Normen
B-VG Art129a Abs1 Z2
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
EMRK Art2
AVG §58 ff, §60
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
SicherheitspolizeiG §3, §88
B-VG Art129a Abs1 Z2
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
EMRK Art2
AVG §58 ff, §60
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
SicherheitspolizeiG §3, §88
Spruch:
I. Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid in dem durch das Bundesverfassungsgesetz
BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.000,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren
1. Mit Eingabe vom 24. Februar 2009 erhoben die nunmehrigen Beschwerdeführer eine auf Art129a Abs1 Z2 B-VG gestützte Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien, in der sie - zusammengefasst - Folgendes ausführten:
1.1. Die Beschwerdeführer seien die Hinterbliebenen (Ehefrau, mj. Kinder, Vater) des am 13. Jänner 2009 in Wien-Floridsdorf ermordeten anerkannten Flüchtlings I.
Bereits Anfang 2007 habe Mag. F als Betreuer von I, der damals noch Asylwerber gewesen sei, im Zusammenhang mit einer Verlegung in eine sicherere Unterkunft telefonisch Kontakt mit dem Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Wien aufgenommen und auf die Gefährdungslage von I hingewiesen; ein entsprechendes Schreiben sei im März 2007 auch an die Sicherheitsdirektion für Niederösterreich ergangen.
In seinem Asylverfahren habe I angegeben, von den Sicherheitskräften des Präsidenten der Teilrepublik Tschetschenien, Ramsam Kadyrow, aber auch von diesem persönlich, in Tschetschenien gefoltert und sodann zur Zusammenarbeit gezwungen worden zu sein. Der unabhängige Bundesasylsenat habe mit Bescheid vom 26. Juli 2007 die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens festgestellt und I die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.
Dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung sei spätestens seit dem 28. August 2007 bekannt gewesen, dass die Russische Föderation die Auslieferung von I betrieben habe. Dem diesbezüglichen Ansuchen sei jedoch wegen des in Österreich zuerkannten Asylstatus nicht entsprochen worden; ein innerstaatlich in Folge gegen I eingeleitetes Strafverfahren sei durch die Staatsanwaltschaft St. Pölten nach kurzer Zeit eingestellt worden, da kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung vorgelegen sei.
Ab 6. Juni 2008 sei der Betreuer von I, Mag. F, mit einem Beamten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in E-Mail-Kontakt gestanden, wobei insbesondere auf ein von I in der Russischen Föderation gegen Ramsam Kadyrow angestrengtes Verfahren hingewiesen worden sei.
Am 11. Juni 2008 habe das Landesamt für
Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Wien Anzeige gegen mehrere Personen wegen des Verdachts der schweren Nötigung zum Nachteil von I erstattet. Im Zuge von Ermittlungen habe ein Zeuge (bzw. später: Beschuldigter) ausgesagt, für Ramsam Kadyrow zu arbeiten und ursprünglich den Auftrag zur - allenfalls auch gewaltsamen - Entführung von I erhalten zu haben. Zur Vermeidung dieses Auftrages sei die Unterstützung durch österreichische Behörden angeregt worden.
Am 14. Juni 2008 habe die Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights mit Wissen und Einverständnis von I eine Strafanzeige gegen Ramsam Kadyrow bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht; eine Kopie dieser Strafanzeige sei sowohl dem Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Wien als auch dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zur Kenntnis gebracht worden.
Die damalige Rechtsvertreterin von I habe am 8. Juli 2008 beim Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Wien eine Anregung auf erhöhten Schutz für I eingebracht, da dieser sich beobachtet gefühlt habe.
Ab dem 22. Dezember 2008 habe der Betreuer Mag. F via E-mail Kontakt mit einem Beamten des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Wien aufgenommen, um erneut um Schutzmaßnahmen zu bitten. Seitens der Behörde sei I lediglich empfohlen worden, bei strafrechtlich relevantem Verhalten den Notruf zu wählen oder eine Anzeige zu erstatten.
