VfGH B1980/06

VfGHB1980/0625.2.2008

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung des Eigentumserwerbs an einer Fischteichanlage samt einer Wiese wegen Widerspruchs zu den öffentlichen Interessen im Hinblick auf die Entfernung der Kaufgrundstücke zum Betrieb des Beschwerdeführers

Normen

Tir GVG 1996 §6 Abs1 lita, litb
Tir GVG 1996 §6 Abs1 lita, litb

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 13. Dezember 2000/26. Jänner 2001

erwarb der Beschwerdeführer, der in St. Peter am Hart (Oberösterreich) einen Betrieb mit Fischereiwirtschaft führt, eine aus mehreren Grundstücken bestehende Liegenschaft in Waidring (Tirol) im Gesamtausmaß von 7.948 m2 von der im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beteiligten Partei.

2. Die Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde I. Instanz versagte diesem Rechtserwerb mit Bescheid vom 1. Oktober 2001 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wies die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im Weiteren: LGVK) mit Bescheid vom 31. Mai 2002 als unbegründet ab. Dieser Bescheid der LGVK wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. März 2005, B1141/02, wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes aufgehoben.

Mit dem nunmehr bekämpften Ersatzbescheid der LGVK vom 10. Oktober 2006 wurde die Berufung des Beschwerdeführers abermals als unbegründet abgewiesen. Hiebei stellte die LGVK zunächst fest, dass die Erwerbsliegenschaft aus zwei Grundstücken bestehe und im Flächenwidmungsplan zur Gänze als Freiland ausgewiesen sei, wobei sich auf einem Grundstück eine Fischteichanlage befinde; das andere Grundstück sei eine Wiese. Die Behörde ging in weiterer Folge davon aus, dass die Haltung und Zucht von Speisefischen, die zum Verzehr verkauft werden, als landwirtschaftliche Tätigkeit zu qualifizieren sei, sodass eine landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks vorliege. Es sei daher die gesamte Erwerbsliegenschaft als landwirtschaftlich nutzbare Liegenschaft iSd §2 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im Weiteren: TGVG 1996) anzusehen. Selbst für den Fall, dass dies für das Grundstück mit dem Fischteich nicht zutreffe, erlaube die Einheit des zur Beurteilung anstehenden Kaufvertrags keine getrennte grundverkehrsbehördliche Betrachtung der beiden Grundstücke.

Auf Grundlage dessen gelangte die LGVK im Weiteren zu dem Schluss, dass der in Rede stehende Rechtserwerb im Widerspruch zu den in §6 Abs1 lita TGVG 1996 normierten Schutzinteressen stehe. Dies zunächst im Hinblick auf die Entfernung der Kaufgrundstücke in Waidring zum Betrieb des Beschwerdeführers in Oberösterreich; durch das Rechtsgeschäft werde landwirtschaftliches Eigentum ohne Bezug zu einem in vertretbarer Entfernung bereits bestehenden land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb des Eigentümers geschaffen, sodass die Eigentumsverhältnisse in eine agrarstrukturell nachteilige Richtung verändert würden. Weiters reiche auch das Flächenausmaß der Erwerbsliegenschaft von 7.948 m2 nicht aus, um von einem wirtschaftlich gesunden mittleren oder kleineren landwirtschaftlichen Grundbesitz, der für die Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes ausreichen würde, zu sprechen. Da auf Seiten des Käufers ein in vertretbarer Entfernung gelegener landwirtschaftlicher Betrieb nicht vorhanden sei, aufgrund der Entfernung des in Oberösterreich gelegenen Betriebs des Beschwerdeführers eine wirtschaftlich nachvollziehbare Selbstbewirtschaftung nicht erwartet werden könne und überdies eine agrarstrukturell unvertretbare Kleinfläche erworben werden solle, lägen die Genehmigungsvoraussetzungen des §6 Abs1 TGVG 1996 nicht vor.

