VfGH B1874/08

VfGHB1874/089.6.2010

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Anordnung einer unentgeltlichen Grundabtretung an die Gemeinde Wien für den Ausbau einer Verkehrsfläche; öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung der Verkehrsflächenwidmung aufgrund der Baulandwidmung der fraglichen Grundstücke; keine Verpflichtung zur Aufhebung der Verkehrsflächenwidmung; Notwendigkeit der Erschließung der bebauten Grundstücke

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art2
StGG Art5
Wr BauO 1930 §13, §16, §17, §58
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art2
StGG Art5
Wr BauO 1930 §13, §16, §17, §58

 

Spruch:

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Schriftsatz vom 21. März 2008 beantragten die

Beschwerdeführer die Aufhebung der Bescheide des Besonderen Stadtamtes II vom 1. April 1935, Z B.St.A.II/46/12305/34, und des Magistrates der Stadt Wien vom 28. Juni 1952, Z M.Abt.64-3891/51, in Ansehung der jeweils die Liegenschaften der Einschreiter betreffenden Abtretungs- und Übergabeverpflichtungen. Mit dem Bescheid vom 1. April 1935 war den Rechtsvorgängern der Erstbeschwerdeführerin gemäß §17 Abs1 und 4 lita des Gesetzes vom 25. November 1929, womit eine Bauordnung für Wien erlassen wird (Bauordnung für Wien - in der Folge: WBO) anlässlich von Grundabteilungen vorgeschrieben worden, den im Abteilungsplan provisorisch mit 805/17 bezeichneten Grundstücksstreifen (im Ausmaß von 4 m) unentgeltlich und lastenfrei in das Verzeichnis des öffentlichen Gutes zu übertragen und über Auftrag der Baubehörde in der festgesetzten Höhenlage in den physischen Besitz der Stadt Wien zu übergeben. Mit dem Bescheid vom 28. Juni 1952 war anlässlich von Grundabteilungen eine gleichartige Verpflichtung zur Grundabtretung für den im Abteilungsplan vorläufig mit 807/7 bezeichneten (weiteren) Grundstücksstreifen (ebenfalls im Ausmaß von 4 m) auferlegt worden.

Zur Begründung des Antrags führten die Beschwerdeführer aus, Zweck der Grundstücksabtretung sei die Errichtung einer Straßenverbindung zwischen dem Himmelmutterweg und der Czartoryskigasse gewesen. Es seien keine Schritte gesetzt worden, um dieses Projekt zu verwirklichen. Es sei daher - nach fast 73 bzw. 56 Jahren - davon auszugehen, dass ein die Abtretungen und die gleichzeitig verfügten Verpflichtungen rechtfertigendes öffentliches Interesse nicht (mehr) bestehe. Daraus folge die Verpflichtung, das zweckverfehlt enteignete bzw. abgetretene Gut an die abtretenden Eigentümer bzw. deren Rechtsnachfolger zurückzustellen.

Mit Bescheid vom 29. Mai 2008 wies der Magistrat der Stadt Wien den Antrag gemäß §17 Abs1 in Verbindung mit §58 Abs2 WBO ab.

2. Mit Bescheid vom 14. Juli 2008 erteilte der Magistrat der Stadt Wien den Eigentümern der Liegenschaft EZ 2200, KG Dornbach, bestehend aus den Grundstücken 805/22 und 807/3, gemäß §17 Abs1 WBO den Auftrag, den vor dem Grundstück 807/3 im Zuge der Verkehrsfläche gelegenen, anlässlich der mit rechtskräftigem Bescheid genehmigten Grundabteilung in das öffentliche Gut übertragenen Straßengrundteil des Grundstückes 811/8 binnen einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Bescheides in den Besitz der Stadt Wien lastenfrei und geräumt zu übergeben.

Begründend wurde ausgeführt, dass gemäß §17 Abs1 WBO über Auftrag der Behörde der jeweilige Eigentümer des anliegenden Bauplatzes verpflichtet sei, die Grundfläche, die bereits im Zuge des seinerzeitigen Abteilungsverfahrens in das öffentliche Gut übertragen wurde, lastenfrei und geräumt der Stadt Wien zu übergeben. Die unbenannte Gasse westlich der Twarochgasse (SC 5853) sei durchgehend von der Twarochgasse bis zum Himmelmutterweg als Straßenbau entsprechend dem Projektsplan der MA 28 vom 29. Jänner 2008 projektiert, wobei in einer ersten Ausbaustufe bis zu den aktuell noch privaten Grundstücken derzeit eine Stichstraße ausgeführt werden solle, welche in Folge weiter ausgebaut werden solle und daher in der widmungsgemäßen Breite errichtet werde. Ein öffentliches Interesse bestehe insofern, als durch den Ausbau der Gasse westlich der Twarochgasse die anrainenden Liegenschaften allgemein und für jedermann besser als über einen Notweg und auch besser mit Einsatzfahrzeugen erreichbar seien.

3. Die Beschwerdeführer erhoben gegen beide Bescheide Berufung.

3.1. In der Berufung gegen den unter Punkt I.1. erwähnten Bescheid vom 29. Mai 2008 wiesen die Beschwerdeführer darauf hin, dass die Erstbeschwerdeführerin Gesamtrechtsnachfolgerin der durch die Bescheide vom 1. April 1935 und 28. Juni 1952 zur Abtretung verpflichteten damaligen Liegenschaftseigentümer sei. Die Zweit-, Dritt- und Viertbeschwerdeführer seien zu je 1/3 Anteilen Eigentümer der genannten Liegenschaft. Zweck der mit den genannten Bescheiden verfügten Grundabtretung sei die Errichtung einer Straßenverbindung, aus Sicht der Liegenschaft der Beschwerdeführer nach Westen bis zum Himmelmutterweg führend bzw. nach Osten bis zur Czartoryskigasse. Bis dato seien keinerlei Schritte gesetzt worden, um dieses Projekt zu verwirklichen. Es sei daher (nach fast 73 bzw. 56 Jahren) davon auszugehen, dass ein die Abtretungen und die gleichzeitig verfügten Verpflichtungen rechtfertigendes öffentliches Interesse nicht (mehr) bestehe. Mit diesem Vorbringen habe sich die erstinstanzliche Behörde nicht auseinandergesetzt. Ferner verweisen die Beschwerdeführer auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes betreffend die Unzulässigkeit der "Enteignung auf Vorrat".

