Normen
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Satzung der Agrargemeinschaft Serfaus §11, §12
Tir FlVLG 1996 §35 Abs7
VfGG §19 Abs3 Z2 lite
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Satzung der Agrargemeinschaft Serfaus §11, §12
Tir FlVLG 1996 §35 Abs7
VfGG §19 Abs3 Z2 lite
Spruch:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
1.1. Gemäß dem Regulierungsplan vom 8.9.1970 für die Agrargemeinschaft Serfaus und dem Bescheid der Agrarbehörde vom 16.5.2000 ist an der Agrargemeinschaft Serfaus die Stammsitzliegenschaft EZ 744 GB Serfaus im Eigentum der E.S. mit 15,00 Anteilen anteilsberechtigt, wovon 7,05 Anteile (Nutzholz-Anteil von 3,05 und Brennholz-Losteil von 4,00) laut Regulierungsplan ruhen. Mit Kaufvertrag vom 26.9.1991 verkaufte E. S. 7,05 der mit ihrer Stammsitzliegenschaft verbundenen Anteilsrechte an A. P. zur realrechtlichen Verbindung mit dessen Liegenschaft EZ 445 GB Serfaus, die bisher an der Agrargemeinschaft Serfaus noch nicht anteilsberechtigt war.
Mit Bescheid vom 18.12.2001 bewilligte das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (unter Spruchpunkt 1) die im genannten Kaufvertrag vereinbarte und beurkundete teilweise Absonderung des mit EZ 744 GB Serfaus verbundenen Anteilsrechts im Umfang von 7,05 Anteilen an der Agrargemeinschaft Serfaus unter Bindung dieser Anteile an die Liegenschaft EZ 445 GB Serfaus. Gleichzeitig wurden (mit Spruchpunkt 2 des Bescheids) zwei gegen einen Beschluss des Ausschusses der Agrargemeinschaft Serfaus erhobene Einsprüche als unbegründet abgewiesen.
1.2. Die gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung von der Agrargemeinschaft Serfaus erhobene, als nur gegen Spruchpunkt 1 des Bescheids gerichtet gewertete Berufung wies der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 22.2.2002 als unzulässig zurück.
Begründend wird ausgeführt, dass gemäß §§12, 13 der Satzung der Agrargemeinschaft iVm §§35 Abs7, 36 Abs1 litc Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (TFLG 1996) einer Berufung ein innerhalb der Rechtsmittelfrist gefasster Beschluss des Ausschusses der Agrargemeinschaft vorausgehen müsste. Der im vorliegenden Fall vom Obmann im Namen der Agrargemeinschaft erhobenen Berufung mangle es jedoch an einem solchen - rechtzeitig gefassten - Beschluss des Ausschusses; eine nachträgliche Genehmigung durch das zuständige Organ erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist - wie sie im vorliegenden Fall erfolgte - könne die rechtzeitiZurückweisung der Beschwerde einer Agrargemeinschaft mangels Legitimation wegen fehlender Bevollmächtigung zur Erhebung einer Beschwerde durch das satzungsgemäß befugte Organge Willensbildung nicht ersetzen.
Die Berufung sei überdies auch deswegen unzulässig, weil der Agrargemeinschaft gemäß §74 Abs5 TFLG 1996 im Verfahren zur Bewilligung der Absonderung von Anteilsrechten keine Parteistellung zukomme.
2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) infolge Verweigerung der Sachentscheidung und unrichtiger Zusammensetzung der Behörde sowie des durch Art6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf eine mündliche Verhandlung vor einem unparteiischen Tribunal behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheids, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.
2.2. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Zulässigkeit der Beschwerde - mangels Deckung durch einen entsprechenden Ausschussbeschluss - bestreitet, dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Zurückweisung oder Abweisung der Beschwerde beantragt.
2.3. Die mitbeteiligte Partei A. P. erstattete eine Äußerung, in der sie zunächst die Unzulässigkeit der Beschwerde behauptet. Laut Kundmachung an der Amtstafel habe der Ausschuss der Agrargemeinschaft Serfaus am 22.3.2002 zwar den Beschluss gefasst, "alle rechtlichen Möglichkeiten [...] zu prüfen und die erforderlichen Maßnahmen zu setzen"; dieser Beschluss ermächtige aber nur dazu, die Angelegenheit - etwa durch einen Rechtsanwalt - überprüfen zu lassen. Der Beschluss sei hingegen zu unbestimmt, um den Obmann zu ermächtigen, einen Rechtsanwalt mit der Einbringung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde zu betrauen. Im Übrigen tritt die beteiligte Partei dem Beschwerdevorbringen entgegen und beantragt die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Beschwerde.
2.4. Mit Schriftsatz vom 29.7.2002 - zugestellt am 5.8.2002 - forderte der Verfassungsgerichtshof die beschwerdeführende Agrargemeinschaft gemäß §18 VfGG unter Hinweis auf die Säumnisfolgen auf, innerhalb von vier Wochen den Beschluss des Ausschusses der Agrargemeinschaft über die Erhebung der Beschwerde vorzulegen.
