VfGH B411/10

VfGHB411/1014.6.2010

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Aufhebung eines Bescheides betreffend die Rücknahme der Bewilligung zur Führung ärztlicher Hausapotheken; gleichheitswidrige Auslegung einer Verweisung im Apothekengesetz; verfassungskonforme Auslegung im Sinne einer Verweisung auf die durch ein aufhebendes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes bereinigte Rechtslage betreffend die Bedarfsprüfung für die Konzessionserteilung öffentlicher Apotheken im Hinblick auf ärztliche Hausapotheken geboten; Verfassungsbestimmung über die Anlassfallwirkung nicht anwendbar

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art140 Abs7
ApothekenG §10, §29, §62a Abs2, Abs4
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art140 Abs7
ApothekenG §10, §29, §62a Abs2, Abs4

 

Spruch:

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.620,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin einer Konzession zur

Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke im Gemeindegebiet von Wartberg an der Krems. Die Konzession wurde ihr (aufgrund ihres Antrages 22. Dezember 2005) mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 8. Juni 2007 rechtskräftig erteilt. Dieser Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates (in der Folge: UVS) stützt sich auf die Bestimmung des §62a Abs4 Apothekengesetz, in der nähere Regelungen zu den Konzessionsvoraussetzungen für "auf im Zeitpunkt der Kundmachung BGBl. I Nr. 1/2006 anhängige Konzessionsverfahren, die bis zum Ablauf des 31. Oktober 2006 nicht rechtskräftig abgeschlossen sind" getroffen sind.

2. Die in Wartberg an der Krems ansässigen Ärzte für Allgemeinmedizin verfügen jeweils über eine Bewilligung zur Führung einer ärztlichen Hausapotheke; die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neuen öffentlichen Apotheke und den Ordinationssitzen dieser Ärzte beträgt 444 beziehungsweise 635 Meter.

3. Am 15. Juli 2009 beantragte die Beschwerdeführerin bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems die Zurücknahme der Bewilligungen zur Führung der ärztlichen Hausapotheken mit Wirksamkeit vom 26. Juni 2010. Antragsgemäß nahm die Bezirkshauptmannschaft diese Bewilligungen mit der Begründung zurück, dass die dreijährige Rücknahmefrist gemäß §29 Abs5 Apothekengesetz (iVm §62a Abs2 leg.cit.), gerechnet ab dem Zeitpunkt des Bescheides über die Konzession zur Errichtung der öffentlichen Apotheke, am 26. Juni 2010 verstrichen ist.

Gegen diesen Bescheid erhoben die betroffenen Ärzte das Rechtsmittel der Berufung und machten geltend, dass im konkreten Fall nicht die dreijährige Rücknahmefrist gemäß §62a Abs4 und 2 Apothekengesetz zur Anwendung komme, sondern die zehnjährige Rücknahmefrist des §62a Abs1 leg.cit.

Mit Bescheid vom 3. Februar 2010 gab der UVS diesen Berufungen Folge und hob den die Rücknahme der ärztlichen Hausapotheken verfügenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems ersatzlos auf.

4. Gegen diesen Bescheid des UVS richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG) und auf Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 StGG) sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt.

Der UVS als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der er mit näherer Begründung die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligten Parteien haben ebenfalls eine Äußerung erstattet.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige -

Beschwerde erwogen:

1. Die für den Beschwerdefall maßgeblichen

Gesetzesbestimmungen haben folgenden Wortlaut:

1.1. Der die Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke regelnde §10 Apothekengesetz lautete bis zum aufhebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.682/2005 auszugsweise wie folgt (die aufgehobenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"Sachliche Voraussetzungen der Konzessionserteilung

§10. (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

1. sich im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und die Zahl der von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5 500 beträgt, oder

2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder

3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird.

(3) Zu versorgende Personen gemäß Abs2 Z1 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der in Aussicht genommenen öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser öffentlichen Apotheke zu versorgen sein werden.

(4) Zu versorgende Personen gemäß Abs2 Z3 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.

(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne der Abs3 und 4 weniger als 5 500, so sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigten.

(6) Die Entfernung gemäß Abs2 Z2 darf ausnahmsweise unterschritten werden, wenn es besondere örtliche Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dringend gebieten.

(7) Zur Frage des Bedarfes an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke ist ein Gutachten der österreichischen Apothekerkammer einzuholen. Soweit gemäß §29 Abs4 und 5 Ärzte betroffen sind, ist auch ein Gutachten der Österreichischen Ärztekammer einzuholen."

