VfGH B2153/98

VfGHB2153/987.3.2001

Verletzung im Eigentumsrecht durch Anwendung einer rechtlich nicht existenten, vom Verfassungsgerichtshof zunächst versehentlich in Prüfung genommenen "Norm" bei der Vorschreibung von Kanalgebühren; keine Anwendung der aufgrund der vom Verfassungsgerichtshof in einem zweiten Verfahren geprüften und aufgehobenen Kanalgebührenordnung

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
KanalgebührenO der Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental vom 01.03.88
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
KanalgebührenO der Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental vom 01.03.88

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 29.500,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer einer Liegenschaft und wird als solcher für eine Kanalanschlußgebühr in Anspruch genommen.

1.2. Mit Bescheid vom 15. April 1998 schrieb der Bürgermeister der Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental dem Beschwerdeführer eine Anschlußgebühr von S 77.833,10 vor. Der Gemeindevorstand wies mit Bescheid vom 25. August 1998 die dagegen erhobene Berufung ab. Einer Vorstellung gab die Tiroler Landesregierung mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. September 1998 keine Folge; der Sache nach berief sie sich auf das Legalitätsprinzip.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der mit näherer Begründung die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung - nämlich der Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental - behauptet sowie die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens sowie die Verordnungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. 1.1. Aus Anlaß dieser Beschwerde beschloß der Verfassungsgerichtshof am 16. Dezember 1999, gemäß Art139 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Teilen der Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental vom 7. April 1988, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 12. April 1988 bis zum 27. April 1988, einzuleiten. Mit Beschluß vom 5. Dezember 2000, V22/00, stellte der Verfassungsgerichtshof das Verordnungsprüfungsverfahren mangels eines geeigneten Prüfungsgegenstandes ein, weil eine Kanalgebührenordnung vom 7. April 1988 weder beschlossen noch kundgemacht worden war. (Beschlossen und kundgemacht worden war nur eine Änderung der Kanalgebührenordnung vom 1. März 1988.)

1.2. Am selben Tag beschloß der Verfassungsgerichtshof, gemäß Art139 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Teilen der Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental vom 1. März 1988, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 7. März 1988 bis zum 22. März 1988, einzuleiten. Mit Erkenntnis vom 7. März 2001, V5/01, hob er diese Bestimmungen als gesetzwidrig auf.

In diesem Erkenntnis hielt der Verfassungsgerichtshof fest, daß die belangte Behörde und die Gemeindeinstanzen ihre Bescheide nicht auf die - nunmehr teilweise aufgehobene - Kanalgebührenordnung vom 1. März 1988, sondern auf eine rechtlich nicht existente "Kanalgebührenordnung" vom 7. April 1988 gestützt hatten.

2. Die Beschwerde behauptet die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung.

2.1. Durch Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung kann der Beschwerdeführer nicht verletzt worden sein, weil die belangte Behörde, wie dargetan, die nunmehr aufgehobene Verordnung nicht angewandt hat und weil die "Kanalgebührenordnung" vom 7. April 1988, auf die sie sich gestützt hat, rechtlich nicht existent ist.

2.2.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wird eine Abgabe vorgeschrieben; er greift somit in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10337/1985, 10362/1985, 11470/1987) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewandt hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

2.2.2. Dadurch, daß die belangte Behörde ihren Bescheid auf eine rechtlich nicht existente "Norm" stützte, mithin der angefochtene Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen ist, wurde der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

2.3. Der Bescheid war daher aufzuheben. Auf das weitere Beschwerdevorbringen brauchte somit nicht eingegangen zu werden.

Im fortgesetzten Verfahren werden die Verwaltungsbehörden darauf Bedacht zu nehmen haben, daß die maßgeblichen Teile der Kanalgebührenordnung vom 1. März 1988 mit dem genannten Erkenntnis aufgehoben worden und daher nicht anzuwenden sind (Art139 Abs6 B-VG; vgl. VfSlg. 11644/1988, weiters auch VfSlg. 5914/1969 und 8689/1979).

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.500,-

sowie der Ersatz der entrichteten Gebühr gemäß §17 a VerfGG von S 2.500,- enthalten.

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