VfGH V18/12

VfGHV18/1227.6.2012

Zurückweisung eines Individualantrags auf teilweise Aufhebung eines Flächenwidmungsplanes in Tirol; Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges über ein Baubewilligungsverfahren angesichts bereits angefertigter Planunterlagen für ein früheres Bauansuchen

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Flächenwidmungsplan der Gemeinde Ellmau vom 15.12.05
Tir BauO 2011 §22, §27
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Flächenwidmungsplan der Gemeinde Ellmau vom 15.12.05
Tir BauO 2011 §22, §27

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Der Antragsteller begehrt gemäß Art139 Abs1 B-VG,

"den Flächenwidmungsplan der Gemeinde Ellmau, welcher vom Gemeinderat der Gemeinde Ellmau am 15.12.2005 auch im Bereich [des Grundstücks des Antragstellers] beschlossen und ... welcher mit dem Genehmigungsvermerk der Tiroler Landesregierung vom 20.6.2006, Ve1-2-509/2-12vA, versehen, vom

23.6.2006 bis zum 7.7.2006 kundgemacht wurde, ... insoweit ...,

als für das [Grundstück des Antragstellers] die Widmung 'Freiland' festgelegt wurde",

als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Seine Antragslegitimation betreffend führt der Antragsteller aus, er sei Alleineigentümer eines näher bezeichneten Grundstücks in der Gemeinde Ellmau. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei die Antragslegitimation bei der Anfechtung von Flächenwidmungsplänen durch den Grundeigentümer in Tirol im Regelfall gegeben. Ein anderer Weg als der nunmehr gestellte Individualantrag zur verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle sei dem Antragsteller nicht zumutbar; insbesondere sei es nicht zumutbar, ein (förmliches) Bauverfahren mit den hiefür erforderlichen und entsprechend kostspieligen Planunterlagen in Angriff zu nehmen, nur um die Rechtswidrigkeit eines Flächenwidmungsplanes geltend machen zu können.

Der Antragsteller habe im Jahre 1980 einen Antrag auf Erteilung der Genehmigung zur Errichtung eines Wohnhauses auf seinem Grundstück gestellt. Der im Juli 1981 in Kraft getretene erste Flächenwidmungsplan der Gemeinde Ellmau habe - zur äußersten Verwunderung des Antragstellers - dieses Grundstück jedoch als "Freiland" ausgewiesen. Im Jahr 1983 sei der Baubewilligungsantrag mit Bescheid der "Gemeinde Ellmau" abgewiesen worden, und zwar "mangels Erteilung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung des Landes Tirol zur Änderung des [ersten] Flächenwidmungsplanes" (wie der Antragsteller an anderer Stelle ausführt, habe der Gemeinderat im Oktober 1981 auf Betreiben des Antragstellers eine Änderung der Widmung des Grundstücks von "Freiland" auf "Wohnaufschließungsgebiet" beschlossen; die Tiroler Landesregierung versagte dieser Flächenwidmungsplanänderung im April 1983 jedoch die aufsichtsbehördliche Genehmigung). Der Antragsteller habe somit seit über 30 Jahren konkrete Absichten, die gegenständliche Grundstücksfläche zu bebauen, doch könne aufgrund der derzeit bestehenden Widmung ein Bauprojekt nicht ausgeführt werden, weshalb dies einen aktuellen und konkreten Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers darstelle. Auch zwischenzeitlich sei der Antragsteller erfolglos mit zahlreichen Eingaben immer wieder an "den Antragsgegner" herangetreten mit dem Ziel, die "längst fällige Umwidmung seiner Grundfläche" zu erreichen. Wenngleich zum damaligen Zeitpunkt Planunterlagen erstellt worden seien, so seien diese nach nunmehr mehr als 30 Jahren sowohl in architektonischer als auch in technischer Hinsicht nicht mehr zeitgemäß und würde eine Baubewilligung aufgrund der Nichteinhaltung technischer Bauvorschriften nicht erteilt werden. Es sei dem Antragsteller aber nicht zumutbar, in einem nur zu dem Zwecke initiierten Bauverfahren, um die Rechtswidrigkeit des Flächenwidmungsplanes aufzuzeigen, veraltete und nicht mehr zeitgemäße Planunterlagen vorzulegen.

3. Der Antrag ist unzulässig:

3.1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht

(VfSlg. 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

3.2. Anlässlich der Anfechtung von Flächenwidmungsplänen in Tirol durch Individualanträge hat der Verfassungsgerichtshof zwar wiederholt (vgl. VfSlg. 9260/1981, 19.075/2010 uva.) ausgesprochen, dass nur ein förmliches - kostspielige Planunterlagen erforderlich machendes - Bauansuchen nach (nunmehr) §22 Tiroler Bauordnung 2011 in Betracht käme, um schließlich einen letztinstanzlichen Bescheid zu erwirken und durch dessen Bekämpfung vor dem Verfassungsgerichtshof Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplans geltend zu machen. Dieser im Allgemeinen als unzumutbar erachtete Rechtsschutzweg ist dem Antragsteller hier jedoch (wie in anderen Fällen bereits angefertigter Planunterlagen, vgl. VfSlg. 12.575/1990, 16.397/2001, 18.385/2008, 18.873/2009) zumutbar: Der Antragsteller weist selbst darauf hin, dass er im Jahr 1980 einen Antrag auf Erteilung der Genehmigung zur Errichtung eines Wohnhauses auf seinem Grundstück gestellt habe, der schließlich im Jahr 1983 wegen der Widmung dieses Grundstücks als "Freiland" im ersten Flächenwidmungsplan abgewiesen worden sei. Der Antragsteller meint, die damals erstellten Planunterlagen seien nach 30 Jahren sowohl in architektonischer als auch in technischer Hinsicht nicht mehr zeitgemäß und eine Baubewilligung würde aufgrund der Nichteinhaltung technischer Bauvorschriften nicht erteilt werden. Gemäß §27 Abs3 lita Z1 Tiroler Bauordnung 2011 ist ein Bauansuchen jedoch ohne weiteres Verfahren abzuweisen, wenn bereits aufgrund des Ansuchens offenkundig ist, dass das Bauvorhaben (außer im hier nicht vorliegenden Fall eines Gebäudes iSd §1 Abs3 litd leg.cit.) dem Flächenwidmungsplan widerspricht. Daher hat der Antragsteller die Möglichkeit, erneut ein Bauansuchen zu stellen und dieselben Planunterlagen wie im Jahre 1980 - ohne weiteren Kostenaufwand - im förmlichen Baubewilligungsverfahren vorzulegen und nach Durchlaufen des Instanzenzuges die behauptete Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplanes an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Da die Baubehörden ihre abweisende Entscheidung über das erste Bauansuchen im Jahre 1983 noch nicht auf die nunmehr angefochtene Fassung des Flächenwidmungsplanes stützen konnten, wäre ein erneutes Bauansuchen auch nicht wegen res judicata zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 16.397/2001).

4. Der Antrag war daher als unzulässig

zurückzuweisen.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne

weiteres Verfahren und ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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