3.2. In der Berufung gegen den unter Punkt I.2. dargestellten Bescheid vom 14. Juli 2008 rügten die Beschwerdeführer, dass das Berufungsverfahren hinsichtlich der Abweisung des Antrages auf Aufhebung der Bescheide vom 1. April 1935 und vom 28. Juni 1952 noch anhängig sei. Die Behörde hätte den Ausgang des Verfahrens abwarten müssen oder selbst über die Vorfrage entscheiden müssen. Außerdem bestehe kein öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung der Enteignung; vielmehr diene der Ausbau der Straße ausschließlich privaten Interessen der Eigentümer von drei benachbarten Liegenschaften an einer bequemeren Zufahrtsmöglichkeit. Zwei Liegenschaften seien über einen (2,60 bis 2,70 m breiten) Servitutsweg aufgeschlossen, eine Liegenschaft über einen (3 m breiten) Notweg. Stünde hinter dem Ausbauvorhaben ein öffentliches Interesse, möglichst viele Liegenschaften unmittelbar an das Straßennetz anzubinden, dann wäre der Ausbau nicht bloß in einer ersten Stufe, sondern unter Ausnützung der bereits abgetretenen Flächen geplant. Die seit Erlassung der Abtretungsbescheide ungenutzt verstrichene Zeit zeige, dass die der seinerzeitigen Planung zugrunde gelegte Entwicklungsprognose falsch gewesen sei. Die Beibehaltung einer derart als verfehlt erkannten Planung würde die Perpetuierung ihrer bisherigen Ineffizienz bedeuten, woraus folge, dass eine entsprechende Änderung der Planung unerlässlich und aus wichtigen Rücksichten erforderlich sei. Die Aufrechterhaltung des die Abtretungen bedingenden Flächenwidmungsplanes wäre gesetzwidrig.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde

I. die Berufung gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 29. Mai 2008 als unbegründet ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid und

II. die Berufung gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 14. Juli 2008 als unbegründet ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe, dass der Spruch des Bescheides geringfügig abgeändert wurde.

4.1. In der Begründung zum Spruchpunkt I. wurde zunächst auf die Bestimmungen der §§17 Abs1 und 58 Abs2 litd WBO hingewiesen und Folgendes ausgeführt: Wie sich aus dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Plandokument 6717 ergebe, sei als Verbindung zwischen der Twarochgasse und dem Himmelmutterweg, südlich der Liegenschaft der Beschwerdeführer verlaufend, eine öffentliche Verkehrsfläche vorgesehen. Der Abstand der Baulinien betrage 8,00 m.

Die im Bescheid des Besonderen Stadtamtes II vom 1. April 1935 und im Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 28. Juni 1952 vorgeschriebenen Abtretungen seien in ihrem Ausmaß unbestritten nicht größer als das Ausmaß der zu Verkehrsflächen abzutretenden Grundflächen, wie es sich nach dem nunmehr in Geltung stehenden Bebauungsplan ergeben würde. Ein Anspruch auf Entschädigung für eine Mehrleistung gemäß §58 Abs2 litd WBO komme den Beschwerdeführern nicht zu.

Dem Argument der Beschwerdeführer, es sei eine verfassungsrechtlich unzulässige "Enteignung auf Vorrat" erfolgt, entgegnete die belangte Behörde, dass "seitens der Magistratsabteilung 28" bereits konkrete Schritte zur Herstellung der im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan vorgesehenen Verkehrsfläche (vorerst in einem Teilabschnitt) gesetzt worden seien. Ein Baubeginn sei im Sommer 2008 geplant gewesen. Schließlich wies die belangte Behörde auch auf einen Beschluss der Bezirksvertretung zum Ausbau der Verkehrsfläche im vorgesehenen Bereich hin.

4.2. In der Begründung zum Spruchpunkt II. wird ausgeführt, dass für die belangte Behörde sehr wohl ein öffentliches Interesse an der Herstellung der Verkehrsfläche erkannt werden könne. Selbst wenn bereits ein Notweg sowie ein Servitutsweg bestünden, sei eine Verbesserung der Erreichbarkeit der an der Verkehrsfläche anrainenden Liegenschaften evident; dies insbesondere im Lichte der Breite des Servitutsweges von 2,60 bis 2,70 m bzw. des Notweges von ca. 3,00 m. Ein Wenden von Fahrzeugen, insbesondere Einsatzfahrzeugen, sei bei dieser Fahrbahnbreite ausgeschlossen. In einer ersten Ausbaustufe solle die Verkehrsverbindung von der Twarochgasse zum Himmelmutterweg nur als Stichstraße von der Twarochgasse ausgeführt werden. Dies vermöge jedoch nichts an der Zweckmäßigkeit dieses Teilprojektes zu ändern, zumal seitens der Magistratsabteilung 28 bereits ein Plan für die gesamte Verbindung zwischen Twarochgasse und Himmelmutterweg vorliege. Der Auftrag zur Herstellung der Höhenlage und Übergabe fuße auf dem Beschluss des Finanzausschusses der Bezirksvertretung für den

17. Bezirk vom 18. Juni 2008, mit dem die erforderlichen Kosten für die Herstellung der Verkehrsfläche genehmigt worden seien.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (konkret: des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes Plandokument 6717) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

5.1. Hinsichtlich der behaupteten Verletzung ihres verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) bringen die Beschwerdeführer - wie schon im Verwaltungsverfahren - zu Spruchpunkt I. vor, dass ein das Straßenbauvorhaben und damit die Enteignung rechtfertigendes öffentliches Interesse nicht vorliege, da insbesondere der ursprüngliche Zweck der Enteignung nicht verwirklicht werde und der beabsichtigte Ausbau ausschließlich den privaten Interessen der benachbarten Liegenschaftseigentümer diene.