1.2. Die Regelungen zur Erteilung und Rücknahme der Bewilligung zur Führung ärztlicher Hausapotheken befinden sich in §29 Apothekengesetz. In der Fassung BGBl. I 5/2004, dh. jener Fassung vor der Aufhebung von Teilen dieser Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 17.682/2005), hatte §29 leg.cit. (auszugsweise) folgenden Wortlaut (die aufgehobene Wortfolge ist hervorgehoben):

"§29. (1) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist einem Arzt für Allgemeinmedizin auf Antrag zu erteilen, wenn sich in der Ortschaft, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet und der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer entfernt ist.

(2) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist auf Antrag dem Nachfolger eines Arztes für Allgemeinmedizin mit Hausapothekenbewilligung zu erteilen, wenn die Entfernung zwischen dem Berufssitz des hausapothekenführenden Arztes und der Betriebsstätte der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke mehr als vier und weniger als sechs Straßenkilometer beträgt.

(3) Verlegt ein Arzt für Allgemeinmedizin seinen Berufssitz in eine andere Ortschaft, so erlischt die für den vorherigen Berufssitz erteilte Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke.

(4) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zurückzunehmen, wenn die Wegstrecke zwischen Berufssitz des Arztes und Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet und in dem rechtskräftigen Bescheid zur Konzessionierung der neuen öffentlichen Apotheke ein Versorgungspotential im Sinne des §10 von zumindest 5 500 Personen für die neue öffentliche Apotheke festgestellt wurde.

(5) Der Inhaber der neu errichteten öffentlichen Apotheke ist verpflichtet, den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Apotheke der Behörde mitzuteilen. Die Behörde hat die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung auf Antrag des Inhabers der öffentlichen Apotheke mit Bescheid so rechtzeitig auszusprechen, dass die Einstellung des Hausapothekenbetriebes drei Jahre nach Rechtskraft des Bescheides erfolgt, mit dem die Konzession für die öffentliche Apotheke erteilt wurde. Wird die öffentliche Apotheke nach diesem Zeitpunkt in Betrieb genommen, ist die Hausapothekenbewilligung so zurückzunehmen, dass die Inbetriebnahme der öffentlichen Apotheke und die Einstellung des Hausapothekenbetriebes zum selben Zeitpunkt erfolgen.

..."

1.3. Die hervorgehobenen Wortfolgen der §§10 und 29 Apothekengesetz sind mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Oktober 2005, G13/05 ua. (VfSlg. 17.682/2005) aufgehoben worden. Diese Aufhebung wurde mit BGBl. I 1/2006 am 1. Jänner 2006 im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Aufgrund der im Erkenntnis ausgesprochenen Frist ist diese Aufhebung mit Ablauf des 31. Oktober 2006 in Kraft getreten.

1.4. Eine Neugestaltung der Rechtslage erfolgte durch die am 28. März 2006 kundgemachte Änderung des Apothekengesetzes (BGBl. I 41/2006). Der mit BGBl. I 41/2006 eingeführte §62a Apothekengesetz lautet (der mit BGBl. I 75/2008 angefügte Abs6 hat für den Beschwerdefall keine Relevanz):

"§62a. (1) Wurde eine Konzession für eine öffentliche Apotheke nach dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 für eine Betriebsstätte erteilt, in deren Gemeinde zum Zeitpunkt der Antragstellung gemäß §9 zwei Vertragsstellen nach §342 Abs1, die von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, vorhanden waren, so ist abweichend von §29 Abs3 und 4 die Bewilligung zur Haltung einer drztlichen Hausapotheke dann zurückzunehmen, wenn der Inhaber der Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke das 65. Lebensjahr vollendet hat, sofern die Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes bereits rechtskräftig erteilt war. Die Frist für die Zurücknahme und die Einstellung des Betriebes der ärztlichen Hausapotheke darf dabei insgesamt jedoch zehn Jahre ab Rechtskraft der Konzession nicht übersteigen.

(2) Wurde eine Konzession für eine öffentliche Apotheke vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 oder gemäß Abs3 oder 4 rechtskräftig erteilt, so gilt hinsichtlich der Rücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke die Rechtslage vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 weiter.

(3) Auf im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 anhängige Verfahren ist bis zum Ablauf des 31. Oktober 2006 die Rechtslage vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 weiterhin anzuwenden.