In einem weiteren E-mail an einen Beamten des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Wien sei dieser darüber informiert worden, dass I und seine Familie offenbar ausgekundschaftet und verfolgt würden.
In seinem letzten E-mail vom 7. Jänner 2009 habe der Betreuer von I erneut um Schutzmaßnahmen ersucht und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass behördliche Handlungen nicht erst dann gesetzt werden sollten, wenn es bereits zu spät sei.
Am 13. Jänner 2009 sei I schließlich in Wien-Floridsdorf ermordet worden.
1.2. Trotz Kenntnis von der massiven Bedrohungslage, die - dem Vorbringen in der an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien erhobenen Beschwerde zufolge - vom Präsidenten der Teilrepublik Tschetschenien, Ramsam Kadyrow, und dessen Umfeld ausgegangen sei, hätten weder die Sicherheitsdirektion Wien, Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, noch das Bundesministerium für Inneres, Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, als belangte Behörden irgendwelche Maßnahmen zum Schutz des Lebens von I gesetzt. Möglich gewesen wären etwa eine verstärkte Streifung, Personenkontrollen, Personen- bzw. Objektschutz, eine Identitätsänderung für I oder auch die Ermöglichung des Umzuges in einen anderen Staat.
I sei daher in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Leben gemäß Art2 EMRK sowie - da er jedenfalls ab Juni 2008 in einer ständigen Bedrohungssituation gelebt habe, die ihm enorme Angst eingeflößt und ihn nicht zur Ruhe habe kommen lassen - darauf, gemäß Art3 EMRK nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, verletzt worden.
Durch das Unterlassen jeglicher Schutzmaßnahmen seien die Beschwerdeführer überdies ihres Ehemannes bzw. Vaters bzw. Sohnes beraubt worden. Die Beschwerdeführer selbst seien daher in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK verletzt.
2. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien wies die Beschwerde mit dem angefochtenen, in der Verhandlung am 23. März 2011 mündlich verkündeten, Bescheid als unbegründet ab. Als Bescheidinhalt ist im diesbezüglichen Verkündungsprotokoll wörtlich festgehalten:
"Wesentliche Entscheidungsgründe:
Aufgrund der von der beschwerdeführenden Seite vorgeleg[t]en Schriftsätze und Unterlagen, jener der belangten Behörden und des durchgeführten aufwendigen Ermittlungs- und Beweisverfahrens und des sich daraus ergebenden und festgestellten Sachverhaltes (die Darstellung dieses bleibt der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides vorbehalten)[,] war das Verhalten der Organe der belangten Behörden vertretbar. Die Organe hatten, was die Bedrohungslage betrifft, in der Regel nur über eine dritte Person Kontakt zum getöteten I[...] und war aufgrund der zugegangenen Informationen vertretbarer Weise von einer aktuellen[...] bzw. immanenten und akuten Gefährdungssituation nicht auszugehen, zumal auch, wie das Verfahren ergeben hat, insbesondere die Aussage von Mag. F[...][,] der [G]etötete selbst immer wieder Kontakte gesucht hat und ein Verhalten gesetzt hat, das offensichtlich schlussendlich auch zu dem tragischen Vorfall geführt hat. Der Vorwurf an die belangten Behörden, sie seien untätig geblieben[,] ist, so das Verfahren, nicht gegeben gewesen, der Vorwurf, die Behörde hätte es unterlassen, einen ausreichenden Schutz zu gewähren[,] ist aufgrund des vorhin Dargestellten unhaltbar.
Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtlich waren die vorliegenden Beschwerden nach den gesetzlichen Vorschriften des §88 Abs2 SPG zu sehen, da für eine Beschwerde im Sinne des Art129a Abs1 Zif. 2 B-VG es an verwaltungsbehördliche[m] Befehl und Zwang fehlt und darüber hinaus ein Rechtsanspruch auf Maßnahmen des Personenschutzes nicht besteht. Es bestehen lediglich Anspr[ü]che nach der MRK, die jedoch eine Behörde nicht unmittelbar zwingt[,] tätig zu werden. Die ureigentliche Aufgabe der Sicherheitsverwaltung im Sinne der Vorschriften des SPG, nämlich tätig werden bei Gefährdungssituationen[,] haben die Organe der belangten Behörde besorgt. Es ist halt nicht oder noch nicht bis zu dem tragischen Vorfall am 09.01.2009 zu einem abschließenden Ergebnis gekommen gewesen." (Zitat ohne die im Original enthaltene Hervorhebung)
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die
vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art2, 3 und 8 EMRK bzw. hilfsweise auch in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend gemacht sowie die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt werden.
