Normen
EMRK Art2, Art3
AsylG 1997 §8
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
EMRK Art2, Art3
AsylG 1997 §8
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
Spruch:
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.160,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführerin, eine georgische Staatsangehörige,
reiste am 24. Jänner 2002 in das Bundesgebiet illegal ein. Am Tag darauf stellte sie einen Asylantrag, den sie im Wesentlichen mit einer asylrelevanten Verfolgung auf Grund ihrer journalistischen Berichterstattung von Menschenrechtsverletzungen begründete. Im Zuge der Auflösung einer Demonstration, der sie als Journalistin beigewohnt habe, sei sie bewusstlos geschlagen und am Kopf schwer verletzt worden. Nachdem anonyme Drohungen gegen sie massiv zugenommen hätten, habe sie ihr Land verlassen.
Mit Bescheid vom 3. Juni 2002 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß §7 Asylgesetz 1997, BGBl. I 76/1997 (im Folgenden: AsylG), ab und stellte die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien gemäß §8 AsylG fest.
2. Infolge der dagegen erhobenen Berufung führte der unabhängige Bundesasylsenat (im Folgenden: UBAS) eine mündliche Verhandlung durch. Mit Bescheid vom 10. Oktober 2007 wies der UBAS die Berufung ab. In seiner Begründung stellte der UBAS Folgendes fest:
"1.1 Zur Person:
Die berufende Partei ist nach eigener Angabe georgische Staatsangehörige, gehört der georgischen Volksgruppe an, ist orthodoxen Bekenntnisses, war zuletzt im Heimatstaat in Tiflis wohnhaft. Der Heimatstaat wurde verlassen, da die berufende Partei als Journalistin tätig gewesen ist und nach Auflösung einer Demonstration bewusstlos geschlagen wurde, wobei sie eine Gehirnerschütterung erlitten hat.
Nicht festgestellt werden kann, von wem die Asylwerberin tatsächlich geschlagen wurde.
Nicht festgestellt werden kann weiters, dass die Asylwerberin staatliche Hilfe zu ihrem Schutz in Anspruch genommen hat.
Festgestellt wird, dass die Asylwerberin ohne Probleme mehrere Monate außerhalb von Tiflis gelebt hat.
1.2. Zum Herkunftsstaat:
Nicht festgestellt werden kann, dass die Asylwerberin wegen ihrer journalistischen Tätigkeit im Falle ihrer Rückkehr asylrelevante Verfolgung zu gewärtigen hat.
Nicht festgestellt werden kann weiters, dass georgischen Rückkehrern im Falle ihrer Rückkehr in Georgien jedwede Lebensgrundlage fehlt.
Nicht festgestellt werden kann, dass georgischen Rückkehrern Gefahr droht, dass in ihre gem. Art2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte eingegriffen wird."
Zu diesen Feststellungen gelangte der UBAS eigenen Angaben zufolge auf Grund folgender Beweiswürdigung:
"2.1. Die getroffenen Feststellungen zur Person gründen auf dem Vorbringen der asylwerbenden Partei.
2.2. Die getroffenen Feststellungen zu Georgien gründen auf dem Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 20.5.2005, die allgemeinen Länderfeststellungen zu Georgien der Schweizerischen Flüchtlingshilfe sowie der Bericht der Internationalen Helsinki Federation for Human Rights, Human Rights in the OSCE Region: Europe, Central Asia and North Africa Report 2005, Georgia.
Der Vollständigkeit halber wird, ohne dass diese Feststellung zur Begründung der gegenständlichen Entscheidung herangezogen wird, dass sich die politische und wirtschaftliche Situation in Georgien seit dem Jahre 2005 jedenfalls nicht verschlechtert hat."
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde nach Art144 B-VG, in der die Bescheidaufhebung wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte beantragt wird.
4. Der unabhängige Bundesasylsenat hat als belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Nach der mit VfSlg. 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet ein Bescheid, wenn er auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg. 16.214/2001), wenn die Behörde dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn das Gesetz - dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg. 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat (zB VfSlg. 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001).
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
2. Die belangte Behörde geht zunächst davon aus, dass die Beschwerdeführerin als Journalistin arbeitete und bei einer Demonstration, über die sie berichten wollte, bewusstlos geschlagen wurde und eine Gehirnerschütterung erlitt.
In den Feststellungen zum Herkunftsstaat beschränkt sich die belangte Behörde auf drei Sätze, in denen festgestellt wird, dass in Georgien eine asylrelevante Verfolgung wegen journalistischer Tätigkeit nicht zu gewärtigen sei, sodass bei Rückkehr keine Gefahr eines Eingriffs in die Rechte nach Art2 und 3 EMRK drohe. Auch fehle es in Georgien nicht an jedweder Lebensgrundlage.
Diese Feststellungen begründet die belangte Behörde mit Berichten über die Lage in Georgien. Diese Berichte stützen jedoch die getroffenen Feststellungen der belangten Behörde nicht: So wird etwa in dem im angefochtenen Bescheid genannten Bericht der International Helsinki Federation for Human Rights unter dem Titel "Freedom of Expression, Free Media and Information" von massiven Verletzungen der Medienfreiheit berichtet, und es werden konkrete schwere Übergriffe gegen Journalisten angeführt.
Der Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes meint zwar, dass Presse- und Meinungsfreiheit im Allgemeinen gewährleistet sei, erwähnt aber auch Fälle von Drohungen und Gewaltanwendung gegen Journalisten. Ferner wird erwähnt, dass Polizeikräfte Zeugen Jehovas an der Abhaltung von Versammlungen hinderten und den Übergriffen radikal orthodoxer Kreise tatenlos zuschauten.
Auch der Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe berichtet von schweren Menschenrechtsverletzungen und Pressionen gegenüber Medien.
Die belangte Behörde setzt sich mit den von ihr genannten Berichten nicht näher auseinander, sondern stellt lediglich pauschal fest, dass die Beschwerdeführerin wegen ihrer journalistischen Tätigkeit keine asylrelevante Verfolgung und auch keine Verletzung der Art2 und 3 EMRK zu gewärtigen habe.
Insgesamt reduziert der Bescheid seine Begründung auf allgemeine Stehsätze, ohne auf die konkrete Situation der Beschwerdeführerin auch nur ansatzweise einzugehen. Die belangte Behörde hat ihren Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt.
Der belangten Behörde ist daher Willkür im Sinne der obgenannten Rechtsprechung vorzuwerfen. Sie hat somit die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.
Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
III. Die Kostenentscheidung gründet auf §88 VfGG. In den Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 360,-- enthalten.
IV. Dieses Erkenntnis wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.
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