VfGH B2492/97

VfGHB2492/9727.2.2001

Anlassfallwirkung der teilweisen Aufhebung des Plandokuments Nr 6950, Beschluss des Wr Gemeinderates vom 31.01.97, mit E v 27.02.01, V54/00.

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

 

Spruch:

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Die Stadt Wien ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 19.800,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid vom 27. Mai 1997 erteilte der Magistrat der Stadt Wien den Beschwerdeführern den Auftrag, das Glasdach an der Pergola in der rechten Abstandsfläche, die Gerätehütte im südlichen hinteren Grundstücksbereich, die Schilfmatten an der rechten Einfriedung zu beseitigen und "den Pflasterweg laut Konsens vom 18. Juli 1996 mit begrünten Fugen herzustellen" (Punkt 4).

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde von der Bauoberbehörde für Wien mit Bescheid vom 12. August 1997 im Wesentlichen abgewiesen. Die belangte Behörde begründete die Entscheidung damit, dass die im Spruch angeführten Baulichkeiten vorschriftswidrig - nämlich im Widerspruch zum geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr. 6950, bzw. zu sonstigen Bebauungsvorschriften - errichtet worden seien und gemäß §129 Abs10 Bauordnung für Wien (im Folgenden BO f Wien) zu beseitigen seien. Die Fristsetzung diene der Möglichkeit anstelle der Beseitigung eine nachträgliche Baubewilligung - allenfalls unter Inanspruchnahme von §69 BO f Wien zu erwirken.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde der vom Beseitigungsauftrag betroffenen Eigentümer des Grundstücks Rudolf-Waisenhorn-Gasse 53, EZ 789, KG Liesing. Die Beschwerdeführer behaupten die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger generellen Normen (Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr. 6950 und die Wortfolge "und werden sie in einer Tiefe von mindestens 10 m ab der Vorgartentiefe errichtet" in §82 Abs4 BO f Wien, LGBl. Nr. 11/1930 idF LGBl. Nr. 55/1996) und beantragen die Aufhebung des angefochtenen Bescheids. Die Beschwerdeführer bringen ua. vor, dass der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan im Widerspruch zu §§1 und 2 BO f Wien stehe, da die Grundlagenforschung (zB Verkehrszählung) mangelhaft sei. Es gehe aus den Verordnungsbeilagen hervor, dass das angewendete Plandokument Nr. 6950 die Regelungen des Plandokuments Nr. 6694 neuerlich dem Rechtsbestand zuführen sollte. Die Festlegung der Straßenbreite der Rudolf- Waisenhorn-Gasse, die für den angefochtenen Bescheid spruchentscheidend sei, sei auf Grund des geringen Verkehrsaufkommens unsachlich, ebenso die ungewöhnlich große Vorgartentiefe von 8 m und die durch Baufluchtlinien stark beschränkte Bebaubarkeit des Grundstücks. Die Bebauungsdichte sei im Planungsgebiet sehr unterschiedlich festgelegt worden. Der Punkt 3.1.5., 1. Satz der Verordnung lautet: "Für das gesamte Planungsgebiet wird bestimmt, dass je Bauplatz Nebengebäude bis zu einer bebauten Gesamtfläche von maximal 30 m² errichtet werden dürfen." Dieser Punkt widerspreche §82 Abs5 erster Satz iVm §5 Abs4 litd BO f Wien. Aus diesen Bestimmungen ergebe sich, dass eine Beschränkung der bebauten Fläche von Nebengebäuden im Bebauungsplan nicht zulässig sei.

3. Die Bauoberbehörde für Wien als belangte Behörde legte die Verwaltungs- und Verordnungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Inhaltlich bringt sie u.a. vor, dass die Ermittlungen, die zur Erlassung des Plandokuments 6950 geführt haben, ausreichend gewesen seien. Auch habe der Verfassungsgerichtshof in dem Erkenntnis VfSlg. 14.041/1995, in dem §1 BO f Wien aufgehoben wurde, festgestellt, dass die Vorgangsweise der Fachabteilungen des Magistrats in den einzelnen Fällen der Abänderung bzw. Festsetzung der Pläne regelmäßig ein beachtenswertes fachliches Niveau widerspiegle.

4. Die Wiener Landesregierung gab bezüglich der Frage der behaupteten Verfassungswidrigkeit des §82 Abs4 BO f Wien eine Stellungnahme ab.

5. Die Beschwerdeführer erstatteten eine Replik, in der sie den Argumenten der Bauoberbehörde für Wien und der Wiener Landesregierung entgegentreten.

II. 1. Die Beschwerde ist zulässig und die belangte Behörde hat die in Rede stehende Verordnung bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Beurteilung des vorliegenden Falles die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Wien, Plandokument Nr. 6950, anzuwenden.

Aus Anlass der gegenständlichen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen gemäß Art139 Abs1 B-VG mit Beschluss vom 13. Juni 2000 ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Wien, Plandokument Nr. 6950 (Beschluss des Gemeinderates vom 31. Jänner 1997, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien, Nr. 7/1997, am 13. Februar 1997), soweit sie für das Grundstück Rudolf-Waisenhorn-Gasse Nr. 53, KG Liesing, gilt, eingeleitet.

Mit Erkenntnis vom 27. Februar 2001, V54/00, hat der Verfassungsgerichtshof die in Prüfung gezogene Verordnung, soweit sie für das Grundstück Rudolf-Waisenhorn-Gasse Nr. 53, KG Liesing, gilt, aufgehoben.

2. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die gesetzwidrige Verordnung. Es ist nach der Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsposition der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt (vgl. VfSlg. 10.404/1985). Der Bescheid war daher schon aus diesem Grund aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Streitgenossenzuschlag in der Höhe von

S 1.500,- und Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.300,- enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

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