3.1. Zur Beschwerdelegitimation führen die Beschwerdeführer zunächst aus, dass sie die nächsten Angehörigen des Ermordeten I seien, der keine Möglichkeit mehr habe, selbst die Verletzung seiner Rechte geltend zu machen. Es sei ständige Rechtsprechung des EGMR und des Verfassungsgerichtshofes, dass nahen Angehörigen im Hinblick auf Art2 EMRK ein Beschwerderecht zukomme, wenn der unmittelbar Betroffene anlässlich einer Amtshandlung verstorben sei. Im Lichte dieser Judikatur und der Effektuierung des Rechtsschutzes der in der EMRK gewährten Rechte, müsse dies analog in gleichem Maße für schlichtes Polizeihandeln durch Unterlassen gelten. Darüber hinaus seien die Beschwerdeführer selbst durch den angefochtenen Bescheid in Art8 EMRK verletzt.
3.2. Des Weiteren wird in der Beschwerde
vorausgeschickt, dass auf Grund der bloßen mündlichen Verkündung des Bescheides noch nicht die Möglichkeit bestehe, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nachvollziehbar aufzuzeigen; nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung würde die Beschwerde umfassend ausgeführt werden.
3.3. Inhaltlich wird in der Beschwerde - auf das Wesentliche zusammengefasst - Folgendes ausgeführt:
Art 2 EMRK normiere das Grundrecht eines jeden
Menschen auf Leben und verpflichte den Staat nicht nur zur Achtung des Lebens, sondern enthalte überdies auch eine staatliche Gewährleistungspflicht. Der EGMR lege einen sehr hohen Maßstab an die Verpflichtung des Staates und seiner Organe, das Recht auf Leben zu schützen, an. Wenn die Behörde das Bestehen eines unmittelbaren und realen Risikos für das Leben einer bestimmten Person durch eine bestimmte Person kenne oder kennen müsse, habe der Staat im Rahmen seiner Befugnisse alle Schritte zum Lebensschutz zu setzen, die vernünftigerweise von ihm erwarten werden könnten.
Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall alle gegeben gewesen. Die Behörden hätten jedoch - in Kenntnis des gesamten Sachverhaltes und obwohl Schutzmaßnahmen wiederholt angeregt worden seien und deren Notwendigkeit jedes Mal mit konkreten, neu hinzugetretenen Vorkommnissen belegt worden seien - nicht nur unzureichende Schutzmaßnahmen, sondern überhaupt keinen einzigen Schritt zum Lebensschutz gesetzt. I sei daher in seinem Recht auf Leben gemäß Art2 EMRK verletzt worden.
Insofern die belangte Behörde ausführe, dass die EMRK eine Behörde nicht unmittelbar zwinge, tätig zu werden, widerspreche dies der Judikatur des EGMR und verkenne dies den Inhalt des Art2 EMRK. Es liege eine denkunmögliche Gesetzesanwendung vor bzw. werde den anzuwendenden Gesetzesbestimmungen ein verfassungswidriger Inhalt unterstellt.
Da I zumindest ab Juni 2008 in einer ständigen Bedrohungssituation gelebt habe, die ihm enorme Angst eingeflößt und ihn nicht zur Ruhe habe kommen lassen, sei er durch die Unterlassung des Schutzes seitens der Behörden im Recht darauf, gemäß Art3 EMRK nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, verletzt worden.
Durch das Unterlassen jeglicher Schutzmaßnahmen seien die Beschwerdeführer ihres Ehemannes bzw. Vaters bzw. Sohnes beraubt worden. Die Beschwerdeführer selbst seien daher in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK verletzt.
