Normen
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Hochschülerinnen- und HochschülerschaftsG 1998 §48
Hochschülerinnen- und HochschülerschaftswahlO 2005 §61 ff
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Hochschülerinnen- und HochschülerschaftsG 1998 §48
Hochschülerinnen- und HochschülerschaftswahlO 2005 §61 ff
Spruch:
I. Der Antrag wird zurückgewiesen.
II. Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Begründung
I. 1. Der Antragsteller begehrt in seinem auf Art139 B-VG
gestützten Antrag "die §§61, 64 Abs1, 64 Abs2, 64 Abs3, 64 Abs4, 64 Abs5, 64 Abs6, 65 Abs1, 65 Abs2, 65 Abs3, 66, 69 der Verordnung BGBl Nr II 351/2008 des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung, mit der die Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftswahlverordnung 2005 - HSWO 2005 [gemeint wohl:
Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftswahlordnung 2005] geändert wird, als gesetzwidrig aufzuheben".
2. Zur Darlegung seiner Antragslegitimation führt der Antragsteller Folgendes aus:
"a. Unmittelbare Betroffenheit
Zum Nachweis der Antragslegitimation verweist der Antragsteller darauf, dass er als Student an der Universität Wien zu
Matrikelnummer ... immatrikuliert und in der Studienrichtung
Rechtswissenschaften (Studienkennzahl 101) inskribiert ist.
Der Antragsteller ist durch die streitgegenständliche Verordnung in der Ausübung seines persönlichen, sowie seines geheimen Wahlrechts unmittelbar betroffen.
Das persönliche und geheime Wahlrecht hat durch persönliche Stimmabgabe ausgeübt zu werden, eine Wahl durch einen Stellvertreter ist unzulässig. Dies schließt die physische Präsenz vor einer Wahlkommission ein (VfSlg. 10.412/1985). Durch die Ausübung von E-Voting ist zudem gesetzlich nicht hinreichend gesichert, dass der Wahlakt geheim, unbeeinflusst und nicht stellvertretend durch einen Dritten erfolgt.
Die Verordnung sieht weder die physische Präsenz vor einer Wahlkommission vor, noch trifft sie Vorkehrungen, dass der Wahlakt geheim, unbeeinflusst und nicht stellvertretend durch einen Dritten erfolgt.
Der Antragsteller kann sein Wahlrecht nur dann geheim ausüben, wenn er seine Stimme derart abzugeben vermag, dass niemand, weder eine Behörde noch sonst jemand, erkennen kann, wen [er] gewählt hat. Die geheime Wahl soll den Wähler nicht nur vor unerwünschter Einflussnahme auf seine Willensbildung im Zuge des Wahlvorganges bewahren, sondern ihm auch Sorge und Furcht nehmen, dass er wegen seiner Stimmabgabe in bestimmter Richtung Vorwürfen und Nachteilen welcher Art auch immer ausgesetzt wird (vgl. Öhlinger, Verfassungsrecht, 4. Auflage, Rz 380).
Die streitgegenständliche Verordnung sieht keine wirksamen Vorkehrungen zum Schutz der Ausübung des geheimen Wahlrechtes vor. Der Antragsteller kann der Einflussnahme auf sein Wahlverhalten durch außenstehende Dritte nur selbst begegnen.
b. Aktuelle Beeinträchtigung
Durch die konkrete Gefahr im Zuge der anhängigen Wahlanfechtung, dass im Zuge der ÖH Wahl 2009 der Antragsteller an der Ausübung seines persönlichen und geheimen Wahlrechts gehindert bzw. manipuliert und beeinflusst wird (vgl. unter http://www.telekom-presse.at/Erstmaliger_Fall_von_E-Voting-Betrug.id.8797.htm: Erstmals wurden nun Befürchtungen zur Manipulierbarkeit von Wahl-Ergebnissen mit Hilfe elektronischer Maschinen wahr. etc.), wird der Antragssteller durch die streitgegenständliche Verordnung unmittelbar in seinem unmittelbaren Wahlrecht beeinflusst.
Für den Antragsteller stellt es keinen zumutbaren Weg dar, sich nach durchgeführter Wahl im Wege des Einbringens eines Einspruches bei der jeweiligen Wahlkommission einzubringen, da hierdurch nicht der Vorgang der Wahl im Zuge des E-Votings - mithin der Verletzung des Grundrechts auf geheime, persönliche und unmittelbare Wahl - beseitigt werden kann. Dementsprechend würde eine allfällige Wiederholung der Wahl zu einer erneuten - unzumutbaren und nicht hinnehmbaren - Grundrechtsverletzung des Grundrechts auf geheime und persönliche Wahl führen.