3. In der vorliegenden Beschwerde gemäß Art144 B-VG wird die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet sowie die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen des TGVG 1996, LGBl. 61 idF LGBl. 85/2005, lauten:

"§2

Begriffsbestimmungen

(1) Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke sind Grundstücke, die ganz oder teilweise im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke genutzt werden. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten weiters Grundstücke, die zwar nicht im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes, aber doch in einer für die Land- oder Forstwirtschaft typischen Weise genutzt werden. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten ferner Grundstücke, die zwar in anderer Weise als für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke verwendet werden, die aber vor nicht mehr als zwanzig Jahren im Sinne des ersten Satzes genutzt wurden und noch so beschaffen sind, daß sie ohne besondere Aufwendungen wieder der Nutzung im Sinne des ersten Satzes zugeführt werden können. Durch die Aussetzung der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung eines bisher im Sinne des ersten Satzes genutzten Grundstückes verliert dieses nicht die Eigenschaft als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten auch Grundstücke mit land- oder forstwirtschaftlichen Wohn- oder Wirtschaftsgebäuden sowie solche Gebäude selbst, wenn nur diese Gegenstand eines Rechtserwerbes sind. Die Bezeichnung eines Grundstückes im Grundsteuer- oder Grenzkataster ist für dessen Beurteilung als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück nicht maßgebend. Baugrundstücke (Abs3) gelten nicht als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke.

(2) Ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb (Voll-, Zu- oder Nebenerwerbsbetrieb) ist jede selbständige wirtschaftliche Einheit, die vom Eigentümer, Pächter oder Fruchtnießer selbst oder zusammen mit Familienangehörigen oder mit den darüber hinaus allenfalls erforderlichen land- und forstwirtschaftlichen Dienstnehmern bewirtschaftet wird und die geeignet ist, zum Lebensunterhalt des Bewirtschafters bzw. seiner Familie beizutragen.

..."

"2. Abschnitt

Rechtserwerbe an land- oderforstwirtschaftlichen Grundstücken

§4

Genehmigungspflicht

(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums;

..."

"§6

Genehmigungsvoraussetzungen

(1) Die Genehmigung nach §4 darf nur erteilt werden, wenn

a) der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht,

..."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid stützt sich - der Sache nach - auf die (kumulative) Genehmigungsvoraussetzung des §6 Abs1 lita TGVG 1996. Gegen diese Rechtsvorschrift sind beim Verfassungsgerichtshof aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keine Bedenken entstanden. Es erübrigt sich insofern, auf die Ausführungen der Beschwerde zur behaupteten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit und - infolge Inländerdiskriminierung - Verfassungswidrigkeit der "Selbstbewirtschaftung" einzugehen, zumal die Beschwerde auch übersieht, dass sich der Regelungsgehalt der - undifferenziert - als verfassungswidrig gerügten §§6 und 7 TGVG 1996 keineswegs zur Gänze in der Festlegung eines Erfordernisses der "strengen Eigenbewirtschaftung" erschöpft.

Es ist daher ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt wurde.

2.1. Der Beschwerdeführer behauptet, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein. Hiezu bringt er im Wesentlichen vor, dass die Feststellungen der LGVK zum Vorliegen einer nicht vertretbaren Entfernung der Erwerbsliegenschaft zum Stammbetrieb in Oberösterreich aufgrund einer "raschen" Erreichbarkeit unzutreffend seien und der Umstand, dass der Beschwerdeführer über keine weiteren Liegenschaften in Tirol verfüge, unmaßgeblich bleiben müsse. Eigentumseinheiten wie vorliegend im Ausmaß von knapp 8.000 m2 würden weder die landwirtschaftliche Nutzung noch die Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Bauernstandes beeinträchtigen und damit auch nicht den öffentlichen Interessen widersprechen. Entgegen der Annahme der Behörde habe der Beschwerdeführer im Verfahren dargelegt, dass jede mögliche Bewirtschaftung der Liegenschaft denkbar ist und Personen seines Unternehmens dauerhaft in Tirol stationiert werden könnten.