Da der angefochtene Bescheid diese Rechtsverletzungen nicht aufgreife, verletze auch der angefochtene Bescheid I sowie die Beschwerdeführer in den genannten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien legte die Verwaltungsakten vor; auf die Erstattung einer Gegenschrift zur Beschwerde wurde verzichtet.
5. Eine schriftliche Ausfertigung des mündlich
verkündeten Bescheides liegt (noch) nicht vor.
II. Rechtslage
1. Art2 Abs1 EMRK lautet (soweit für den vorliegenden Fall relevant):
"Artikel 2 - Recht auf Leben
(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird
gesetzlich geschützt. [...]"
2. Die für den vorliegenden Fall grundlegend
maßgeblichen Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl. 566/1991 idgF, lauten:
"Organisation der Sicherheitsverwaltung
Besorgung der Sicherheitsverwaltung
§2. (1) Die Sicherheitsverwaltung obliegt den Sicherheitsbehörden.
(2) Die Sicherheitsverwaltung besteht aus der Sicherheitspolizei, dem Paß- und dem Meldewesen, der Fremdenpolizei, der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, dem Waffen-, Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen sowie aus dem Pressewesen und den Vereins- und Versammlungsangelegenheiten.
Sicherheitspolizei
§3. Die Sicherheitspolizei besteht aus der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei (Art10 Abs1 Z7 B-VG), und aus der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht.
[...]
Beschwerden wegen Verletzung subjektiver Rechte
§88. (1) Die unabhängigen Verwaltungssenate erkennen über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art129 a Abs1 Z2 B-VG).
(2) Außerdem erkennen die unabhängigen
Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.
(3) - (4) [...]"
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit:
Es liegen keine Umstände vor, die gegen die Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde sprechen (vgl. zur Beschwerdelegitimation naher Angehöriger VfSlg. 16.109/2001, 16.179/2001; zur Anfechtbarkeit eines mündlich verkündeten Bescheides vgl. etwa VfSlg. 15.109/2000; VfGH 7.6.2006, B831/06).
2. In der Sache:
2.1. Nach der mit VfSlg. 13.836/1994 beginnenden,
nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit.
gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet ein Bescheid, wenn er auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg. 16.214/2001), wenn die Behörde dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn das Gesetz - dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg. 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat (zB VfSlg. 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001).
2.2. Ein derartiger, in die Verfassungssphäre
reichender, Fehler ist dem angefochtenen Bescheid anzulasten:
2.2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass die Vorschriften der §§58 ff. AVG über Form und Inhalt von Bescheiden (inkl. §60 AVG betreffend die Begründungspflicht) auch für mündlich verkündete Bescheide gelten (so auch - eine andere Rechtssache betreffend - VwGH 20.10.2011, 2011/11/0154). Ein bloß mündlich verkündeter Bescheid, der - wie im vorliegenden Fall - entgegen den gesetzlichen Vorgaben nicht innerhalb angemessener Frist schriftlich ausgefertigt wird, ist daher uneingeschränkt an der in der Verhandlungs- bzw. Niederschrift vorgenommenen Beurkundung zu messen.
Die Verfassungsmäßigkeit des angefochtenen
Bescheides, der bis dato lediglich mündlich verkündet, aber nicht schriftlich ausgefertigt wurde, ist somit alleine nach dem Verkündungsprotokoll vom 23. März 2011 zu beurteilen.
Die belangte Behörde geht in ihrem Bescheid vom Nichtvorliegen einer "aktuellen[...] bzw. immanenten und akuten Gefährdungssituation" aus, was zu der die Abweisung der an sie erhobenen Beschwerde tragenden Begründung führt, "[d]er Vorwurf an die belangten Behörden, sie seien untätig geblieben[,] ist, so das Verfahren, nicht gegeben gewesen, der Vorwurf, die Behörde hätte es unterlassen, einen ausreichenden Schutz zu gewähren[,] ist aufgrund des vorhin Dargestellten unhaltbar".
