Normen
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
ABGB §1042
AVG §39 Abs2
Vlbg SpitalfondsG §10
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
ABGB §1042
AVG §39 Abs2
Vlbg SpitalfondsG §10
Spruch:
Die beschwerdeführenden Parteien sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Vorarlberger Gebietskrankenkasse, die Sozialversicherungsanstalt der Bauern, die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen (nunmehr: Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau) sowie die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter stellten mit Schriftsatz vom 2. Juli 2004 den Antrag an die Schiedskommission nach dem Vorarlberger Spitalfondsgesetz beim Amt der Vorarlberger Landesregierung, den Vorarlberger Spitalfonds zu verpflichten, den antragstellenden Versicherungsträgern Kosten in Höhe von insgesamt EUR 691.360,52 aus der "Schadloshaltung" ihrer Versicherten für Hämodialysen in der Dialysestation Bregenz im Jahr 2003 zu ersetzen.
Begründend wurde dazu Folgendes ausgeführt:
Die Hämodialyse sei bis zum Jahr 2002 im Land Vorarlberg ausschließlich im LKH Feldkirch sowie in einer von der "Dialysestation Bürs GmbH" betriebenen Privatkrankenanstalt durchgeführt worden. Die Vergütung der im LKH Feldkirch durchgeführten Hämodialysen sei bis zum Inkrafttreten der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung (im Jahr 1997) in einem zwischen dem Land Vorarlberg und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger geschlossenen Ambulanzvertrag geregelt gewesen.
Im Jahr 2002 seien der "Dialysestation Bregenz GmbH" die Errichtungs- und die Betriebsbewilligung für eine Dialysestation in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums mit acht Hämodialyseplätzen am Standort Bregenz erteilt worden; die Dialysestation Bregenz habe im Jänner 2003 ihren Betrieb aufgenommen. In der Folge habe sich das Land Vorarlberg (bzw. der Vorarlberger Spitalfonds) jedoch geweigert, die Kosten der in der Dialysestation Bregenz durchgeführten Hämodialysen zu übernehmen; die den Patienten dadurch entstandenen Kosten seien daher vorläufig von den antragstellenden Versicherungsträgern - vorbehaltlich eines Ersatzanspruches gegen das Land Vorarlberg (Vorarlberger Spitalfonds) - ersetzt worden.
Dadurch, dass Patienten, die sich bisher im LKH Feldkirch ambulanter Hämodialyse unterzogen haben, an die neu errichtete Dialysestation Bregenz verwiesen worden seien, sei zum einen eine Minderauslastung der aus Mitteln des Vorarlberger Spitalfonds finanzierten Dialyseeinrichtung in Feldkirch eingetreten; zum anderen seien der sozialen Krankenversicherung zusätzliche Kosten entstanden. Diese seien den antragstellenden Versicherungsträgern gemäß §1042 ABGB vom Vorarlberger Spitalfonds zu ersetzen.
2. Mit Bescheid vom 9. Februar 2005 wies die Schiedskommission nach dem Vorarlberger Spitalfondsgesetz beim Amt der Vorarlberger Landesregierung das von den (nunmehr) beschwerdeführenden Versicherungsträgern gestellte Leistungsbegehren - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab.
Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Nach den Regelungen über die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung hätten die Versicherungsträger an den beim Land errichteten Krankenanstaltenfonds Pauschalbeträge zu leisten, mit denen die Leistungen der über diesen Fonds finanzierten Krankenanstalten im Wesentlichen abgegolten seien. Da diese Regelung von der Beibehaltung des am 31. Dezember 1996 gegebenen Versorgungsangebotes öffentlicher Krankenanstalten ausgehe, komme den Versicherungsträgern "stets dann" ein Ersatzanspruch gegen die Länder zu, wenn es bei diesen (nunmehrigen) Fondskrankenanstalten zu Leistungseinschränkungen komme. Im vorliegenden Fall sei durch die Inbetriebnahme der Dialysestation Bregenz das Versorgungsangebot (im nicht über den Spitalfonds finanzierten Bereich) erweitert worden, die Kapazität des LKH Feldkirch aber unverändert geblieben; die Versicherungsträger hätten daher keinen Ersatzanspruch gegen den Spitalfonds.