(4) Auf im Zeitpunkt der Kundmachung BGBl. I Nr. 1/2006 anhängige Konzessionsverfahren, die bis zum Ablauf des 31. Oktober 2006 nicht rechtskräftig abgeschlossen sind, ist §10 Abs2 Z1 in der Form anzuwenden, dass ein Bedarf dann nicht besteht, wenn sich in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke eine ärztliche Hausapotheke befindet und in der Gemeinde oder im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte zum Zeitpunkt der Antragstellung weniger als zwei Vertragsstellen nach §342 Abs1 [ASVG], die von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, bestehen.

(5) §8 Abs3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 tritt mit 1. Jänner 2008 in Kraft.

..."

2. Im Beschwerdeverfahren ist die Frage strittig, wie die Verweisung in §62a Abs2 Apothekengesetz zu verstehen ist. Versteht man die Verweisung so, dass damit auf §29 Apothekengesetz in jener Fassung verwiesen wird, die diese Bestimmung vor der Aufhebung einzelner Teile durch das Erkenntnis VfSlg. 17.682/2005 hatte, so könnte - bei isolierter Betrachtung der verweisenden Norm - daraus geschlossen werden, dass die in der genannten Gesetzesfassung noch enthaltene (durch den VfGH mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 2006 aufgehobene) Bedingung der im Konzessionsbescheid ausgesprochenen Feststellung eines Mindestversorgungspotentials von 5.500 Personen als eine (kraft Verweisung weiter anzuwendende) Voraussetzung der Rücknahme ärztlicher Hausapothekenbewilligungen zu gelten hat.

3. Die belangte Behörde vertritt diese Deutung der Rechtslage unter Berufung auf den Wortlaut des §62a Abs2 Apothekengesetz und auf das Ergebnis einer "grammatikalischen Interpretation" des Art140 Abs7 B-VG, die es ihr als "absolut unzulässig" erscheinen lasse, "nach dem Willen des Gesetzgebers zu fragen". Sie geht davon aus, dass der Gesetzgeber in §62a Abs2 ApG eine eindeutige Regelung dahingehend getroffen habe, dass in den - hier in Rede stehenden - Verfahren über die Rücknahme ärztlicher Hausapotheken auch nach dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der (teilweisen) Aufhebung des §29 leg.cit. (somit nach dem 31. Oktober 2006) diese Norm weiterhin in jener Fassung anzuwenden ist, die sie vor ihrer Aufhebung hatte, mit anderen Worten, dass die verfassungswidrige Fassung weiter anzuwenden ist.

4. Damit ist die belangte Behörde nicht im Recht:

Auszugehen ist davon, dass der Verfassungsgerichtshof im erwähnten Erkenntnis VfSlg. 17.682/2005 im Hinblick auf seine Vorjudikatur (insbes. Erkenntnis VfSlg. 15.103/1998) primär jene Vorschrift des ApG aufgehoben hat, die einen Bedarf nach einer öffentlichen Apotheke dann verneint hat, wenn sich im Umkreis von vier Straßenkilometern eine ärztliche Hausapotheke befindet und die Zahl der von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5.500 beträgt (§10 Abs2 Z1 leg.cit.). Diesem Erkenntnis lag unter anderem ein Normenprüfungsantrag des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde, in dem dieser Folgendes ausgeführt hat (vgl. VfSlg. 17.682/2005, S 443 f):

"Welche Rechtswirkungen mit dem gemäß §10 ApG erlassenen Apothekenkonzessionsbescheid verbunden sind, richtet sich daher unter Anderem nach §29 Abs4 ApG. Ein Apothekenkonzessionsbescheid, der die in der angegriffenen Wortfolge des §29 Abs4 ApG normierte Feststellung enthält, hat zur Folge, dass die Bewilligungen für die im Einzugsbereich der neu errichteten öffentlichen Apotheke gelegenen Hausapotheken zurückgenommen werden; im Fall eines Apothekenkonzessionsbescheides, der die betreffende Feststellung nicht enthält, unterbleibt die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligungen. Die angegriffene Wortfolge im §29 Abs4 ApG bildet somit im Zusammenhalt mit den sonst angegriffenen Vorschriften ein untrennbar zusammenhängendes Regelungssystem, das die Voraussetzungen und Wirkungen der Errichtung einer öffentlichen Apotheke einschließlich der Auswirkungen derselben auf den Bestand der ärztlichen Hausapotheken im Einzugsbereich umfasst. Würden die angegriffenen Teile der §§10 und 28 durch Aufhebung aus dem Rechtsbestand beseitigt, die angegriffenen Wortfolge in §29 Abs4 ApG hingegen nicht, entstünde eine Regelung, deren Inhalt dem Gesetzgeber keinesfalls zusinnbar wäre, nämlich, dass es in keinem Fall der Errichtung einer öffentlichen Apotheke zur Zurücknahme der Hausapotheken käme. Im Hinblick darauf, dass öffentliche Apotheken in Konkurrenz mit ärztlichen Hausapotheken im unmittelbaren Nahbereich wirtschaftlich nicht lebensfähig wären, wäre eine solche Regelung ein Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit der Apotheker, der in seinem Gewicht noch über den in der bestehenden Regelung gelegenen Eingriff hinausginge."