2.2.2. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Rechtsfrage geht es wesentlich darum, ob und (gegebenenfalls) inwieweit der Staat verpflichtet ist, eine Person durch präventive Maßnahmen zu schützen, wenn eine gegen sie gerichtete Bedrohungssituation behauptet wird (vgl. zu den Schutzpflichten für das Recht auf Leben grundsätzlich Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention5, 2012, 154 ff.).
Wie der EGMR bereits im Fall Osman festgehalten hat, beinhaltet Art2 EMRK (auch) die positive Verpflichtung von Behörden, präventive Maßnahmen zum Schutz solcher Personen zu setzen, deren Leben durch kriminelle Handlungen Dritter gefährdet werden könnten (EGMR 28.10.1998 [GK], Fall Osman, Appl. 23.452/94, insb. Z115; vgl. aus jüngerer Zeit insb. auch EGMR 14.9.2010, Fall Dink, Appl. 2668/07 ua., Z64). Eine derartige Verpflichtung darf den Behörden jedoch keine unmögliche oder unverhältnismäßige Last auferlegen; auch haben die Sicherheitsbehörden bei Erfüllung ihrer Aufgaben die Rechte und Freiheiten des Einzelnen zu achten (EGMR, Fall Osman, Z116). Eine Verletzung des Art2 EMRK liegt aber dann vor, wenn die Behörden - sofern sie von der unmittelbaren Lebensbedrohung einer bestimmten Person wussten oder hätten wissen müssen - nicht alles getan haben, was vernünftigerweise hätte erwartet werden können (vgl. erneut EGMR, Fall Osman, Z116).
Dass der in seinem Leben Bedrohte die Behörden
allenfalls nicht (oder - wie offenbar im vorliegenden Fall - nicht persönlich, wohl aber durch einen Betreuer bzw. eine Vertretung) um Schutz ersucht hat, entbindet die Behörden dabei nicht von ihren Verpflichtungen derartige Maßnahmen zum Lebensschutz zu setzen (vgl. idZ auch EGMR, Fall Dink, Z74; vgl. ferner auch EGMR 9.6.2009, Fall Opuz, Appl. 33.401/02, insb. Z143).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kommt es daher für die hier vorliegende Frage nach einer möglichen positiven Schutzpflicht des Staates auch darauf an, ob die Behörden von einer (unmittelbaren) Lebensbedrohung des I wussten bzw. hätten wissen müssen; vor diesem Hintergrund ist zu beurteilen, ob - unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - der Staat seinen Verpflichtungen entsprochen hat.
2.2.3. Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, müssen die für die getroffene und beim Verfassungsgerichtshof bekämpfte Entscheidung maßgeblichen Erwägungen aus der Begründung des Bescheides hervorgehen, da nur auf diese Weise die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof möglich ist (vgl. zB VfSlg. 17.901/2006, 18.000/2006).
Der angefochtene Bescheid lässt eine nähere
Begründung dafür vermissen, aus welchen Gründen die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, dass von einer "aktuellen[...] bzw. immanenten und akuten Gefährdungssituation" nicht auszugehen gewesen wäre. Diese (letztlich unbegründet gebliebene) Prämisse erlaubt daher nicht die Beurteilung, ob die daraus abgeleitete, die Abweisung der erhobenen Beschwerde tragende, rechtliche Konsequenz aus verfassungsrechtlicher Sicht vertretbar ist.
Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten
Verfahren Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt zu treffen und diesen im Lichte der Ausführungen zur positiven Schutzpflicht des Staates für das Recht auf Leben nachvollziehbar zu beurteilen haben.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Die Beschwerdeführer sind somit durch den
angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Da die Beschwerdeführer durch einen Rechtsanwalt vertreten sind, war der einfache Pauschalsatz, erhöht um einen Streitgenossenzuschlag in der Höhe von 25 %, zuzusprechen. In den zugesprochenen Kosten ist überdies Umsatzsteuer in der Höhe von € 500,- enthalten.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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