VfGH B293/05

VfGHB293/0513.10.2006

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung der Anträge eines Rechtsanwaltes auf Eintragung eines pensionierten Richters in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter und Erteilung einer Substitutionsberechtigung mangels Hauptberuflichkeit der Tätigkeit; keine gleichheitswidrige bzw gegen die Erwerbsfreiheit verstoßende Auslegung der belangten Behörde durch Annahme der Erforderlichkeit der Hauptberuflichkeit der Tätigkeit als Berufsausübungsvoraussetzung des Rechtsanwaltsanwärters; keine Bedenken gegen die Koppelung der Substitutionsbefugnis an die Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter; Zurückweisung der Beschwerde des zweitbeschwerdeführenden Richters wegen Nichterschöpfung des Instanzenzuges mangels Beteiligung am Rechtsmittelverfahren

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
RAO §2, §5a, §15, §21b, §30
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
RAO §2, §5a, §15, §21b, §30

 

Spruch:

I. Der Erstbeschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten noch wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

II. Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 15. April 2004 wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Eintragung des pensionierten Richters und nunmehrigen Zweitbeschwerdeführers in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter und auf Erteilung einer großen Legitimationsurkunde (im Folgenden: LU), gemäß §15 Abs1 und 2 Rechtsanwaltsordnung (im Folgenden: RAO) abgewiesen.

1.2. In der dagegen erhobenen Vorstellung vom 19. Mai 2004 stellte der Erstbeschwerdeführer den Antrag, dem Zweitbeschwerdeführer in eventu eine kleine LU gemäß §15 Abs3 RAO auszustellen.

Mit Bescheid des Plenums des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 17. Juni 2004 wurde der Vorstellung des Erstbeschwerdeführers keine Folge gegeben, weil der Zweitbeschwerdeführer keinen Nachweis der Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen für Rechtsanwaltsanwärter und der Ablegung der Ergänzungsprüfung gemäß des Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetzes (im Folgenden: BARG) erbracht habe, und weil keine hauptberufliche Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter in der Kanzlei des Erstbeschwerdeführers vorgesehen sei. Der Eventualantrag, bei Versagung der Ausstellung einer großen LU zumindest eine kleine LU auszustellen, wurde mit der Begründung abgewiesen, dass auch die Ausstellung einer kleinen LU die Eintragung des Zweitbeschwerdeführers in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter voraussetze.

1.3. Mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden: OBDK) vom 13. Dezember 2004 wurde der vom Erstbeschwerdeführer erhobenen Berufung keine Folge gegeben. Begründend wurde ausgeführt, der Zweitbeschwerdeführer sei seit 1. April 2004 in der Rechtsanwaltskanzlei des Erstbeschwerdeführers mit fünfzehn Wochenstunden und mit einem monatlichen Bruttogehalt von € 600,- teilzeitbeschäftigt. Ein Rechtsanwaltsanwärter könne gemäß §2 Abs1 RAO nur dann eine anrechenbare praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt nachweisen, wenn er diese Tätigkeit hauptberuflich und ohne Beeinträchtigung durch eine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt habe.

2. Gegen dieses als Bescheid zu wertende Erkenntnis der OBDK richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf freie Berufswahl und auf Freiheit der Erwerbsbetätigung geltend gemacht sowie die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

3. Die OBDK legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers und die Zurückweisung hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit erwogen:

Der Verfassungsgerichtshof geht mit der belangten Behörde davon aus, dass der Erstbeschwerdeführer mittels des von der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich aufgelegten Formulars "Antrag auf Ausstellung einer Legitimationsurkunde" einen Antrag auf Eintragung des Zweitbeschwerdeführers in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter und einen Antrag auf Ausstellung einer großen LU gemäß §15 Abs1 und 2 RAO gestellt hat und dass der (gemäß dem vorgedruckten Text auf dem genannten Formular) "zum Zeichen des Einverständnisses" erfolgten "Mitfertigung" des Gesuchs durch den Zweitbeschwerdeführer daher zumindest die Bedeutung einer Antragstellung auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter auch durch diesen beizumessen ist. Aufgrund des klaren Wortlautes des §30 Abs4 RAO ist der Zweitbeschwerdeführer jedenfalls (Mit-)Antragsteller und Partei des Verfahrens auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter gewesen.

Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 15. April 2004 wurden diese Anträge abgewiesen. Nur der Erstbeschwerdeführer hat gegen diesen Bescheid Vorstellung und gegen die Abweisung der Vorstellung durch den Bescheid des Plenums des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 17. Juni 2004 Berufung erhoben. Da sich der Zweitbeschwerdeführer somit am Rechtsmittelverfahren auch insofern nicht mehr beteiligt hat, als es um seine Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter ging, ist seine Beschwerde mangels Erschöpfung des Instanzenzuges als unzulässig zurückzuweisen.

Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers ist hingegen zulässig.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat in der Sache erwogen:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer behauptet die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Um die Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter gemäß §30 RAO zu erwirken, sei beim Eintritt in die Praxis bei einem Rechtsanwalt die bloße Anzeige an den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer unter Nachweis der Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates und der Erfüllung der zum Eintritt in die Gerichtspraxis vorgeschriebenen Erfordernisse ausreichend. In keiner Bestimmung werde vorausgesetzt, dass ein Rechtsanwaltsanwärter bis zum Eintritt in die Rechtsanwaltspraxis schon eine bestimmte Zeit oder in einem gewissen zeitlichen Ausmaß bei einem Rechtsanwalt verwendet worden sein müsse. Die Annahme der OBDK, dass eine Teilzeitbeschäftigung bei einem Rechtsanwalt die Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter nicht zulasse, sei willkürlich. Die fünfzehnstündige Wochenarbeitszeit des Zweitbeschwerdeführers sei als eine hauptberufliche Tätigkeit anzusehen, zumal dieser keine sonstige Tätigkeit ausübe. Die Nichtanrechnung einer Teilzeitbeschäftigung bei einem Rechtsanwalt sei nur bei strikter Wortinterpretation möglich. Ein derartiges Ergebnis unterstelle jedoch §2 Abs1 RAO einen gleichheitswidrigen Inhalt, weil es jene Rechtsanwaltsanwärter, die nur halbtags oder drei Tage pro Woche bei einem Rechtsanwalt beschäftigt sind, gegenüber jenen, die eine andere, weniger berufsspezifische Alternativ- oder Ersatzpraxis in Teilzeitbeschäftigung verrichten, ohne sachlich gerechtfertigten Grund diskriminiere.

Weiters widerspreche es dem Größenschluss, wenn ein Richteramtsanwärter bereits nach zwei Jahren Ausbildung eine große LU erhalte, nicht jedoch ein ausgebildeter und jahrzehntelang als Richter tätiger Jurist.

1.2. Unter dem Titel der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Berufsausübung und auf Freiheit der Erwerbsbetätigung macht der Erstbeschwerdeführer geltend, dass er durch die Nichteintragung des Zweitbeschwerdeführers in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter diesen nicht in der vorgesehenen Art und Weise verwenden könne. Durch die Annahme einer erforderlichen Arbeitszeit im Ausmaß von 40 Wochenstunden werde in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht beider Beschwerdeführer auf freie Erwerbsbetätigung eingegriffen. Im Hinblick auf den Zweitbeschwerdeführer werde darüber hinaus das Recht auf Freiheit der Berufsausübung verletzt.

2.1. §2 RAO, RGBl. Nr. 96/1868, zuletzt geändert durch BG BGBl. I Nr. 71/1999, lautet:

"§2. (1) Die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung hat in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei Gericht und bei einem Rechtsanwalt zu bestehen; sie kann außerdem in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei einem Notar oder, wenn die Tätigkeit für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienlich ist, bei einer Verwaltungsbehörde, an einer Hochschule oder bei einem beeideten Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bestehen. Die Tätigkeit bei der Finanzprokuratur ist der bei einem Rechtsanwalt gleichzuhalten. Die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt ist nur anrechenbar, soweit diese Tätigkeit hauptberuflich und ohne Beeinträchtigung durch eine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt wird. Eine praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt in Form einer Teilzeitbeschäftigung nach dem Mutterschutzgesetz 1979, BGBl. Nr. 221, oder dem Eltern-Karenzurlaubsgesetz, BGBl. Nr. 651/1989, ist anrechenbar, wenn sie zumindest die Hälfte der Normalarbeitszeit umfaßt; sie ist im Ausmaß der tatsächlich geleisteten Tätigkeit zu berücksichtigen.

(2) Die praktische Verwendung im Sinn des Abs1 hat fünf Jahre zu dauern. Hievon sind im Inland mindestens neun Monate bei Gericht und mindestens drei Jahre bei einem Rechtsanwalt zu verbringen.

(3) Auf die Dauer der praktischen Verwendung, die nicht zwingend bei Gericht oder einem Rechtsanwalt im Inland zu verbringen ist, sind auch anzurechnen:

1. Zeiten des Doktoratsstudiums bis zum Höchstausmaß von sechs Monaten, wenn an einer inländischen Universität der akademische Grad eines Doktors der Rechtswissenschaften nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140, über das Studium der Rechtswissenschaften erlangt wurde;

2. eine im Sinn des Abs1 gleichartige praktische Verwendung im Ausland, wenn diese Tätigkeit für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienlich gewesen ist.