Der Ausbau der Verkehrsfläche erfolge - von der Twarochgasse aus - nur bis zu den Liegenschaften 811/4 und 811/11, 811/5 und 811/10 sowie 805/9 und 807/4. Die vier erstgenannten Grundstücke seien bereits derzeit über eine durch eine Servitut gesicherte Zufahrt von der Gerhard-Fritsch-Gasse her erreichbar; das Grundstück 805/9 über eine als Notweg eingeräumte Zufahrt von der Twarochgasse aus. Aus der Unterlage, die den geplanten Ausbau der Verkehrsfläche darstelle, ergebe sich, dass lediglich der Verkehrsflächenteil der Grundstücke 803/12 und 803/15 zur Gänze ausgebaut würde. Hingegen werde der Verkehrsflächenteil des Grundstückes 811/8 nur entlang der Grundstücke 803/5, 807/3 und 809/5 bzw. 803/6, 805/9, 807/4 und 809/7 zur Gänze ausgebaut. Bei den Grundstücken 811/4 und 811/5 werde der Ausbau nur in der Länge des bestehenden Servitutswegs geplant. Offenbar sollten im Rahmen des geplanten Ausbaues die Eigentümer der genannten Grundstücke - ohne jeglichen aus Sicht öffentlicher Interessen erkennbaren Grund - "geschont" werden.

Das geplante Straßenstück sei lediglich von einer Seite her, nämlich über die Twarochgasse, erreichbar; diese weise eine Breite von bloß 4 m auf und ende ebenfalls als Sackgasse. Die Verbreiterung der Twarochgasse auf ein dem nunmehr projektierten Straßenstück entsprechendes Maß sei mangels dafür zur Verfügung stehenden öffentlichen Gutes ausgeschlossen. Das projektierte Straßenstück stelle zwar vorgeblich einen Teil eines als "Unbenannte Gasse Himmelmutterweg - Twarochgasse" bezeichneten Projektes dar. Der Ausbau umfasse aber einerseits nicht einmal den zur Gänze abgetretenen, von der Twarochgasse erreichbaren öffentlichen Grund. Andererseits erstrecke sich die "Unbenannte Gasse Himmelmutterweg - Twarochgasse" über mehrere Grundstücke, die sämtliche im privaten Eigentum stünden. Bisher seien Maßnahmen zur Überführung in öffentliches Gut, wie Abtretungsverhandlungen oder Enteignungsverfahren, nicht einmal ansatzweise begonnen worden. Die Umsetzung des Projekts "Unbenannte Gasse Himmelmutterweg - Twarochgasse" werde offensichtlich auch gar nicht ernsthaft versucht.

Angesichts der Lage des geplanten Straßenstückes als "Insel" seien öffentliche Interessen - wie etwa verkehrsstrategische Hintergründe - nicht erkennbar.

Daraus folge, dass der öffentliche Zweck, zu dessen Verwirklichung das Gesetz eine Enteignungsmöglichkeit vorgesehen habe und zu dessen Verwirklichung die Abtretungsbescheide ursprünglich erlassen worden seien, tatsächlich nicht verwirklicht werde, sodass die Aufrechterhaltung der Enteignung verfassungsrechtlich unzulässig sei. Dem daraus resultierenden Rückübereignungsanspruch stehe auch der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan nicht entgegen.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides weisen die Beschwerdeführer darauf hin, dass unklar bleibe, welche "anrainenden Liegenschaften" erschlossen würden und inwieweit eine Verbesserung der Erreichbarkeit bewirkt werden solle. Indem die belangte Behörde sich darauf stütze, dass nur jene Flächen in Anspruch genommen werden müssten, die für den Straßenausbau benötigt würden, gleichzeitig aber gerade solche Flächen nicht in Anspruch genommen werden sollten, die eine längere Ausführung des Ausbaustückes in Richtung Himmelmutterweg ermöglichen würden, ergebe sich daraus, dass das projektierte Straßenstück eben nicht der Schaffung einer Verbindung zwischen Twarochgasse und Himmelmutterweg dienen solle, sondern nur der Zufahrt bis zu den Liegenschaften 811/4 und 811/5.

Weiters wird vorgebracht, dass die Existenz eines Finanzierungsbeschlusses grundsätzlich nicht geeignet sei, ein die Enteignung rechtfertigendes öffentliches Interesse zu begründen.

5.2. Hinsichtlich der behaupteten Verletzung ihres verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) werfen die Beschwerdeführer der belangten Behörde Willkür vor, rügen Verfahrensmängel, wie die unvollständige Vorlage des erstinstanzlichen Aktes und das Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, und erblicken ein "fundamentales" Verkennen der Rechtslage durch die belangte Behörde.

5.3. Schließlich behaupten die Beschwerdeführer die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (des dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes). Wenn ein Grundstück, das als Verkehrsfläche ausgewiesen sei, durch Jahrzehnte hindurch nicht ausgebaut werde, bestehe nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Pflicht zur Änderung des Flächenwidmungsplanes. Selbst wenn es an einer gesetzlich bestimmten Frist für die Verwirklichung von im öffentlichen Interesse liegenden Vorhaben fehle, dürfe eine Widmung für öffentliche Zwecke nicht eine unbegrenzte Zeit dauern. Angesichts der ohne Umsetzung dieser Widmung verstrichenen Zeit von zumindest 73 Jahren sei von einer Pflicht zur entsprechenden Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes auszugehen.

6. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten sowie die Unterlagen betreffend das Zustandekommen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes Plandokument 6717 vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Zunächst weist die belangte Behörde darauf hin, dass die bislang als "Unbenannte Gasse Himmelmutterweg - Twarochgasse" bezeichnete Verkehrsfläche am 7. Oktober 2008 durch den Gemeinderatsausschuss für Kultur und Wissenschaft als "Marie-Jahoda-Gasse" benannt wurde. Die Marie-Jahoda-Gasse erstrecke sich vom Himmelmutterweg über die Twarochgasse hinaus bis zur Czartoryskigasse.

Es sei richtig, dass die genannte Straßenverbindung bereits jahrzehntelang in Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen enthalten sei. Es entspreche jedoch nicht den Tatsachen, dass bislang keine Schritte gesetzt worden seien, das Straßenprojekt zu verwirklichen. Zwischen Himmelmutterweg und Twarochgasse seien bereits zu einem überwiegenden Teil Abtretungen in das öffentliche Gut erfolgt. Von den 27 Liegenschaften, die an der Marie-Jahoda-Gasse zwischen Himmelmutterweg und Twarochgasse liegen würden, würden nur noch sieben Abtretungen fehlen. An den übrigen Liegenschaften hätten bereits entsprechende Abteilungen stattgefunden.

Ebenso seien zahlreiche Bauplätze geschaffen worden. Gemäß §16 Abs1 WBO müssten Bauplätze unmittelbar an eine vorgesehene öffentliche Verkehrsfläche angrenzen. Eine Auflassung der Widmung der Marie-Jahoda-Gasse und somit ein Abkappen der bereits geschaffenen Bauplätze von einem Anschluss an das öffentliche Gut zöge den Verlust der Bauplatzqualifikation und sohin ein Bauverbot nach sich. Auch die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer wären im Fall der Auflassung der Widmung der Marie-Jahoda-Gasse von diesen Konsequenzen betroffen, da ihre Liegenschaft an keiner anderen Stelle an das öffentliche Gut angrenze. Zivilrechtliche Rechtsinstitute, wie Notwege oder Servitute, würden für die Bauplatzschaffung nicht ausreichen.

Es stelle sich im Falle einer Auflassung der Verkehrsfläche auch die Frage, wie mit den betroffenen Flächen umgegangen werden sollte. Wenn die Möglichkeit zur Schaffung von Bauplätzen mangels Anschlusses an das öffentliche Gut entfalle und trotzdem weiterhin Bauland ausgewiesen bliebe, so wären die Grundflächen von den benachbarten Bauplätzen einzubeziehen.

Mit Beschluss des Finanzausschusses der Bezirksvertretung für den 17. Bezirk vom 18. Juni 2008 seien die erforderlichen Kosten für den "Ausbau der unbenannten Gasse von der Twarochgasse ca. 60m in Richtung Himmelmutterweg" genehmigt worden.

Der Behauptung der Beschwerdeführer, der beabsichtigte Ausbau diene ausschließlich privaten Interessen an einer bequemeren Zufahrtsmöglichkeit von vier Liegenschaftseigentümern, die ohnehin bereits über eine Zufahrt verfügten, entgegnet die belangte Behörde Folgendes: Abgesehen davon, dass Notwege und Servitute nicht als Anschluss an das öffentliche Gut angesehen werden könnten, weise der Notweg lediglich eine Breite von 2,60 bis 2,70 m auf. Die Erreichbarkeit der Liegenschaften über eine die üblichen Maße aufweisende Straßenverbindung liege schon auf Grund der besseren Zufahrt mit Einsatzfahrzeugen im öffentlichen Interesse. Bei einer Fahrbahnbreite von 5 m und einer Gesamtbreite der Verkehrsfläche von 8 m könne beispielsweise ein Rettungswagen wenden. Die Twarochgasse weise im Bereich zwischen Gerhard-Fritsch-Gasse und Marie-Jahoda-Gasse eine Breite von nur 4 m auf, sodass auf Grund der fehlenden Wendemöglichkeit über die ganze Strecke - welche im Übrigen abschüssig sei - reversiert werden müsse. Dazu komme, dass die geplante Stichstraße von der Twarochgasse Richtung Westen, für die nunmehr die Finanzmittel genehmigt worden seien, lediglich die erste Ausbaustufe der Marie-Jahoda-Gasse darstelle, sodass nicht von einem Privatinteresse einiger weniger Liegenschaftseigentümer gesprochen werden könne.

Dem Argument der Beschwerdeführer, es sei nicht einzusehen, weshalb der Ausbau die Liegenschaften 811/4 und 811/5 nur zu einem geringen Teil treffe, entgegnet die belangte Behörde, dass diese Liegenschaften die letzten im Zuge des vorerst projektierten Straßenverlaufes seien. Die vollständige Übergabe des Trassengrundes vor den beiden Liegenschaften würde erst bei einem weiteren Ausbauschritt einen zusätzlichen "Aufschließungsgewinn" erbringen.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführer, eine verfassungskonforme Interpretation der WBO verbiete die Annahme einer abschließenden Regelung der Rückübereignung, sodass Art5 StGG unmittelbar anzuwenden sei, entgegnet die belangte Behörde, dass mangels Wegfalles des öffentlichen Interesses an der Herstellung der im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan festgesetzten Verkehrsfläche und der zwischenzeitlich eingeleiteten Schritte zur Realisierung des Straßenprojektes kein Widerspruch der Verweigerung der Rückstellung und des Auftrages zur Übergabe in den physischen Besitz der Stadt Wien auszumachen sei.

