B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
Spruch:
Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Das Land Burgenland ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit jeweils € 2.340,-bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Folgende Sachverhalte sind gegeben:
1. Zu B98/05
1.1. Mit Vertrag vom 26.2.2003 verkauften G. und H. die Liegenschaft EZ ..., bestehend aus dem Grundstück Nr. ... LN im Ausmaß von 6.291 m², an den Beschwerdeführer.
1.2. Die Grundverkehrslandeskommission beim Amt der Burgenländischen Landesregierung versagte diesem Rechtserwerb mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 10.12.2004 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Begründend führte sie aus, dass es an einer Selbstbewirtschaftung auf Betriebsbasis mangle und keine hinreichende Befähigung zur Führung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes glaubhaft gemacht werden könne.
Zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung habe der Beschwerdeführer über keine erforderliche fachliche Befähigung zur Führung eines Obstbaubetriebes verfügt; eine fachliche Qualifizierung in näherer oder fernerer Zukunft reiche nicht aus. Obgleich nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte die Selbstbewirtschaftung nicht voraussetze, dass der Erwerber persönlich "Handanlegen" müsse und demnach die manuellen Verrichtungen seinen Dienstnehmern überlassen dürfe, müsse er dennoch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den grundverkehrsbehördlich zu genehmigenden Rechtserwerb die fachliche Befähigung besitzen.
Weiters stünde - entgegen der Ansicht des nunmehrigen Beschwerdeführers - der Bestimmung des §4 Abs2 Bgld. GVG bei "rein nationalen Erwerbsvorgängen, wie [im] vorliegende[n] Fall", das Gemeinschaftsrecht nicht entgegen, sodass sie auf den gegenständlichen Rechtserwerb anzuwenden sei.
Die Bewirtschaftung des vertragsgegenständlichen Grundstückes erfolge zudem nicht im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes. Der land- und forstwirtschaftliche Betrieb setze als selbständige Wirtschaftseinheit eine organisatorische Einheit aus ausreichendem Grundbesitz und Hofstelle (Wirtschafts- und Betriebsgebäude) voraus. Daraus folge, dass
"nicht schon der Besitz einzelner land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke einen landwirtschaftlichen Betrieb begründet; der Grundbesitz muss eine solche Mindestflächenausstattung aufweisen, dass die daraus gezogenen Erträgnisse auf wirtschaftlich signifikante Weise zum Lebensunterhalt beitragen. Wann die Ausstattung mit Grundflächen hinreichend ist[,] richtet sich dabei zufolge der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nach der Art des Betriebes."
Angesichts des Umstandes, dass durch den geplanten Obstbau für den Beschwerdeführer auf Grund der noch zu tätigenden Investitionen kein Beitrag zum Lebensunterhalt zu erwarten sei, sei das Erfordernis der Selbstbewirtschaftung auch aus diesem Grund nicht erfüllt.
Letztlich werde festgehalten, dass das Grundstück inmitten landwirtschaftlich genutzter Feldgrundstücke liege und eine Größe von
6.291 m² aufweise, sodass weder von einem "lediglich zur gartenmäßigen Bewirtschaftung geeigneten", noch einem "kleinen" Grundstück im Sinne des §4 Abs2 Z4 Bgld. GVG gesprochen werden könne.
1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
1.4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Zurück-, in eventu die Abweisung der Beschwerde beantragt.
2. Zu B3284/05
2.1. Mit Kaufvertrag vom 1.12.2004 verkaufte J. eine näher bezeichnete Liegenschaft, bestehend aus einem Wiesengrundstück im Ausmaß von 2.395 m², an den nunmehrigen Beschwerdeführer.
2.2. Die Grundverkehrslandeskommission beim Amt der Burgenländischen Landesregierung versagte diesem Rechtserwerb mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 6.10.2005 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung und führte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im Wesentlichen aus, dass das im Gesetz statuierte Erfordernis der ordnungsgemäßen Selbstbewirtschaftung nicht gegeben sei, weil im vorliegenden Fall zunächst von 10,9007 ha landwirtschaftlich genutzter Fläche lediglich 0,3845 ha vom Beschwerdeführer selbst bewirtschaftet worden seien; die restliche Fläche sei verpachtet worden. Wenngleich der Beschwerdeführer zwischenzeitlich 0,2395 ha zur Selbstbewirtschaftung zurückgenommen habe, vermöge dieser Umstand nichts daran zu ändern, dass der überwiegende Teil des Eigengrundes weiterhin verpachtet sei.
2.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
2.4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Aus Anlass dieser Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof am 12.6.2006 gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "und der Erwerber glaubhaft macht, daß er das zu erwerbende Grundstück selbst im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften wird" in §4 Abs2 Z1 des Gesetzes vom 29. Jänner 1996 über den Verkehr mit Grundstücken im Burgenland (Burgenländisches Grundverkehrsgesetz 1995 - Bgld. GVG), LGBl. Nr. 42/1996 in der Fassung LGBl. Nr. 50/2000, sowie des §4 Abs3 und des §4 Abs4 Z2 leg.cit. ein. Mit Erkenntnis vom 5.12.2006, G121-122/06, hob er die in Prüfung gezogenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf.
III. Die Beschwerden sind begründet.
Die belangte Behörde hat verfassungswidrige Gesetzesbestimmungen angewendet. Es ist nach Lage der vorliegenden Beschwerdefälle nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war.
Die Beschwerdeführer wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).
Die Bescheide waren daher aufzuheben.
IV. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von je € 360,-
sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von je € 180,-
enthalten.
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