Der Verfassungsgerichtshof ist diesen Überlegungen des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt (aaO, S 448) und hat daher auch den letzten Halbsatz des §29 Abs4 ApG aufgehoben.

Die von der belangten Behörde vorgenommene Interpretation hätte nun gerade die Folgen, die der Verwaltungsgerichtshof in seinem Prüfungsantrag seinerzeit aufgezeigt hat: Die Verweisung in §62a Abs2 ApG betrifft nämlich ausdrücklich (auch) die Kategorie jener öffentlichen Apotheken, deren Konzession - wie im Beschwerdefall - auf Grundlage der (gleichzeitig mit §62a Abs2 leg.cit. beschlossenen) in §62a Abs4 leg.cit. enthaltenen Regelung erteilt wurde, in der - anstelle der früher geltenden, als verfassungswidrig erkannten Konzessionsvoraussetzung des Versorgungspotentials von

5.500 Personen - eine neue Formulierung der Konzessionsvoraussetzungen vorgesehen ist, bei der es auf ein solches Versorgungspotential nicht mehr ankommt. Bei der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Sichtweise würde man dem Gesetzgeber unterstellen, dass er im Zeitpunkt der Beschlussfassung des BG BGBl. I 41/2006 im Abs4 des §62a leg.cit. für bestimmte Apothekenkonzessionsverfahren neue Konzessionsvoraussetzungen eingeführt hat, jedoch - explizit für die genannte Kategorie von Apotheken - "hinsichtlich der Rücknahme" ärztlicher Hausapotheken weiterhin auf eine in diesem Zeitpunkt bereits als verfassungswidrig erkannte Voraussetzung abgestellt hat. Die fraglichen Apotheken müssten somit für die Konzessionserteilung kein Versorgungspotential mehr nachweisen, wohl aber würde die Rücknahme der Hausapothekenbewilligung von einem solchen Versorgungspotential abhängen. Da der Konzessionsbescheid aber ein solches Versorgungspotential gar nicht mehr feststellen kann, käme es - folgte man der Auslegung der belangten Behörde - für diese Apotheken in keinem Fall zu einer Zurücknahme der ärztlichen Hausapotheke, ein Ergebnis, das bereits der Verwaltungsgerichtshof zutreffend als dem Gesetzgeber nicht zusinnbar und verfassungswidrig beurteilt hat (s oben).

Bei systematischer Interpretation ist die Rechtslage daher so zu deuten, dass sich der Inhalt der Verweisung (wie auch schon der Inhalt des Absatzes 1) darauf beschränkt, unter Berücksichtigung des erwähnten Erkenntnisses eine nach Fallgruppen differenzierende Regelung für die Rücknahme ärztlicher Hausapotheken zu treffen, und es für die Anwendung dieser Regelung unbeachtlich ist, ob im Bescheid über die Konzession der öffentlichen Apotheke ein bestimmtes Versorgungspotential festgestellt wurde oder nicht. Aus den einschlägigen Gesetzesmaterialen (AA-202 22. GP, 4) ergibt sich jedenfalls kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber die von der belangten Behörde angenommenen Konsequenzen seiner Anordnungen beabsichtigt oder in Kauf genommen hätte.

Die belangte Behörde kann sich zur Stützung ihrer Auffassung aber auch nicht auf (eine "grammatikalische Interpretation" des) Art140 Abs7 B-VG stützen, geht es doch hier nicht um die Frage, auf welche Tatbestände eine vom Verfassungsgerichtshof (mit Fristsetzung) aufgehobene Norm noch anzuwenden ist, sondern wie eine auf Grund eines aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom Gesetzgeber neu geschaffene (einfachgesetzliche) Rechtslage, und insbesondere die in ihr enthaltenen Übergangsvorschriften, zu interpretieren sind.

5. Die Beschwerdeführerin ist somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

6. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 220,-- enthalten.

8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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