Zur behaupteten Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes gibt die belangte Behörde zu, dass eine Pflicht zur Abänderung des Flächenwidmungsplanes bestehe, wenn ein Grundstück, das als Verkehrsfläche ausgewiesen sei, durch Jahrzehnte hindurch nicht als solche ausgebaut werde. Die nunmehr vorgenommenen Schritte (Aufträge zur Übergabe in den physischen Besitz der Stadt Wien, Finanzierungsbeschluss, technische Detailplanung und Benennung der Straße) ließen jedoch keinen Zweifel daran, dass der tatsächliche Ausbau unmittelbar bevorstehe. Im Übrigen würden die zahlreichen Straßengrundabtretungen im künftigen Verlauf der Verkehrsfläche davon zeugen, dass über die Jahrzehnte die Verwirklichung des Straßenprojektes verfolgt worden sei. In diesem Sinne spreche auch der Vorlagebericht nach Abschluss des Verfahrens gemäß §2 WBO zur Festsetzung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes Plandokument 6717 davon, dass einige Straßenzüge, zu denen auch die Marie-Jahoda-Gasse zu zählen sei, die zwar als Verkehrsfläche gewidmet, aber erst teilweise ausgebaut seien, auf Grund der bereits bestehenden Rechtsansprüche (Bauplatzschaffungen) weiterhin ausgewiesen werden sollten.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. §13 Abs1 und 2 lita und b, §16 Abs1, §17 Abs1, 2, 4, 6, 7 und 8 sowie §58 Abs2 litd WBO, LGBl. 11/1930 idF LGBl. 41/2008, lauteten:

"Abteilung

§13. (1) Abteilungen sind Veränderungen im Gutsbestand eines Grundbuchskörpers durch Ab- oder Zuschreibung von Grundstücken oder Teilen von Grundstücken. Abteilungen sind bewilligungs- oder anzeigepflichtig.

(2) Bewilligungspflichtig ist:

a) Die Schaffung eines oder mehrerer Bauplätze, eines oder mehrerer Baulose, eines oder mehrerer Kleingärten oder eines oder mehrerer Teile von solchen, gleichgültig, ob dies ausdrücklich beantragt wird oder aus der Gestalt und Größe der Trennstücke oder aus sonstigen Gründen angenommen werden kann, daß die Schaffung von Bauplätzen, Baulosen, Kleingärten oder Teilen von solchen beabsichtigt ist; diese Absicht ist jedenfalls anzunehmen, wenn in derselben Grundbuchseinlage oder von demselben Grundeigentümer oder in der nächsten Umgebung solche Abteilungen bereits durchgeführt und Bauwerke oder Kleingärten, sei es mit oder ohne baubehördlicher Bewilligung, hergestellt worden sind oder wenn von bisher land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken dienenden Grundflächen eine oder mehrere Grundflächen geschaffen werden, die sich nach Gestalt und Größe für diese Zwecke offenbar nicht mehr eignen;

b) die Veränderung (Abs1) eines Bauplatzes, eines Bauloses, eines Kleingartens oder von Teilen von solchen oder einer sonstigen bebauten Liegenschaft;

...

Beurteilung des Abteilungsvorhabens

§16. (1) Bei Schaffung und Veränderung von Bauplätzen, Baulosen oder Kleingärten oder Teilen von solchen (§13 Abs2 lita und b) sind die Bestimmungen des Bebauungsplanes einzuhalten. Bauplätze müssen unmittelbar, Baulose unmittelbar oder mittelbar über Aufschließungswege an eine vorgesehene öffentliche Verkehrsfläche angrenzen und eine solche Gestalt und Größe erhalten, daß auf ihnen und auf den angrenzenden Liegenschaften den Anforderungen dieses Gesetzes und des Bebauungsplanes entsprechende Gebäude errichtet werden können. Bleiben bei der Schaffung der Bauplätze oder Baulose einzelne oder in ihrer Summe selbständig nicht bebaubare Restflächen bestehen (Ergänzungsflächen), ist der Antragsteller verpflichtet, diese Ergänzungsflächen in seinen beabsichtigten Bauplatz oder in sein beabsichtigtes Baulos einzubeziehen, und der Eigentümer dieser Flächen verpflichtet, sie gegen Entschädigung abzutreten. Diese Flächen müssen dann nicht oder nicht zur Gänze vom Antragsteller einbezogen werden, wenn ihre Einbeziehung in einen künftig zu schaffenden Bauplatz oder in ein künftig zu schaffendes Baulos sichergestellt ist. Soweit nach den Bestimmungen des Bebauungsplanes Gebäude an die seitlichen Grundgrenzen anzubauen sind, muß möglichst rechtwinkelig an diese Grundgrenzen angebaut werden können.

...

Grundabtretungen zu Verkehrsflächen bei Abteilungenim Bauland

§17. (1) Bei Abteilung einer Grundfläche auf Bauplätze, Baulose oder Teile von solchen (§13 Abs2 lita und b) sind die nach Maßgabe der Baulinien zu den Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen bei beiderseitiger Bebauungsmöglichkeit bis zur Achse der Verkehrsfläche, bei einseitiger Bebauungsmöglichkeit bis zur ganzen Breite der Verkehrsfläche, in beiden Fällen aber nur bis zu 20 m, senkrecht zur Baulinie und von dieser aus gemessen, gleichzeitig mit der grundbücherlichen Durchführung satz- und lastenfrei in das öffentliche Gut zu übertragen; eine Belastung durch Verpflichtungen, die der Herstellung, Erhaltung und Benützung öffentlicher Aufschließungsleitungen oder Zwecken des öffentlichen Verkehrs dienen, hindert die Übertragung in das öffentliche Gut nicht. Bei Bruchpunkten und bei Eckbildungen erstrecken sich diese Verpflichtungen auch auf die zwischen den Senkrechten gelegenen Grundflächen. Sind in den in das öffentliche Gut zu übertragenden Grundflächen Versorgungs- oder Entsorgungsleitungen für benachbarte Liegenschaften verlegt, hindern diese, sofern nicht öffentliche Interessen entgegenstehen, die Übertragung der Grundflächen in das öffentliche Gut nicht und können bis zur Herstellung der öffentlichen Versorgungs- oder Entsorgungsleitungen belassen werden. Über Auftrag der Behörde ist der jeweilige Eigentümer (Miteigentümer) des anliegenden Bauplatzes oder Bauloses bzw. eines Teiles von solchen weiters verpflichtet, diese Grundflächen lastenfrei und geräumt der Stadt Wien zu übergeben; bis zur Übergabe steht dem jeweiligen Eigentümer (Miteigentümer) des anliegenden, mit der Übergabeverpflichtung belasteten Bauplatzes, Bauloses bzw. eines Teiles von solchen das Nutzungsrecht zu. Grundflächen, die bebaut sind, dürfen nicht ins öffentliche Gut übertragen werden. Die Abtretungsverpflichtung entfällt, wenn eine im Eigentum eines Dritten stehende Grundfläche gegen Entschädigung (Abs5) abzutreten wäre.