(4) (...)"

§5 RAO regelt die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte.

§5a leg.cit., RGBl. Nr. 96/1868, zuletzt geändert durch BG BGBl.

Nr. 474/1990, bestimmt:

"§5a. (1) Wird die Eintragung (§5) vom Ausschuß verweigert, so steht dem Bewerber das Recht der Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission (§§59 ff. des Disziplinarstatuts) zu.

(2) ..."

Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt gegen §2 Abs1 RAO, der im Zusammenhalt mit Abs2 und Abs3 dieser Vorschrift anordnet, dass angehende Rechtsanwälte Rechtskenntnisse und sonst für den Beruf des Rechtsanwalts erforderliche Kenntnisse und Fähigkeiten vornehmlich bei einem inländischen Rechtsanwalt und bei Gericht zu erwerben haben, wobei in eingeschränktem Maße eine Ausbildung in anderen Berufen für zulässig erklärt wird, keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert (VfSlg. 12.337/1990, 12.670/1991, 13.560/1993, 15.590/1999).

2.2. §15 RAO, RGBl. Nr. 96/1868, zuletzt geändert durch BG BGBl. I Nr. 71/1999, lautet:

"§15. (1) Ist die Beiziehung eines Rechtsanwalts gesetzlich vorgeschrieben, so kann sich der Rechtsanwalt vor allen Gerichten und Behörden auch durch einen bei ihm in Verwendung stehenden, substitutionsberechtigten Rechtsanwaltsanwärter unter seiner Verantwortung vertreten lassen; die Unterfertigung von Eingaben an Gerichte und Behörden durch einen Rechtsanwaltsanwärter ist jedoch unzulässig.

(2) Substitutionsberechtigt ist ein Rechtsanwaltsanwärter, der die Rechtsanwaltsprüfung mit Erfolg abgelegt hat. Das Erfordernis der Rechtsanwaltsprüfung kann auf Ansuchen eines Rechtsanwalts vom Ausschuß der Rechtsanwaltskammer aus rücksichtswürdigen Gründen denjenigen bei ihm in Verwendung stehenden Rechtsanwaltsanwärtern erlassen werden, die an einer inländischen Universität das Doktorat der Rechte oder, für Absolventen des Diplomstudiums nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140, über das Studium der Rechtswissenschaften, den akademischen Grad eines Magisters der Rechtswissenschaften erlangt haben und mindestens eine neunmonatige zivil- und strafgerichtliche Praxis bei einem Gerichtshof erster Instanz und bei einem Bezirksgericht sowie eine achtzehnmonatige praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt oder bei der Finanzprokuratur nachzuweisen vermögen. Die Nachsicht der Rechtsanwaltsprüfung gilt jedoch nur für die Dauer der Verwendung des Rechtsanwaltsanwärters bei demjenigen Rechtsanwalt, auf dessen Ansuchen sie bewilligt wurde.

(3) Ist die Beiziehung eines Rechtsanwalts gesetzlich nicht vorgeschrieben, so kann sich der Rechtsanwalt vor allen Gerichten und Behörden auch durch einen anderen bei ihm in Verwendung stehenden Rechtsanwaltsanwärter unter seiner Verantwortung vertreten lassen; die Unterfertigung von Eingaben an Gerichte und Behörden durch einen Rechtsanwaltsanwärter ist jedoch unzulässig.

(4) Der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer hat den bei einem Rechtsanwalt in Verwendung stehenden Rechtsanwaltsanwärtern Legitimationsurkunden auszustellen, aus denen die Substitutionsberechtigung nach Abs2 (große Legitimationsurkunde) oder die Vertretungsbefugnis nach Abs3 (kleine Legitimationsurkunde) ersichtlich ist.

Das Gesetz unterscheidet zwischen substitutionsberechtigten Rechtsanwaltsanwärtern mit großer LU (§15 Abs1 und 2 RAO) und anderen mit kleiner LU (§15 Abs3 RAO). Substitutionsberechtigte Rechtsanwaltsanwärter mit großer LU können, wenn Anwaltspflicht besteht, den Rechtsanwalt, bei dem sie verwendet werden, unter dessen Verantwortung vertreten. Besteht keine Anwaltspflicht, kann sich der Rechtsanwalt auch durch einen anderen bei ihm beschäftigten Rechtsanwaltsanwärter gemäß §15 Abs3 RAO vertreten lassen.

