VfGH G71/02

VfGHG71/0225.6.2003

Zurückweisung des Individualantrags eines kurdischen Asylwerbers auf Aufhebung einer Bestimmung des Bundesbetreuungsgesetzes betreffend die Verneinung eines Rechtsanspruches auf Bundesbetreuung; Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Klärung eines Anspruches auf die in Form der Privatwirtschaftsverwaltung durchgeführte Bundesbetreuung

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
BundesbetreuungsG §1 Abs3
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
BundesbetreuungsG §1 Abs3

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Der Antragsteller, ein türkischer Staatsangehöriger der kurdischen Volksgruppe, reiste am 31. Oktober 2001 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl; er wurde jedoch trotz Mittellosigkeit - wie er selbst vorbringt - nicht in die Bundesbetreuung aufgenommen. Mit vorliegendem auf Art140 Abs1 B-VG gestützten Individualantrag begehrt der Antragsteller in der Bestimmung des §1 Abs3 Bundesbetreuungsgesetz beim Wort "kein" den Buchstaben "k" als verfassungswidrig aufzuheben, in eventu das Wort "kein" bzw. die Bestimmung des §1 Abs3 Bundesbetreuungsgesetz zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben.

2. §1 des Bundesgesetzes, mit dem die Bundesbetreuung von Asylwerbern geregelt wird (Bundesbetreuungsgesetz), BGBl. 405/1991, lautet:

"§1. (1) Der Bund übernimmt die Betreuung hilfsbedürftiger Fremder, die einen Antrag nach §2 des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968, in der geltenden Fassung, gestellt haben (Asylwerber). Die Bundesbetreuung umfaßt Unterbringung, Verpflegung und Krankenhilfe sowie sonstige notwendige Betreuungsmaßnahmen. Die einzelnen Leistungen können unter Berücksichtigung des Grades der Hilfsbedürftigkeit auch teilweise gewährt werden.

(2) Die Möglichkeit, Leistungen auf Grund dieses Bundesgesetzes zu erhalten, läßt Ansprüche auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften unberührt.

(3) Auf die Bundesbetreuung besteht kein Rechtsanspruch."

3. Zur Zulässigkeit des Individualantrages führt der Antragsteller ua. aus, dass er unmittelbar und nachteilig von dieser Bestimmung betroffen sei und für ihn keine Möglichkeit bestehe, im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens oder eines Verwaltungsverfahrens auf indirektem Wege eine verfassungsgerichtliche Kontrolle der verfahrensgegenständlichen Norm zu erreichen.

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie zur Zulässigkeit im Wesentlichen ausführt, dass das Bundesbetreuungsgesetz ein Selbstbindungsgesetz sei, das nur "Innenwirkung" entfalte, nur Organe der Verwaltung binde und weder Rechte noch Pflichten von Rechtsunterworfenen begründen könne. Daher sei ausgeschlossen, dass Bestimmungen dieses Gesetzes den Antragsteller in seiner Rechtssphäre berühren, weshalb seine Antragslegitimation zu verneinen sei. Weiters wird die richtige Abgrenzung des Anfechtungsumfanges und die mangelhafte Darlegung der gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes entsprechenden Bedenken im Einzelnen bemängelt.

II. Der Individualantrag ist nicht zulässig:

1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt seit dem Beschluss VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setzte voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB. VfSlg. 11.684/1988, 13.871/1994, 14.752/1997).

2. Die Bundesbetreuung wird in Form der Privatwirtschaftsverwaltung durchgeführt, weshalb einer Person, die Bundesbetreuung in Anspruch nehmen will, der Weg der ordentlichen Gerichte offen steht; bei der dort zu klärenden Frage, ob ein Betreuungsanspruch nach dem Bundesbetreuungsgesetz besteht, ist zweifellos §1 Abs3 Bundesbetreuungsgesetz präjudiziell. Der Klagsweg ist auch unter Berücksichtigung der besonderen wirtschaftlichen Verhältnisse des Asylwerbers im Hinblick auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 24. Februar 2003, 1 Ob 272/02, zumutbar, da diese einen Rückersatzanspruch der Kosten für die Übernahme der Betreuung von Asylwerbern durch Private vorsieht.

III. Der vorliegende Individualantrag ist daher schon aus den dargelegten Erwägungen zurückzuweisen.

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