(2) Die über das obige Ausmaß zu den Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen sind über Auftrag der Behörde an die Gemeinde in der bestehenden Höhenlage abzutreten und ihr zu übergeben.

...

(4) Soweit die Verpflichtung zur Übertragung in das öffentliche Gut gemäß Abs1 besteht, sind hiebei entlang der Baulinien unbeschadet des Abs5 unentgeltlich abzutreten:

a) alle zu den neuen Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen, wobei als neue Verkehrsflächen solche anzusehen sind, an die nach Maßgabe des festgesetzten Bebauungsplanes erstmals angebaut werden soll,

b) die zur Verbreiterung bestehender Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen bei Abteilung einer Grundfläche, die bisher unbebaut war und als Bauplatz beziehungsweise als Baulos noch nicht behördlich genehmigt worden ist.

...

(6) Über Auftrag der Behörde ist auf den nach Abs1 und 4 in das öffentliche Gut übertragenen Grundflächen die festgesetzte Höhenlage vermindert um das Maß der Tiefe des jeweiligen Körpers der Verkehrsfläche herzustellen. Mit diesem Auftrag ist diese Höhenlage von der Behörde bekanntzugeben. Die Höhenlageherstellung hat auf Grundflächen, die unentgeltlich in das öffentliche Gut zu übertragen sind, auf Kosten des Verpflichteten zu erfolgen; darüber hinaus steht dem Verpflichteten ein angemessener Kostenersatzanspruch gegen die Gemeinde zu. Wenn die Herstellung der Höhenlage eine Anschüttung erfordert, ist zweckentsprechendes Material zu verwenden und dieses sachgemäß zu verdichten. Die Herstellung der Höhenlage ist so vorzunehmen, daß der Anschluss zu den anliegenden Grundstücken auf diesen in geeigneter Form (Böschungen, Stützmauern, Futtermauern u. ä.) so hergestellt wird, daß bei widmungsgemäßer Benützung der Verkehrsflächen und der anliegenden Grundflächen die auf diese wirkenden Kräfte in den Boden ohne Senkungen in einem technisch nicht vertretbaren Ausmaß abgeleitet werden. Die Höhenlage von Trennstücken der Aufschließungswege in Gartensiedlungsgebieten ist unter möglichster Anpassung an die Höhenlage der angrenzenden Teilflächen der Baulose einheitlich so herzustellen, zu befestigen und zu erhalten, daß die Aufschließungswege gefahrlos benützt werden können; im übrigen gelten die Bestimmungen für die Herstellung der Höhenlage von Verkehrsflächen im öffentlichen Gut.

(7) Bei Erteilung des Auftrages zur Übergabe der Verkehrsflächen kann der zur Herstellung der Höhenlage Verpflichtete verlangen, daß die Gemeinde auf seine Kosten die Höhenlage herstellt.

(8) Aus verkehrs- und bautechnischen Gründen kann die Behörde bestimmen, dass die Höhenlage von der Gemeinde selbst hergestellt wird; in diesem Falle hat der Verpflichtete der Gemeinde die Herstellungskosten zu ersetzen.

Besondere Bestimmungen bei Änderung des Bebauungsplanesdurch Verschmälerung, Verbreiterung, Auflassung oderÄnderung der Verkehrsfläche

§58. ...

(2) Sind anläßlich einer Abteilungsbewilligung Grundflächen zu Verkehrsflächen unentgeltlich abgetreten worden, treten bei Änderung des Bebauungsplanes folgende Rechtswirkungen ein:

...

d) Der Eigentümer eines Bauplatzes oder Bauloses hat nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Anspruch auf Entschädigung für die Mehrleistung, die dadurch entstanden ist, dass das Ausmaß der zu Verkehrsflächen unentgeltlich abgetretenen Grundflächen bzw. solcher, für die eine Geldleistung gemäß §17 Abs4a entrichtet wurde, nach dem zur Zeit der Abtretung in Geltung gestandenen Bebauungsplan größer war, als es sich nach dem neuen Bebauungsplan ergeben würde. Müssen für Verkehrsflächen seinerzeit unentgeltlich abgetretene Grundflächen bzw. solche, für die eine Geldleistung gemäß §17 Abs4a entrichtet wurde, nach der neuen Baulinie als Baugrund einbezogen werden, sind diese Flächen im Ausmaß der seinerzeitigen Mehrleistung unentgeltlich und von oberirdischen Bauwerken geräumt zurückzustellen. Für die über dieses Ausmaß zum Bauplatz oder Baulos einzubeziehenden Grundflächen hat der Eigentümer dieses Bauplatzes bzw. Bauloses Entschädigung in der Höhe des vollen Grundwertes zu leisten. Fällt die seinerzeit gegenüber der neuen Verpflichtung zuviel abgetretene Grundfläche nicht in den Bauplatz oder in das Baulos, hat die Gemeinde an den Eigentümer des Bauplatzes oder Bauloses, von dem die Grundflächen seinerzeit unentgeltlich abgetreten worden sind, Geldentschädigung in der Höhe des vollen Grundwertes zu leisten. Diese Ansprüche stehen jedoch nur zu, wenn zur Zeit der Beschlußfassung über die Änderung des Bebauungsplanes dreißig Jahre seit der Abschreibung und Übergabe des Straßengrundes noch nicht verstrichen sind.

