansuchen vom 1. November 2007 beim Bürgermeister der Stadtgemeinde Bad Leonfelden (dort eingelangt am 12. Dezember 2007) die Erteilung einer Baubewilligung für einen Zubau zu einem bestehenden Büro- und Geschäftsgebäude mit Kurzzeitwohnungen auf den Grundstücken Nr 47/1 und 47/2, KG Leonfelden (in der Folge: Baugrundstücke). Der Altbestand, der durch den Zubau erweitert werden sollte, befindet sich auf dem in nordöstlicher Richtung unmittelbar angrenzenden Grundstück Nr .217, KG Leonfelden. Die Bausubstanz soll nach den eingereichten Plänen zur Gänze auf dem Grundstück Nr 47/2 errichtet werden, auf dem Grundstück Nr 47/1 sind lediglich acht Parkplätze vorgesehen.
2. Mit Bescheid des – mittlerweile im Devolutionsweg zuständig gewordenen –Gemeinderates der Stadtgemeinde Bad Leonfelden vom 13. Oktober 2008 wurde das Bauansuchen mit Verweis auf eine vom Gemeinderat am 10. April 2008 erlassene Neuplanungsgebietsverordnung, die die Baugrundstücke umfasste, abgewiesen. Einer gegen diesen Bescheid gerichteten Vorstellung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 13. Juli 2009 Folge, weil dem Beschwerdeführer kein Parteiengehör gewährt und ihm keine Möglichkeit zur Abänderung des von ihm geplanten Bauvorhabens gegeben worden sei.
3. Am 2. April 2009 beschloss der Gemeinderat einen neuen Flächenwidmungsplan samt örtlichem Entwicklungskonzept. Im örtlichen Entwicklungskonzeptteil dieses Planes war für die (bisher als Bauland gewidmeten) Baugrundstücke nunmehr die Widmung "Grünzug – Trenngrün oder Parkanlagen" vorgesehen, im Flächenwidmungsteil die Widmung "Grünland – Parkanlage". Dieser Flächenwidmungsplan wurde mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 16. Mai 2009 aufsichtsbehördlich genehmigt. Am 26. Mai 2009 wurde der Plan an der Amtstafel der Stadtgemeinde Bad Leonfelden zur Kundmachung angeschlagen und am 10. Juni 2009 wieder abgenommen.
4. Mit Bescheid vom 5. März 2010 wies der Gemeinderat das Bauansuchen des Beschwerdeführers, gestützt auf §30 Abs6 Z1 OÖ BauO 1994, neuerlich ab, was nunmehr mit dem Widerspruch zur neuen Flächenwidmung "Grünland-Parkanlage" begründet wurde. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer neuerlich Vorstellung.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung keine Folge gegeben, wobei auch die belangte Behörde die Auffassung vertrat, dass das geplante Bürogebäude mit Kurzzeitwohnungen mit der Widmung "Grünland – Parkanlage" nicht vereinbar sei. §30 Abs5 OÖ ROG 1994 erlaube im Grünland nur die Errichtung von Bauten und Anlagen, um dieses bestimmungsgemäß zu nutzen. Eine Möglichkeit zur Änderung des Bauvorhabens sei nur dann einzuräumen, wenn damit ein Abweisungsgrund beseitigt werden könne, dies sei aber bei der nunmehrigen Flächenwidmung nicht möglich.
6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) sowie durch Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, konkret des Flächenwidmungsplanes Nr 3 der Stadtgemeinde Bad Leonfelden, verletzt erachtet.
7. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Sie brachte im Wesentlichen vor, sie habe die geltenden Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen richtig angewendet, die Prüfung des vom Beschwerdeführer als gesetzwidrig erachteten Flächenwidmungsplanes komme nur dem Verfassungsgerichtshof zu.
8. Der Beschwerdeführer replizierte zu dieser Gegenschrift.
9. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Bad Leonfelden legte die Akten betreffend die Erlassung des Flächenwidmungsplanes vom 2. April 2009 einschließlich des örtlichen Entwicklungskonzeptes vor.
10. Der Verfassungsgerichtshof hat einen Lokalaugenschein auf den Baugrundstücken durchgeführt, bei dem insbesondere sämtliche Parteien (Beschwerdeführer, belangte Behörde, Stadtgemeinde Bad Leonfelden) bzw. ihre Vertreter und die Aufsichtsbehörde anwesend waren.