2.5. Mit Schriftsatz vom 30.8.2002 legte die beschwerdeführende Agrargemeinschaft folgende Urkunden vor:
- die am 31.1.2002 durch Anschlag erfolgte Kundmachung über die Sitzung des Agrarausschusses der Agrargemeinschaft Serfaus vom 28.1.2002, in der zu Punkt 2. einstimmig beschlossen wurde, in der Angelegenheit "Übertragung eines ruhenden Holzbezugsrechts auf eine nicht berechtigte Liegenschaft" die "Erhebung von Rechtsmitteln bei Verwaltungsbehörden nach §12 der Satzungen zu beantragen";
- den Beschlusspunkt 5) der Sitzung vom 22.3.2002, wonach "[b]ezüglich der Übertragung eines Holzrechtes auf eine nichtberechtigte Liegenschaft" beschlossen wurde, "alle rechtlichen Möglichkeiten dagegen zu prüfen und die erforderlichen Maßnahmen zu setzen";
- eine (offenbar) vom Obmann auf einem eigenen Blatt vorgenommene handschriftliche Anmerkung, die lautet: "Agrarsitzung am
22. III.02 unter Punkt 5) Die Bewilligung des Kaufvertrages über ein Holzbezugsrecht durch den Agrarsenat, soll beim Verfassungsgerichtshof beeinsprucht werden".
2.6. Die mitbeteiligte Partei A. P. erstattete dazu eine Äußerung, in der sie ausdrücklich bestreitet, dass "über den zu Punkt 5 gefassten und kundgemachten Beschluss vom 22.3.2002 hinaus" am selben Tag und folglich anlässlich derselben Sitzung des Ausschusses "auch noch eine Beschlussfassung im Sinne der nachträglich angefertigten handschriftlichen Ergänzungen des Obmannes erfolgt" sei. Eine solche Beschlussfassung sei schon allein deshalb auszuschließen, "weil dann der tatsächlich gefasste und auch kundgemachte Beschluss überhaupt keinen Sinn mehr ergeben würde". Eine Kundmachung im Sinne der nachträglichen Ergänzungen sei im Übrigen nie erfolgt.
3. Die Beschwerde ist nicht zulässig.
3.1. Gemäß §35 Abs7 TFLG 1996 vertritt der Obmann die Agrargemeinschaft nach außen, in Angelegenheiten, die der Beschlussfassung durch die Vollversammlung oder den Ausschuss unterliegen, jedoch nur im Rahmen entsprechender Beschlüsse. Der Aufgabenbereich der Organe der Agrargemeinschaft ist gemäß §36 Abs1 litc leg. cit. durch die Satzung der Agrargemeinschaft zu regeln.
§12 der Satzung der Agrargemeinschaft Serfaus bestimmt:
"Soweit Angelegenheiten nicht ausdrücklich einem anderen Organ vorbehalten sind, zählen alle Aufgaben zum Wirkungskreis des Ausschusses, wie insbesondere [...] die Beschlußfassung über die Antragstellung (Klagseinbringung) sowie Erhebung von Rechtsmitteln bei Verwaltungsbehörden und Gerichten, [...]".
Gemäß §11 Abs1 der Satzung sind Ausschussbeschlüsse binnen einer Woche nach Beschlussfassung durch öffentlichen Anschlag während einer Woche kundzumachen.
3.2. Die im vorliegenden Fall von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Unterlagen sind nicht geeignet, eine den genannten Bestimmungen entsprechende Beschlussfassung und Kundmachung nachzuweisen:
Dass der in der Sitzung vom 31.1.2002 getroffene und durch Anschlag kundgemachte Beschluss der "Erhebung von Rechtsmitteln bei Verwaltungsbehörden" die Einbringung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht einzuschließen vermag, versteht sich von selbst. Der Beschluss vom 22.3.2002 - dessen Kundmachung dem Verfassungsgerichtshof gegenüber übrigens nicht nachgewiesen wurde - ermächtigt zwar dazu, in der betreffenden Angelegenheit "alle rechtlichen Möglichkeiten [...] zu prüfen und die erforderlichen Maßnahmen zu setzen", lässt aber offen, ob eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (und/oder den Verwaltungsgerichtshof) erhoben werden soll. Die Frage der Kundmachung kann dahinstehen, weil diese Formulierung ebenfalls keine taugliche Grundlage für die Erhebung der vorliegenden Beschwerde darstellt. Somit war nicht mehr bedeutsam, ob der vom Obmann handschriftlich vorgenommene Vermerk auf einem Beschluss in der Sitzung vom 22.3.2002 beruht, zumal hier - unbestrittenermaßen - jedenfalls keine Kundmachung iSd §11 Abs1 der Satzung der Agrargemeinschaft erfolgt ist.
3.3. Da somit die Bevollmächtigung zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde nicht durch das satzungsgemäß befugte Organ erfolgt ist, war die Beschwerde gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG mangels Legitimation ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
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