VfGH B1695/99

VfGHB1695/9928.2.2002

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch einen Bescheid der Bundes-Wertpapieraufsicht wegen Bescheiderlassung durch eine qualitativ andersartige, aufgrund der bereinigten Rechtslage nach Aufhebung von Bestimmungen des Wertpapieraufsichtsgesetzes betreffend die eigene Rechtspersönlichkeit dieser Einrichtung nicht mehr zuständige Behörde

Normen

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
WertpapieraufsichtsG
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
WertpapieraufsichtsG

 

Spruch:

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.143,68 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen ein Bescheid der "Bundes-Wertpapieraufsicht" (im folgenden: BWA) vom 2. September 1999, mit dem der nunmehr beschwerdeführenden Gesellschaft die Erteilung einer (eingeschränkten) Konzession als Wertpapierdienstleistungsunternehmen versagt wurde.

Die Beschwerde behauptet die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Freiheit der Erwerbsausübung sowie in Rechten die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes.

2. Die BWA legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

3. Aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß 15. Juni 2001 ein Verfahren zur Prüfung der die Ausgliederung der BWA anscheinend bewirkenden Bestimmungen des Wertpapieraufsichtsgesetzes (WAG) ein. Er nahm dabei vorläufig an, daß der BWA einerseits iSd Erkenntnisses VfSlg. 14.473/1996 nicht "bloß vereinzelte Aufgaben" übertragen worden seien und daß andererseits die Leitungs- und Organisationsverantwortung des Bundesministers für Finanzen als eines obersten Organs nicht ausreichend gesichert erscheint.

4. Mit seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 2001, G269/01 ua., hob der Verfassungsgerichtshof jene der in Prüfung gezogenen Bestimmungen des WAG als verfassungswidrig auf, durch die die BWA als selbständige Einrichtung des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit konstituiert wurde.

II. Die Beschwerde ist zulässig und im Ergebnis auch begründet:

Gemäß Art140 Abs7 B-VG sind für verfassungswidrig erkannte Gesetzesbestimmungen im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden.

In §1 Abs1 WAG wurde mit dem zitierten Erkenntnis vom 12. Dezember 2001 jene Wortfolge aufgehoben, die der BWA eigene Rechtspersönlichkeit verlieh. Weiters wurden jene in Prüfung stehenden Bestimmungen aufgehoben, die mit der Einrichtung als eigener Rechtsträger notwendig verbunden waren. Durch die Aufhebung dieser Bestimmungen hat die bescheiderlassende Behörde ihre Stellung als eigener Rechtsträger verloren; nach der bereinigten Rechtslage ist sie als eine dem Bundesminister für Finanzen unterstellte Sonderbehörde zu qualifizieren. Damit hat sich die Qualität des rechtlichen Bestandes der bescheiderlassenden Behörde wesentlich verändert. Gegen ihre im Verwaltungsverfahren erlassenen Bescheide ist jedoch auch nach der bereinigten Rechtslage ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig, da der Gehalt des dies anordnenden §28 Abs2 WAG durch das Erkenntnis im Gesetzesprüfungsverfahren keine Änderung erfahren hat.

Die Beschwerde ist daher auch auf Basis der bereinigten Rechtslage zulässig.

Sie ist auch begründet:

Der bekämpfte Bescheid wurde von einer qualitativ andersartigen (nämlich als selbständiger Rechtsträger agierenden) Behörde erlassen, die als solche nach der bereinigten Rechtslage für die Erlassung des angefochtenen Bescheides offenkundig nicht zuständig ist. Da das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt wird, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt, verletzt der angefochtene Bescheid die beschwerdeführende Gesellschaft in diesem Recht.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist eine Eingabegebühr in der Höhe von € 181,68 und Umsatzsteuer in Höhe von € 327,-- enthalten.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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