Hinsichtlich des bereits aufgrund der §§64 Abs7, 65 Abs1, 69 der Verordnung im Zuge der ÖH Wahl 2009 vollzogenen Eingriffs in das Grundrecht auf Datenschutz ist es dem Antragsteller nicht zumutbar, sein Recht - betreffend dieses derart gravierenden Eingriffs - im Zuge eines Einspruchsverfahrens gegen die genannte und durchgeführte Wahl durchzusetzen. Der Gefahr einer erneuten Verletzung - durch künftige bzw. wiederholende Wahlen - kann der Antragssteller als Adressat der streitgegenständlichen Normen nur durch [Ina]nspruchnahme der direkten Anfechtung der streitgegenständlichen Normen begegnen.
Zur Verdeutlichung wird auf den aktiven Wahlvorgang des Antragstellers verwiesen, aus dem sich bereits massive verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechts auf freie, geheime, unmittelbare Wahl ergeben.
...
c. Unzumutbarkeit eines and[e]ren Weges zur verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle
Als Adressat der §§61 bis 69 HSWO ... ist der Antragsteller
unmittelbar nachteilig betroffen. Die Möglichkeit des durch die Verordnung näher geregelten E-Votings verstößt gegen die einfachgesetzlichen Bestimmungen des §48 Hochschülerschaftsgesetzes, sowie gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrecht auf ein freies, persönliches und geheimes Wahlrecht.
Es besteht für den Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg, die Frage der Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit der §§61 bis 69 der angefochtenen Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Die Bekämpfung der §§61 bis 69 der Verordnung erst im Rahmen einer Wahlanfechtung beinhaltet das bewusste Inkaufnehmen einer Verletzung des im Artikel 8 StV von Wien und Artikel 3, 1[.] ZPEMRK geregelte verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrecht auf geheime und persönliche Wahl.
Es ist der Wahlbehörde für den Fall der neuerlichen Zulassung von E-Voting leicht erkennbar, wer mit E-Voting gewählt hat bzw. sein Wahlrecht vor Ort persönlich unmittelbar ausgeübt hat. Bereits dadurch ist der Antragsteller in seinem Grundrecht auf 'geheime' Wahl verletzt, da im Falle des E-Votings grundsätzlich eine
Überprüfbarkeit seines Wahlverhaltens ... für Dritte gegeben ist.
Es handelt sich bei dem allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrecht um einen Wesenskern des Bauprinzips der österreichischen Verfassung, dem demokratischen Prinzip. Jeder Verstoß oder Eingriff gegen das demokratische Prinzip in Form des Eingriffs in das geheime Wahlrecht stellt einen derart gravierenden Grundrechtseingriff dar, dass jegliche vorherige Beschreitung eines Instanzenzuges unzumutbar ist.
Unzumutbar für den Antragssteller ist es daher einen anderen Weg, als den eines Individualantrages an den Verfassungsgerichtshof zu beschreiten. Die Antragslegitimation ist daher gegeben."
3. Der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung erstattete eine Äußerung, in der er beantragt, den Antrag kostenpflichtig zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.
4. Der Antragsteller replizierte auf diese Äußerung.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:
1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
2. Es ist unerfindlich, inwiefern der Antragsteller in seiner Rechtssphäre berührt sein sollte, da doch die angefochtenen Bestimmungen keine Pflicht, sondern bloß die Möglichkeit statuieren via E-Voting zu wählen und durch das Gesetz weiterhin die Möglichkeit der konventionellen Wahl (Papierwahl) offen steht (vgl. dazu auch §48 Abs2 HSG 1998, der bestimmt, dass die Teilnahme an der Wahl mittels elektronischer Stimmabgabe freiwillig bleibt und die Stimmabgabe im Rahmen konventioneller Wahl weiterhin möglich sein muss, vgl. VfGH 10.12.2009, G165/09 ua.).
3. Der Antrag war somit schon aus diesem Grund - zur Frage der Anfechtung einer Novellierung anstelle der Verordnungsstelle selbst vgl. zB VfSlg. 17.363/2004 und VfGH vom 30.11.2007, V43/07 - mangels Antragslegitimation als unzulässig zurückzuweisen.
4. Die vom Bundesminister für Wissenschaft und Forschung begehrten Kosten waren nicht zuzusprechen, da Prozesskostenersatzansprüche in Verfahren gemäß Art139 B-VG nur für obsiegende Individualantragsteller vorgesehen sind (§61a VfGG).
5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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