B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
Spruch:
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 1.962,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid der Kommunikationsbehörde Austria vom 22. April 2002 wurde dem Österreichischen Rundfunk (ORF) gemäß §10 Abs7 des Bundesgesetzes über die Einrichtung einer Kommunikationsbehörde Austria ("KommAustria") und eines Bundeskommunikationssenates (KommAustria-Gesetz - KOG), BGBl. I 32/2001, ein Finanzierungsbeitrag zur Finanzierung des Aufwandes der "Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH" (RTR-GmbH) für das
1. Quartal 2002 in bestimmter Höhe vorgeschrieben. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom 5. Juni 2002 nicht stattgegeben.
2. Gegen diesen - letztinstanzlichen - Bescheid erhob der ORF Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
3. Der Bundeskommunikationssenat als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der er die Abweisung der Beschwerde beantragt.
4. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst erstattete auf Einladung des Verfassungsgerichtshofes eine Äußerung, in der es den in der Beschwerde geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §10 KOG entgegentritt.
II. 1. Mit Erkenntnis vom 7. Oktober 2004, G3/04 hob der Verfassungsgerichtshof die die Rundfunkveranstalter bzw. Rundfunkbranche betreffenden Teile des §10 KOG als verfassungswidrig auf.
2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
Die mündliche Verhandlung im erwähnten Verfahren G3/04 zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Teilen des §10 KOG fand am 7. Oktober 2004 statt. Die vorliegende Beschwerde langte beim Verfassungsgerichtshof am 25. Juni 2002 ein, war also zum Zeitpunkt der Durchführung der mündlichen Verhandlung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig erkannte Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war. Die beschwerdeführende Partei wurde somit wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,-
enthalten.
IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
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