2.3. Voraussetzung für die Erteilung einer Substitutionsberechtigung ist die Eintragung des Rechtsanwaltsanwärters in die Liste, hinsichtlich der §30 RAO, RGBl. Nr. 96/1868, zuletzt geändert durch BG BGBl. I Nr. 98/2001, folgendes bestimmt:

"§30. (1) Um die Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter zu erwirken, ist beim Eintritt in die Praxis bei einem Rechtsanwalt die Anzeige an den Ausschuß unter Nachweisung der österreichischen Staatsbürgerschaft und der Erfüllung der zum Eintritt in die Gerichtspraxis vorgeschriebenen Erfordernisse zu erstatten und wird diese Praxis erst von dem Tag des Einlangens dieser Anzeige gerechnet.

(2) (...)

(3) Die Eintragung in die Liste ist zu verweigern, wenn der Bewerber eine Handlung begangen hat, die ihn des Vertrauens unwürdig macht. Der Ausschuß hat die etwa notwendigen Erhebungen zu pflegen und, wenn die Eintragung verweigert werden soll, den Bewerber vorher einzuvernehmen.

(4) Gegen die Verweigerung der Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter, gegen die Löschung aus dieser Liste und gegen die Verweigerung der Bestätigung der Rechtsanwaltspraxis steht den Beteiligten das Recht der Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission (§§59 ff DSt) zu. Die Bestimmungen des zweiten Absatzes des §5a sind anzuwenden.

(5) (...)"

Die Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter ist nach dem Gesetz auch eine notwendige Voraussetzung dafür, dass die Tätigkeit als Zeit der "praktischen Verwendung bei einem Rechtsanwalt" iSd. §2 RAO für eine spätere Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte berücksichtigt werden kann.

Der Verfassungsgerichtshof deutet die wiedergegebenen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang so, dass im Falle der Eintragung in die Liste für den betreffenden Rechtsanwaltsanwärter ohne weitere Voraussetzungen eine kleine LU gemäß §15 Abs3 RAO ausgestellt werden kann. Mit dem erstmals in der Vorstellung des Erstbeschwerdeführers ausdrücklich gestellten Eventualantrag, "bei Versagung einer 'großen Legitimationsurkunde' zumindest eine 'kleine Legitimationsurkunde' auszustellen", wurde daher kein neuer, über das im Antrag an den Kammerausschuss gestellte Begehren auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter hinausgehender Verfahrensgegenstand in das Verfahren eingeführt.

3.1.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10.065/1984, 14.776/1997, 16.273/2001). Ein willkürliches Verhalten liegt aber auch im Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

3.1.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes durch einen Bescheid verletzt, wenn dieser einem Staatsbürger den Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt, ohne dass ein Gesetz die Behörde zu einem solchen die Erwerbstätigkeit einschränkenden Bescheid ermächtigt, oder wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides ein verfassungsmäßiges Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hat (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.470/1997, 15.449/1999; vgl. auch VfSlg. 15.431/1999).

3.2. Die behaupteten Grundrechtsverletzungen liegen nicht vor:

3.2.1. Die belangte Behörde geht erkennbar davon aus, dass das Gesetz in den oben wiedergegebenen Bestimmungen ua. "[d]ie zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung ... bei einem Rechtsanwalt" (vgl. §2 Abs1 erster Satz RAO) insoweit abschließend regelt, als nur derjenige in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter eingetragen werden kann, dessen praktische Verwendung "hauptberuflich und ohne Beeinträchtigung durch eine andere berufliche Tätigkeit" ausgeübt wird (§2 Abs1 dritter Satz leg.cit.). Die gesetzliche Anforderung der Hauptberuflichkeit der Tätigkeit - die neben dem eigenständigen Erfordernis, nicht durch eine andere berufliche Tätigkeit beeinträchtigt zu sein, erfüllt sein muss - ist zwar nach dem Wortlaut des Gesetzes nur eine Voraussetzung für die Zulassung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft bzw. für die Nachsicht von der vorherigen Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung im Falle der Erteilung einer Substitutionsberechtigung gemäß §15 Abs2 RAO; es ist aber vertretbar, anzunehmen, dass der Gesetzgeber in der RAO hinsichtlich der Berufsausübungsvoraussetzung der praktischen Verwendung für Rechtsanwaltsanwärter ein einheitliches System vorsehen wollte, das eine hauptberufliche Tätigkeit zur Grundvoraussetzung hat. Dafür spricht insbesondere §21b RAO idF der Novelle BG BGBl. I Nr. 93/2003, wonach der Rechtsanwalt "für eine umfassende Ausbildung des Rechtsanwaltanwärters entsprechend dem Berufsbild des Rechtsanwalts Sorge zu tragen und ihn dementsprechend hauptberuflich zu verwenden" hat.