..."

2. Aus den vorgelegten Akten ergibt sich folgende Widmungsgeschichte:

Im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Plandokument 80 (1930) war südlich des Baublocks 11 (in dessen Bereich die Grundstücke der Beschwerdeführer liegen) eine 8 m breite "Gasse 5" mit einer 4,50 m breiten Fahrbahn und 1,75 m breiten Gehsteigen von der 4 m breiten Gasse 7 (nunmehr Twarochgasse) bis zum 8 m breiten Fußweg (nunmehr Himmelmutterweg) festgelegt.

In den Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen Plandokumente 2290 (1952) und 5770 (1985) wurde die südlich der Grundstücke der Beschwerdeführer festgelegte 8 m breite Verkehrsfläche von der Twarochgasse zum Himmelmutterweg beibehalten. Gleiches gilt für den dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Plandokument 6717 (1998).

3. Soweit die Beschwerdeführer die Verletzung ihres verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) infolge zweckverfehlender Enteignung sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes Plandokument 6717) behaupten, ist einerseits zu prüfen, ob das öffentliche Interesse an der Errichtung einer Verkehrsfläche weggefallen ist, und andererseits, ob der Verwirklichungszeitraum für die Planung und den Bau der Straße unter dem Aspekt des verfassungsgesetzlichen Eigentumsschutzes noch angemessen ist:

3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in VfSlg. 13.744/1994 näher ausgeführt, dass "auf den Wegfall des öffentlichen Interesses an der Errichtung einer Verkehrsfläche mit einer entsprechenden Widmungsänderung zu reagieren ist" und dass "[e]ine

Widmung als Verkehrsfläche ... also nur insoweit und nur solange

gesetzmäßig [ist], als der die Enteignung rechtfertigende Zweck gegeben ist".

Fehlt es - wie in der WBO - an einer gesetzlich festgelegten Frist für die Verwirklichung im öffentlichen Interesse geplanter Vorhaben (wie Verkehrsflächen), so hat es der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 13.744/1994 aber als für die Verwirklichung einer Verkehrsflächenplanung "denkbar" bezeichnet, dass "in manchen -

durchaus nicht vernachlässigbaren - Fällen, wie ... bei ...

Enteignungen", die mehr als 30 Jahre zurücklagen, "die Frist zur Verwirklichung des Enteignungszweckes länger dauern kann, ohne daß dies sachwidrig wäre". Unter Heranziehung der vom EGMR (Fall Sporrong-Lönnroth, EuGRZ 1983, 523 f.) angestellten, unter dem Aspekt des verfassungsgesetzlichen Eigentumsschutzes vorgetragenen Überlegungen hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 13.820/1994 zwar festgehalten, dass eine Verkehrsflächenwidmung ohne entsprechende Verwirklichungsmaßnahmen "nicht eine unbegrenzt lange Zeit dauern" darf. Er hat dabei die Angemessenheit des Verwirklichungszeitraumes für die nähere Planung oder den Bau der Verkehrsfläche danach beurteilt, ob der dafür benötigte Zeitraum "der Größe, der Kompliziertheit und Kostenintensität" des Verkehrsvorhabens entspricht (vgl. VfSlg. 14.969/1997).

Dementsprechend erachtete der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 11.845/1988 eine seit acht Jahren bestehende, in VfSlg. 13.820/1994 eine Verkehrsflächenwidmung von zehn Jahren als unbedenklich, wiewohl die betreffende Widmung - noch - nicht in die Wirklichkeit umgesetzt worden war. Umgekehrt hob der Gerichtshof in VfSlg. 11.849/1988 eine beinahe drei Jahrzehnte dauernde Sonderflächenwidmung für Verkehrszwecke (auch im Hinblick auf die Zehnjahresfrist des §16 TROG 1972) und in VfSlg. 14.043/1995 eine seit beinahe 17 Jahren für öffentliche Zwecke gemäß §18 Vbg. RPG 1973 ausgesprochene Vorbehaltsflächenwidmung (auch auf Grund der dafür im §18 Abs1 leg.cit. vorgesehenen 15 Jahre-Maximalfrist) als gesetzwidrig auf, wobei der Gerichtshof auch ausdrücklich den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz seinen Überlegungen zugrunde legte. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass in dem dem Erkenntnis VfSlg. 14.043/1995 zugrunde liegenden Verfahren eine Reihe von Grundstücken zur Gänze als "Vorbehaltsfläche - öffentliches Grün/Stellfläche/Sport", in dem dem Erkenntnis VfSlg. 11.849/1988 zugrunde liegenden Verfahren eine Liegenschaft zum Großteil als Verkehrsfläche gewidmet und insofern mit einem "Bauverbot" belegt waren. Im Erkenntnis VfSlg. 13.888/1994 hob der Verfassungsgerichtshof einen Regulierungsplan der Stadt Linz auf, weil zwischen der Grundabtretung und der rechtskräftigen Ablehnung der Rückstellung 44 Jahre verstrichen waren. Allerdings kam dazu, dass die seinerzeitige Straßenplanung zum Zeitpunkt der Ablehnung der Rückstellung nicht mehr als aktuell anzusehen war.

Im Erkenntnis VfSlg. 16.838/2003 erachtete der Verfassungsgerichtshof den Ausbau einer Verkehrsfläche für notwendig, obwohl seit der Grundabtretung bis zur Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Bauoberbehörde, mit dem der Antrag auf Rückstellung eines abgetretenen Teilstücks abgewiesen worden war, 23 Jahre verstrichen waren.