3. Gegen diesen - keinem weiteren Rechtszug unterliegenden (vgl. §10 Abs6 des Vorarlberger Spitalfondsgesetzes) - Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Darin behaupten die beschwerdeführenden Versicherungsträger, in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf ein faires Verfahren und auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung verletzt zu sein, und beantragen die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift; darin verteidigt sie den angefochtenen Bescheid und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. §10 des Vorarlberger Spitalfondsgesetzes, LGBl. Nr. 20/1997 idF LGBl. Nr. 20/2003, lautet samt Überschrift wie folgt:
"§10
Schiedskommission
(1) Beim Amt der Landesregierung wird eine Schiedskommission zur Entscheidung in folgenden Angelegenheiten eingerichtet:
a) die Entscheidung über den Abschluß von Verträgen zwischen den Trägern öffentlicher Krankenanstalten, die am 31. Dezember 1996 bestanden haben und nicht zu den vom Spitalsfonds zu finanzierenden Krankenanstalten gehören, und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger,
b) die Entscheidungen über Streitigkeiten aus zwischen den Trägern der im §1 angeführten Krankenanstalten und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (oder einem Träger der sozialen Krankenversicherung) abgeschlossenen Verträgen einschließlich der Entscheidung über die aus diesen Verträgen erwachsenden Ansprüche gegenüber einem Träger der Sozialversicherung oder gegenüber dem Spitalfonds,
c) die Entscheidung über Streitigkeiten zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger oder einem Träger der sozialen Krankenversicherung und dem Spitalfonds über die wechselseitigen Verpflichtungen und Ansprüche aus der Vereinbarung nach Art15a B-VG über die Neustrukturierung des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung sowie
d) die Entscheidung über Ansprüche, die sich auf den Sanktionsmechanismus (Art29 der Vereinbarung nach Art15a B-VG über die Neustrukturierung des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung) gründen.
(2) Die Schiedskommission besteht aus:
a) einem vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck bestellten Richter des Aktivstandes der zum Sprengel des Oberlandesgerichtes Innsbruck gehörenden Gerichte als Vorsitzendem,
b) einem vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger entsandten Beisitzer,
c) einem von der Landesregierung aus dem Kreise der Landesbediensteten des Aktivstandes entsandten Beisitzer und
d) je einem von der Landesregierung und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger aus dem Kreise der Mitglieder der Kammer der Wirtschaftstreuhänder entsandten Beisitzer.
(3) Wenn in einem Verfahren ein Träger einer im §1 angeführten Krankenanstalt Streitpartei ist, tritt anstelle des von der Landesregierung gemäß Abs2 litd entsandten Beisitzers ein vom betroffenen Träger aus dem Kreise der Mitglieder der Kammer der Wirtschaftstreuhänder entsandter Beisitzer.
(4) Für jedes Mitglied nach Abs2 und 3 ist in gleicher Weise ein Ersatzmitglied zu bestellen bzw. zu entsenden, welches das Mitglied im Falle der Verhinderung oder Befangenheit vertritt.
(5) Die Mitglieder nach Abs2 sind für die Dauer von vier Jahren zu bestellen bzw. zu entsenden. Scheidet ein Mitglied vorzeitig aus, so ist für den Rest der Amtsdauer einen neues Mitglied zu bestellen bzw. zu entsenden.
(6) Ein Antrag auf Entscheidung kann von jedem der nach Abs1 in Betracht kommenden Streitparteien gestellt werden. Die Bescheide der Schiedskommission sind endgültig und unterliegen nicht der Aufhebung im Verwaltungswege.
(7) Von der Schiedskommission durchgeführte mündliche Verhandlungen sind öffentlich. Die Beratungen und Abstimmungen der Schiedskommission sind nicht öffentlich. Die Schiedskommission ist beschlussfähig, wenn der Vorsitzende und zwei Beisitzer anwesend sind.
(8) Die Beratung hat mit dem Vortrag des Vorsitzenden zu beginnen. Nach einer allfälligen Erörterung des Vortrages hat der Vorsitzende die erforderlichen Anträge zu stellen. Die Beisitzer können Gegen- und Abänderungsanträge stellen. Alle Anträge sind zu begründen. Die Anträge sind in der vom Vorsitzenden zu bestimmenden Reihenfolge zur Abstimmung zu bringen. Kein Mitglied der Schiedskommission darf sich der Stimme enthalten. Die Beisitzer haben ihre Stimme in alphabetischer Reihenfolge, der Vorsitzende hat seine Stimme zuletzt abzugeben. Ein Antrag gilt als angenommen, wenn die Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf ihn fällt.
(9) Über die Beratung und Abstimmung ist ein Beratungsprotokoll zu führen. Es hat die Namen der Anwesenden, alle Anträge, die gestellt wurden, und die Beratungs- und Abstimmungsergebnisse zu enthalten. Wenn dem Standpunkt einer Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird, hat das Beratungsprotokoll außerdem die wesentlichen Punkte der Begründung der von der Schiedskommission angenommenen Anträge zu enthalten. Das Beratungsprotokoll ist vom Vorsitzenden zu fertigen.