3.2.2. Diese Auslegung der belangten Behörde führt weder zu einem gleichheitswidrigen noch zu einem gegen das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit verstoßenden Ergebnis: Es kann dem Gesetzgeber nämlich nicht entgegengetreten werden, wenn er die mit der Ausübung des Berufes eines Rechtsanwaltsanwärters verbundenen Befugnisse zur Vertretung des Rechtsanwaltes (zB aus Gründen der Qualitätssicherung einschließlich der Sicherstellung einer ausreichenden Vertrautheit mit den spezifischen Vorgängen in einer Rechtsanwaltskanzlei) nur jenen zugestehen wollte, deren Tätigkeit bei einem Rechtsanwalt "hauptberuflich und ohne Beeinträchtigung durch eine andere berufliche Tätigkeit" erfolgt.

Dienen die genannten Anforderungen somit einem zulässigen Zweck und sind sie zur Zweckerreichung auch geeignet und nicht an sich unverhältnismäßig, so war der Gesetzgeber nicht gehalten, Ausnahmen für jene Fälle vorzusehen, in denen Juristen zwar eine Tätigkeit anstreben, welche mit der Befugnis zur Vertretung des Rechtsanwaltes verbunden ist (und nicht bloß eine juristische Tätigkeit als Angestellte, wie sie ihnen ohnedies freistünde), die das nach dem Gesetz dafür vorgeschriebene zeitliche Ausmaß der Verwendung aber aus welchen Gründen immer nicht erbringen wollen.

Dies gilt im Besonderen für jene Fälle, in denen die Betreffenden weder die Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung noch die Ausübung des Berufes eines Rechtsanwaltes (und damit eine Anerkennung der Zeit als "praktische Verwendung" iSd. §2 Abs1 RAO) in Erwägung ziehen. Denn die Tätigkeit des Rechtsanwaltsanwärters ist wesensmäßig als Ausbildungszeit für jene gedacht, die den Beruf eines Rechtsanwaltes tatsächlich anstreben (vgl. zB VfSlg. 13.841/1994), sodass aus verfassungsrechtlicher Sicht zB auch Personen, die schon in die Rechtsanwaltsliste eingetragen waren und auch weiterhin als Rechtsanwälte eintragungsfähig wären, ungeachtet des Vorliegens ihrer fachlichen Eignung nicht zur Liste der Rechtsanwaltsanwärter zugelassen werden müssen (vgl. VfSlg. 13.841/1994 und 16.957/2003).

3.2.3. Schließlich begegnet es auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die belangte Behörde die beabsichtigte Betätigung des Zweitbeschwerdeführers im Ausmaß von nur 15 Wochenstunden als nicht dem Erfordernis der Hauptberuflichkeit entsprechend beurteilt hat. Dies ergibt sich schon daraus, dass nach §2 Abs1 letzter Satz RAO für die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt in Form einer Teilzeitbeschäftigung nach dem Mutterschutzgesetz oder dem Eltern-Karenzurlaubsgesetz eine Mindestzeit im Ausmaß der Hälfte der Normalarbeitzeit (von 40 Stunden) gesetzlich ausdrücklich vorgeschrieben ist. Der Beschwerdeführer weist zwar zurecht darauf hin, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 15.590/1999 entschieden hat, dass eine Teilzeitbeschäftigung bei einem Rechtsanwalt zumindest im Rahmen des §2 Abs1 erster Satz, zweiter Halbsatz RAO gleich "Fremdzeiten" anrechenbar ist, dies bedeutet aber nicht, dass Teilzeitbeschäftigung im Ausmaß von weniger als 20 Stunden berücksichtigt werden muss, da andernfalls das Element der Hauptberuflichkeit der Beschäftigung jede Bedeutung verlieren würde.

4. Soweit die belangte Behörde die Eintragung des Zweitbeschwerdeführers in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter versagt hat, ist der angefochtene Bescheid daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Angesichts dieses Ergebnisses kann daher die weitere Frage, ob einem in den Ruhestand getretenen Richter im - hier nicht vorliegenden - Fall seiner Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter sogleich eine große LU ausgestellt werden darf, auf sich beruhen. Der Verfassungsgerichtshof hegt im Hinblick auf die mit der Eintragung in die Liste verbundene besondere Rechtsstellung, einschließlich der disziplinarrechtlichen Verantwortlichkeit, insbesondere keine verfassungsrechtlichen Bedenken ob der im Gesetz vorgesehenen Koppelung der Erteilung einer Substitutionsbefugnis an die Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter.

5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Erstbeschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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