2.2. Zur behaupteten Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums führt der Beschwerdeführer unter Bekräftigung dieses Vorbringens ergänzend aus, dass die gegenwärtigen Besitzverhältnisse nicht in eine unerwünschte Richtung verändert würden, wenn ein Landwirt und Fischzüchter eine Liegenschaft mit Fischteichen zur landwirtschaftlichen Nutzung erwerbe. Selbst wenn man die Ansicht vertreten sollte, dass die Genehmigungsvoraussetzungen hinsichtlich des Wiesen-Grundstücks nicht vorliegen, hätte die Behörde den Rechtserwerb zumindest bezüglich des verbleibenden Grundstücks (Fischteiche) zu genehmigen gehabt.

2.3. Schließlich behauptet der Beschwerdeführer, dass die Behörde fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass das Erfordernis der Selbstbewirtschaftung nicht erfüllt werde.

3. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) - angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften - nur vorliegen, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

4. Ein solch schwerer Fehler ist der belangten Behörde allerdings nicht vorzuwerfen:

4.1. Vorauszuschicken ist, dass der Verfassungsgerichtshof gegen die - in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogenen - Schlussfolgerungen der LGVK zur Qualifikation der Erwerbsliegenschaft als landwirtschaftliche Liegenschaft iSd §2 Abs1 TGVG 1996 keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt.

4.2. Es ist weder denkunmöglich noch willkürlich, wenn die belangte Behörde die Ansicht vertritt, dass der Rechtserwerb von so genannten Überlandparzellen der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden landwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht (vgl. VfSlg. 12.699/1991). Angesichts des unbestrittenen Umstandes, dass der Rechtserwerb in Tirol gelegene landwirtschaftliche Grundflächen betrifft und sich der Betrieb des Beschwerdeführers in Oberösterreich befindet, begründet die Annahme agrarstruktureller Nachteile keine Verfassungswidrigkeit. Vor diesem Hintergrund ist der belangten Behörde unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes nicht entgegenzutreten, wenn sie bei der Frage der - gesamthaft zu betrachtenden - Leistungsfähigkeit des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes auch auf das Vorliegen einer "vertretbaren Entfernung" zu einem bereits bestehenden land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb abstellt, weil sich der Betrieb als Einheit - im Lichte der Zielsetzung des Gesetzes - nur dann wirtschaftlich führen lässt, wenn die landwirtschaftlichen Flächen im Hinblick auf ihre geringen Ausmaße (insbesondere der erworbenen und zu genehmigenden Liegenschaft im Ausmaß von 7.948 m2) gemeinsam bewirtschaftet werden.

Damit kann es aber der belangten Behörde in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht vorgeworfen werden, wenn sie - auf Basis des in erster Instanz geführten Ermittlungsverfahrens und nach Durchführung einer (neuerlichen) öffentlichen mündlichen Verhandlung - zum Schluss gelangt, dass das Rechtsgeschäft gesamthaft betrachtet den öffentlichen Interessen iSd §6 Abs1 lita TGVG 1996 zuwiderlaufen würde.

5. Da der angefochtene Bescheid im Lichte dieser Ausführungen weder gesetzlos noch aufgrund eines verfassungswidrigen Gesetzes, aber auch nicht in denkunmöglicher Auslegung eines Gesetzes ergangen ist, ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

6. Die belangte Behörde konnte die grundverkehrsrechtliche Genehmigung - aufgrund des erforderlichen kumulativen Vorliegens der in §6 Abs1 TGVG 1996 normierten Genehmigungsvoraussetzungen - schon aus den genannten Gründen (Punkt III.4.) in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise versagen, weshalb auf das Beschwerdevorbringen zur Selbstbewirtschaftung (§6 Abs1 litb TGVG 1996) nicht mehr einzugehen ist (s. bereits Punkt III.1.).

7. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Ob der angefochtene Bescheid aber in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall (vgl. §28 Abs7 TGVG 1996) - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 15.278/1998, 15.324/1998 mwN).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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