(10) Bescheide der Schiedskommission sind schriftlich zu erlassen. Sie haben die Namen der Mitglieder, welche an der Abstimmung teilgenommen haben, anzuführen und sind vom Vorsitzenden zu fertigen.
(11) Soweit nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren vor der Schiedskommission die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 anzuwenden.
(12) Den Mitgliedern der Schiedskommission - soweit es nicht Landesbedienstete sind - gebührt der Ersatz der notwendigen Fahrtauslagen und eine Entschädigung für Zeitversäumnis, deren Höhe von der Landesregierung tarifmäßig festzusetzen ist."
2. Gemäß Art6 Abs1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb angemessener Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Tribunal, das über seine zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat.
Der vorliegende Fall betrifft der Sache nach einen Aufwands- bzw. Schadenersatzanspruch. Die zur Entscheidung über einen solchen Anspruch zuständige Behörde hat daher den Anforderungen des Art6 Abs1 EMRK zu entsprechen (vgl. zuletzt VfSlg. 16.959/2003 mwN).
2.1. Die Beschwerde rügt zunächst, dass die belangte Behörde ihr Ermittlungsverfahren darauf beschränkt habe, in die vom beteiligten Spitalfonds vorgelegten Urkunden Einsicht zu nehmen, ohne dass die beschwerdeführenden Parteien Gelegenheit gehabt hätten, vom Inhalt dieser Urkunden Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Der für das Verwaltungsverfahren wesentliche Grundsatz des rechtlichen Gehörs sei damit "so eklatant" missachtet worden, dass der Behörde sowohl eine Verletzung des Rechtes auf ein faires Verfahren als auch willkürliches Verhalten anzulasten sei.
Dieser Vorwurf ist nicht begründet:
Es trifft zu, dass die belangte Behörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt zum Teil aus Urkunden festgestellt hat, die im Verwaltungsverfahren vom beteiligten Spitalfonds vorgelegt, den beschwerdeführenden Parteien aber nicht zur Kenntnisnahme übermittelt worden sind. Ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler ist darin aber nicht zu erblicken: Der Spitalfonds hat den wesentlichen Inhalt dieser Urkunden nämlich in seiner im Verwaltungsverfahren erstatteten schriftlichen Stellungnahme zusammenfassend wiedergegeben; diese ist den beschwerdeführenden Parteien auch übermittelt worden. Hinzu kommt, dass in der vorliegenden Beschwerde nicht einmal behauptet wird, dass die belangte Behörde bei Wahrung des rechtlichen Gehörs der beschwerdeführenden Parteien zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
2.2. Soweit die Beschwerde schließlich den Vorwurf erhebt, die belangte Behörde habe entgegen Art6 Abs1 EMRK über das von den beschwerdeführenden Parteien gestellte Leistungsbegehren ohne mündliche Verhandlung entschieden, ist sie darauf zu verweisen, dass §39 Abs2 AVG (§10 Abs11 SpitalfondsG) den Parteien des Verwaltungsverfahrens ausdrücklich die Möglichkeit einräumt, die Durchführung einer - öffentlichen (vgl. §10 Abs7 SpitalfondsG) - mündlichen Verhandlung zu beantragen. Von diesem Recht haben die - schon im Verwaltungsverfahren anwaltlich vertretenen - beschwerdeführenden Parteien aber nicht Gebrauch gemacht, was als konkludenter Verzicht zu deuten ist (vgl. zB EGMR 21. März 2002, Z32.636/96, A.T./Österreich, Rz 36 mwN; vgl. auch VfGH 2. November 2005, B440/05 mwN).
3. Die behaupteten Rechtsverletzungen liegen somit nicht vor. Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, dass der angefochtene Bescheid die beschwerdeführenden Parteien in einem anderen, von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt hätte.
Die beschwerdeführenden Parteien sind somit durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie hier - gegen den Bescheid einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag richtet, der gemäß Art133 Z4 B-VG nicht mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden kann (zB VfSlg. 3975/1961, 7121/1973, 7654/1975, 9541/1982 mwN).
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
4. Kosten an die belangte Behörde (offenbar als Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes) waren nicht zuzusprechen, da dies im VfGG nicht vorgesehen ist und eine sinngemäße Anwendung des §48 Abs2 VwGG im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht kommt (zB VfSlg. 10.003/1984).
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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