11. Im Anschluss an den Lokalaugenschein legte der Beschwerdeführer noch weitere Unterlagen vor.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1994 (OÖ ROG 1994), LGBl 114/1993 idF LGBl 1/2007, lauten:
"§18
Flächenwidmungsplan mit örtlichem Entwicklungskonzept
(1) Jede Gemeinde hat in Durchführung der Aufgaben der örtlichen Raumordnung durch Verordnung den Flächenwidmungsplan zu erlassen, weiterzuführen und regelmäßig zu überprüfen. Der Flächenwidmungsplan besteht aus
1. dem Flächenwidmungsteil und
2. dem örtlichen Entwicklungskonzeptteil (örtliches Entwicklungskonzept).
Das örtliche Entwicklungskonzept ist auf einen Planungszeitraum von zehn Jahren, der Flächenwidmungsteil auf einen solchen von fünf Jahren auszulegen.
(2) Das örtliche Entwicklungskonzept hat als Grundlage der übrigen Flächenwidmungsplanung die längerfristigen Ziele und Festlegungen der örtlichen Raumordnung zu enthalten.
(3) Das örtliche Entwicklungskonzept besteht aus einer zeichnerischen Darstellung (Funktionsplan) und ergänzenden textlichen Festlegungen; […]
[…]
(5) In Übereinstimmung mit den Zielen und Festlegungen des örtlichen Entwicklungskonzeptes ist im Flächenwidmungsteil (Abs1 zweiter Satz Z1) für das gesamte Gemeindegebiet auszuweisen, welche Flächen als Bauland (§21 bis §23), als Verkehrsflächen (§29) oder als Grünland (§30) gewidmet werden. Die Gemeinde hat dabei auf Planungen benachbarter Gemeinden und anderer Körperschaften öffentlichen Rechtes sowie auf raumbedeutsame Maßnahmen anderer Planungsträger möglichst Bedacht zu nehmen.
[…]
§30
Grünland
(1)Alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen gewidmeten Flächen sind als Grünland zu widmen.
(2) Flächen des Grünlandes, die nicht für die Land- und Forstwirtschaft bestimmt sind und nicht zum Ödland gehören, sind im Flächenwidmungsplan gesondert zu widmen.
(3) Im Grünland sind - je nach Erfordernis - insbesondere folgende Widmungen auszuweisen:
1. größere Erholungsflächen für Erholungs- oder Sportanlagen wie Parkanlagen, Spiel- und Liegewiesen, Sport- und Spielflächen, Freibäder, Campingplätze, Tennishallen, Golfplätze, Reitsportanlagen, Wintersportanlagen einschließlich der Schipisten sowie Gaststätten und Schutzhütten;
[…]
(5) Im Grünland dürfen nur Bauten und Anlagen errichtet werden, die nötig sind, um dieses bestimmungsgemäß zu nutzen (Abs2 bis 4).
2. Nach §30 Abs6 Z1 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 (OÖ BauO 1994), LGBl 66 idF LGBl 36/2008 ist der Baubewilligungsantrag von der Baubehörde ohne Durchführung einer Bauverhandlung abzuweisen, wenn sich auf Grund der Prüfung durch die Baubehörde schon aus dem Antrag oder dem Bauplan ergibt, dass das Bauvorhaben zwingenden Bestimmungen eines Flächenwidmungsplans, eines Bebauungsplans, einer Erklärung zum Neuplanungsgebiet oder einer rechtskräftigen Bauplatzbewilligung widerspricht.
III. Erwägungen
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Aus Anlass der Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der für die Baugrundstücke geltenden Widmungen im Flächenwidmungsplan ein. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, V41/2013, hob er den Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Bad Leonfelden, beschlossen vom Gemeinderat am 2. April 2009, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 18. Mai 2009, in folgendem Umfang als gesetzwidrig auf:
- örtlicher Entwicklungskonzeptteil (Funktionsplan), soweit darin für die Grundstücke Nr 47/1 und 47/2 die Widmung "Grünzug – Trenngrün oder Parkanlagen" ausgewiesen wird.
- Flächenwidmungsteil, soweit darin für die Grundstücke Nr 47/1 und 47/2 die Widmung "Grünland – Parkanlage" ausgewiesen wird.
3. Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf die aufgehobenen Verordnungsteile gestützt und damit gesetzwidrige Verordnungsbestimmungen angewendet. Es ist nach der Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seine Rechten verletzt.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 220,– enthalten.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)