VfGH B979/08

VfGHB979/082.3.2009

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall

 

Spruch:

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Niederösterreich ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.340,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die Niederösterreichische Landesregierung als Aufsichtsbehörde erklärte mit Bescheid vom 9. April 2008, Z RU1-AB-2/086-2008 den Spruchteil II [Baubewilligung] des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Zwettl vom 11. September 2007, Z ZTW2-BO-0715/001, in welchem diese der beschwerdeführenden Gesellschaft die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Betriebsanlage für das Handelsgewerbe im Standort Gemeinde Zwettl-Niederösterreich, KG Zwettl-Stadt auf den Gst. 1369, 1370 und 1371 erteilt hat, gemäß §68 Abs4 Z4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 iVm §23 Abs8 NÖ Bauordnung 1996 unter Anwendung der NÖ Warengruppen-Verordnung für nichtig.

Gegen diesen Vorstellungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der ein Verstoß gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen behauptet sowie die (kostenpflichtige) Aufhebung des angefochtenen Bescheides bzw., für den Fall einer Abweisung oder Ablehnung der Beschwerde, deren Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof begehrt wird.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 27. Februar 2009, V453/08, die NÖ Warengruppen-Verordnung, LGBl. 8000/95-0, als gesetzwidrig aufgehoben.

2. Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde liegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986). Im Fall einer Beschwerde gegen einen Bescheid, dem ein auf Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, muss dieser verfahrenseinleitende Antrag überdies vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. II.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sein (VfSlg. 17.687/2005).

3. Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren begann am 27. Februar 2009. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 26. Mai 2008 eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung der angefochtenen Bescheide die als gesetzwidrig aufgehobene Verordnung an, da die Bescheidbegründung inhaltlich an die Verordnung anknüpft: So legt die belangte Behörde dar, dass aus dem zugrunde liegenden Bauansuchen hervorgehe, "dass in dem mit insgesamt drei Geschäftslokalen geplanten Fachmarkt jedenfalls auch ein Lebensmittelmarkt eingerichtet werden soll..." womit "...die zukünftige Nutzung als Handelseinrichtung für zentrumsrelevante Waren zum Projektsbestandteil und durch die bescheidmäßige Genehmigung zum Bestandteil der Baubewilligung geworden [ist]."

Es ist damit nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass dadurch die Rechtssphäre der beschwerdeführenden Gesellschaft nachteilig beeinflusst wurde. Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde somit wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

III. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG abgesehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 180,-

enthalten.

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