VfGH B889/05

VfGHB889/0527.2.2007

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs; vertretbare Annahme eines Widerspruchs zu den Zielen der Erhaltung bzw Stärkung des Bauernstandes sowie des land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes mangels ausreichenden Eigengrundes

Normen

Tir GVG 1996 §2 Abs2, §6 Abs1
VfGG §15 Abs2
Tir GVG 1996 §2 Abs2, §6 Abs1
VfGG §15 Abs2

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Vertrag vom 31.12.2004 kaufte der Beschwerdeführer eine näher bezeichnete Liegenschaft im Ausmaß von 3.345 m2.

Die Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde

I. Instanz erteilte diesem Rechtserwerb mit Bescheid vom 26.1.2005 unter Vorschreibung von Auflagen die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Diese Auflagen lauteten wie folgt:

"1. Selbstbewirtschaftung auf 5 Jahre" und "2. Nachweis für einen Schafunterstand bis 30.9.2005". Die Bezirks-Grundverkehrskommission stützte ihre Entscheidung im Wesentlichen auf die Begründung, dass der Beschwerdeführer bereits seit Jahren selbst Schafe habe und seine Tiere auch versorge. Da er aber vor allem gepachtete Flächen bewirtschafte, seien die Auflagen zur Sicherung der Voraussetzungen gemäß §6 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (TGVG 1996) notwendig gewesen.

2. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten gab die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (LGVK) mit Bescheid vom 15.6.2005 Folge und versagte dem verfahrensgegenständlichen Kaufvertrag die grundverkehrsbehördliche Genehmigung.

Begründend führte die LGVK aus, dass der in Rede stehende Liegenschaftserwerb dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes bzw. dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspreche:

Für die Beurteilung, ob die erworbenen Grundstücke im Rahmen eines land- bzw. forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet werden, kommt es nach Auffassung der LGVK maßgeblich auf die Intention des Eigentümers an, diese Grundstücke als Basis für einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb (Voll-, Zu- oder Nebenerwerbsbetrieb) zu verwenden. Darunter sei iSd §2 Abs2 TGVG 1996 jede selbständige wirtschaftliche Einheit zu verstehen, die unter anderem geeignet ist, zum Lebensunterhalt des Bewirtschafters bzw. seiner Familie beizutragen. Die hiebei erforderlichen Größenstrukturen seien jedoch nicht nach starren Regeln zu beurteilen, sondern könnten nach Maßgabe des jeweiligen Falles unterschiedlich sein, wenngleich dem Ausmaß der (Eigen-)Grundausstattung grundsätzliche Bedeutung zukomme. Zwar bewirtschafte der Beschwerdeführer mehrere Grundstücke im Pachtwege, er verfüge aber bislang nicht über weitere landwirtschaftliche Grundflächen oder einen landwirtschaftlichen Betrieb im Eigentum. Auch das Ausmaß des kaufgegenständlichen landwirtschaftlichen Grundstücks sei für sich alleine nicht geeignet, eine ausreichende Betriebsbasis sicherzustellen. Im Ergebnis seien daher die Genehmigungsvoraussetzungen des §6 Abs1 TGVG 1996 nicht erfüllt.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Zurückweisung der Beschwerde mangels Erfüllens der formellen Voraussetzungen beantragt. Dazu führt sie aus, dass es der Beschwerde, die als belangte Behörde die "Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung/Agrarsenat" nennt, an den formellen Zulässigkeitsvoraussetzungen fehle, da der "offensichtlich angefochtene Bescheid von der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung erlassen wurde" und "weder vom Agrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung noch von einer 'kombinierten' Behörde Landes-Grundverkehrskommission/Agrarsenat" stamme. In eventu wird die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen des TGVG 1996, LGBl. Nr. 61/1996 idF LGBl. Nr. 75/1999, lauten:

"§2

Begriffsbestimmungen

...

(2) Ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb (Voll-, Zu- oder Nebenerwerbsbetrieb) ist jede selbständige wirtschaftliche Einheit, die vom Eigentümer, Pächter oder Fruchtnießer selbst oder zusammen mit Familienangehörigen oder mit den darüber hinaus allenfalls erforderlichen land- und forstwirtschaftlichen Dienstnehmern bewirtschaftet wird und die geeignet ist, zum Lebensunterhalt des Bewirtschafters bzw. seiner Familie beizutragen.

...

2. Abschnitt

Rechtserwerbe an land- oder

forstwirtschaftlichen Grundstücken

§4

Genehmigungspflicht

(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums;

...

§6

Genehmigungsvoraussetzungen

(1) Die Genehmigung nach §4 darf nur erteilt werden, wenn

a) der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem vffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht,

b) gewährleistet ist, daß die erworbenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke grundsätzlich vom Erwerber selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet werden,

c) der Erwerber über die für die Selbstbewirtschaftung erforderlichen fachlichen Kenntnisse verfügt und

d) der Erwerber erklärt, dass durch den beabsichtigten Rechtserwerb kein Freizeitwohnsitz geschaffen werden soll.

..."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer nennt als belangte Behörde die "Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung/Agrarsenat". Dabei handelt es sich aber - wie sich aus dem Beschwerdevorbringen und der Bezeichnung des angefochtenen, der Beschwerde angeschlossenen Bescheides unmissverständlich ergibt - wohl nur um eine Fehlbezeichnung, der - wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung darlegt - keine rechtliche Bedeutung zukommt (vgl. VfSlg. 15.143/1998 mwN).

Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2. Die Beschwerde behauptet die Verfassungswidrigkeit der §§2 Abs2 und 6 Abs1 TGVG 1996, wobei sich die Bedenken des Beschwerdeführers hinsichtlich letzterer Bestimmung der Sache nach insbesondere auf die lita beziehen. Die gerügten Bestimmungen stünden in Widerspruch zu dem in Art5 StGG gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie zum Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz iSd Art7 B-VG: Es sei im Hinblick auf die Zielsetzung der Schaffung und Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes bzw. der Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes unerfindlich, dass ein langjähriger Landwirt, der "nur" Pächter von Landwirtschaftsflächen und Gebäuden ist, nicht dazu legitimiert sei, zu seinem Betrieb eine entsprechende Grundstücksfläche ins Eigentum zu erwerben.

Die vorgebrachten Normbedenken sind nicht begründet: Weder §2 Abs2 TGVG 1996 noch §6 Abs1 leg.cit. treffen eine Differenzierung dahingehend, dass einem "bloßen" Pächter land- und forstwirtschaftlicher Flächen der Eigentumserwerb an den gepachteten Grundstücken schlechthin versagt wäre. Der Verfassungsgerichtshof hegte bisher gegen die zitierten Rechtsvorschriften keine Bedenken (vgl. zB VfSlg. 15.324/1998 mwH; zur Aufhebung des §6 Abs1 litb und c TGVG 1996, der Wortfolge "im Sinne des Abs1 litb" in Abs2 sowie der Abs3 und 7 leg.cit. s. VfSlg. 17.422/2004); solche sind auch aus Anlass der vorliegenden Beschwerde nicht entstanden.

3. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den bekämpften Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt zu sein, da es ihm als aktiver Landwirt verwehrt werde, seinen landwirtschaftlichen Betrieb entsprechend zu erweitern bzw. im Hinblick auf die zu bewirtschaftenden Liegenschaften auf eine "Eigentumsbasis" zu stellen. Durch die Vorgangsweise der belangten Behörde werde es ihm zudem de facto verunmöglicht, seine privaten Eigentumsrechte an dem von ihm seit Jahrzehnten als Pächter und Superädifikatsinhaber landwirtschaftlich geführten Betrieb entsprechend abzusichern und zu erweitern.

Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 15.001/1997, 16.113/2001, 16.701/2002).

Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung dargetan hat, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass das Ausmaß des Eigengrundes im Hinblick auf den Gesetzeszweck der Schaffung und Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Besitzes wesentlich sein könne (vgl. zB VfSlg. 16.699/2002). Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie bei der Frage der - gesamthaft zu betrachtenden - Leistungsfähigkeit des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes auch auf die Eigentumsverhältnisse abstellt, weil sich der Betrieb als Einheit - im Lichte der Zielsetzung des Gesetzes - nur dann wirtschaftlich führen lässt, wenn die landwirtschaftlichen Flächen im Hinblick auf ihre geringen Ausmaße (insbesondere der erworbenen und zu genehmigenden Liegenschaft im Ausmaß von 3.345 m²) gemeinsam bewirtschaftet werden (s. VfGH 21.6.2006, B61/05). Es ist der belangten Behörde sohin nicht vorzuwerfen, wenn sie angesichts des Ausmaßes der in Rede stehenden Liegenschaft nicht als gesichert annimmt, dass die Kriterien des §6 Abs1 TGVG 1996 erfüllt werden (vgl. auch VfSlg. 15.324/1998).

4. Weiters macht der Beschwerdeführer die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend. Dazu bringt er vor, dass die belangte Behörde fälschlicher Weise davon ausgehe, dass ein Landwirt wie der Beschwerdeführer, der "nur" Pächter von landwirtschaftlichen Flächen bzw. Gebäuden ist, nicht dazu legitimiert wäre, landwirtschaftliche Flächen ins Eigentum zu erwerben. Eine Auslegung, wonach ein derartiger "Pacht-Landwirtschaftsbetrieb" nicht mit einem "Eigentums-Landwirtschaftsbetrieb" gleichzusetzen sei, stehe in Widerspruch zu Art7 B-VG. Zudem mangle es an einer sachlichen Rechtfertigung, den Pächter eines landwirtschaftlichen Betriebes allein aufgrund seiner "Pächtereigenschaft" schlechter zu stellen und ihm den Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen in das Eigentum zu verwehren. Gerade bei landwirtschaftlichen Betrieben sei eine Mischung aus im Eigentum stehenden und zugepachteten Grundflächen üblich.

Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10.065/1984, 14.776/1997, 16.273/2001).

Dies ist der belangten Behörde im Lichte der Ausführungen zu Punkt 3. sowie im Hinblick auf das von ihr durchgeführte Ermittlungsverfahren nicht vorzuwerfen. Die LGVK ist in nachvollziehbarer Weise zum Schluss gelangt, dass der Beschwerdeführer mangels ausreichenden Eigengrundes über keine entsprechende Betriebsbasis verfügt, sodass gesamthaft betrachtet das Rechtsgeschäft den Zielen des §6 Abs1 TGVG 1996 zuwiderlaufen würde. Dieser Beurteilung ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten.

5. In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen kann durch den angefochtenen Bescheid auch keine Verletzung des in Art6 StGG gewährleisteten Rechts auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs erblickt werden.

6. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre.

Ob der angefochtene Bescheid aber in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 15.278/1998, 15.324/1998 mwN).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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