3.2. Mit dem Bescheid über die Genehmigung von Grundabteilungen vom 1. April 1935 wurden entlang des als provisorisches Grundstück 805/17 bezeichneten Teiles der Verkehrsfläche drei Bauplätze geschaffen, und zwar die Bauplätze IV (provisorisches Grundstück 805/8), V (provisorisches Grundstück 805/20) und VII (provisorisches Grundstück 805/9). Ein Ausbau der Verkehrsfläche bloß über zwei bzw. drei Bauplatztiefen mit den Grundstücken 803/12 (öffentliches Gut) und der abzutretenden Teilfläche 805/17 war zu diesem Zeitpunkt noch nicht erforderlich.

Mit dem Bescheid über die Genehmigung von Grundabteilungen vom 28. Juni 1952 wurden entlang des als provisorische Grundstücke 807/7 und 809/9 bezeichneten Teiles der Verkehrsfläche die Bauplatzteile 2 (provisorisches Grundstück 807/3), 3 (provisorisches Grundstück 807/4), 5 (provisorisches Grundstück 809/5) und 6 (provisorisches Grundstück 809/6) geschaffen. Durch die Abtretung der Teile der Verkehrsfläche (provisorische Grundstücke 807/7 und 809/9) waren in Verbindung mit dem in das öffentliche Gut abgetretenen Grundstück 811/8 bereits zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für den Ausbau der Marie-Jahoda-Gasse in dem von der Bezirksvertretung genehmigten Ausmaß gegeben.

3.3. Zutreffend bejaht die belangte Behörde das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan festgelegten öffentlichen Verkehrsfläche damit, dass gemäß §16 Abs1 WBO Bauplätze unmittelbar an eine vorgesehene öffentliche Verkehrsfläche angrenzen müssen. Die Beibehaltung der Widmungsart "Bauland - Wohngebiet" sowohl auf den Grundstücken der Beschwerdeführer (807/3 und 805/22) als auch auf den Grundstücken 805/9, 807/4, 809/7, 809/5, 809/12, 811/4, 811/11, 814/8, 811/5 und 811/10 erfordert den unmittelbaren Anschluss an eine öffentliche Verkehrsfläche. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass bis zur Herstellung der Verkehrsfläche die Zufahrt teilweise über in das öffentliche Gut abgetretene, aber noch nicht übergebene Grundstücksteile sowie über Servitutswege und Notwege erfolgt. Solange also die Wohnbaulandwidmung beibehalten wird, besteht auch weiterhin ein öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung der planerischen Festlegung der Verkehrsfläche, die nunmehr als Marie-Jahoda-Gasse benannt wurde und von der Twarochgasse zum Himmelmutterweg verläuft (vgl. VfSlg. 16.838/2003).

Eine Verpflichtung zur Aufhebung der Verkehrsflächenwidmung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die grundsätzliche Möglichkeit zum Ausbau der Marie-Jahoda-Gasse seit über 50 Jahren besteht: Für die durch diese Verkehrsflächenwidmung ausgelöste und für die Grundstücke der Beschwerdeführer über 50 Jahre andauernde Eigentumsbeschränkung ergibt sich ihre verfassungsrechtlich notwendige Angemessenheit daraus, dass die in §17 Abs1 und 4 WBO begründete Grundabtretungsverpflichtung in Anbetracht ihres gesetzlich beschränkten Ausmaßes und des gemäß §17 Abs1 WBO dem Eigentümer bis zur Übergabe zustehenden Nutzungsrechtes an der abzutretenden Grundfläche keinen besonderen, hinsichtlich seiner Schwere etwa mit einer Enteignung des gesamten Grundstückes vergleichbaren Eigentumseingriff bildet, sodass diese Verkehrsflächenwidmung und die daraus folgende - begrenzte - Grundabtretungsverpflichtung auch im Hinblick auf die Notwendigkeit einer langjährigen, vorausschauenden Verkehrsplanung von den an die geplante Verkehrsfläche angrenzenden Grundeigentümern hinzunehmen ist (vgl. VfSlg. 14.969/1997, Nichtverwirklichung des Widmungszwecks innerhalb von 12 Jahren, VfSlg. 16.838/2003, Nichtverwirklichung des Widmungszwecks innerhalb von 23 Jahren).

Die Tatsache, dass nunmehr nur ein Teil der öffentlichen Verkehrsfläche zwischen Twarochgasse und Himmelmutterweg hergestellt werden soll, ist durch die Notwendigkeit, diese bebauten Grundstücke durch öffentliche Verkehrsflächen zu erschließen, bedingt. Der weitere Ausbau des Straßenprojektes hängt von der längerfristigen Entwicklung dieses nicht geschlossen verbauten Stadtgebietes ab, sodass der Teilausbau der Marie-Jahoda-Gasse für sich genommen bereits als im öffentlichen Interesse liegend die Enteignung rechtfertigt.

Die Beschwerdeführer sind daher weder in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) noch in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung verletzt worden.

4. Schließlich machen die Beschwerdeführer eine Verletzung in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) geltend und werfen der Behörde Willkür vor.

Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnten die Beschwerdeführer in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

Soweit die Beschwerde der belangten Behörde vorwirft, sie hätte nicht alle Unterlagen der erstinstanzlichen Behörde angefordert und sie hätte es unterlassen, die von den Beschwerdeführern beantragten Zeugen zu vernehmen, so reichten diese Verfahrensfehler - sofern sie überhaupt vorliegen - nicht in die Verfassungssphäre. Da - wie bereits oben ausgeführt - auch ein fundamentales Verkennen der Rechtslage nicht vorliegt, wurden die Beschwerdeführer auch nicht in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) verletzt.

Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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