VfGH B1351/00

VfGHB1351/0011.6.2001

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Zurückweisung eines Asylantrags aufgrund der Annahme der Zuständigkeit eines anderen EU-Staates zur Prüfung des Antrags iSd Dubliner Übereinkommens; verfassungswidrige Gesetzesauslegung im Hinblick auf die in E v 08.03.01, G117/00 ua, geäußerte Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich der Verpflichtung der Asylbehörden zu einer Sachentscheidung in bestimmten Fällen; verfassungswidrige Auslegung des §5 AsylG 1997 auch im Hinblick auf die Annahme des Ausschlusses des Non-Refoulement-Gebotes

Normen

AsylG 1997 §5
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
Dubliner Übereinkommen betr die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen innerhalb der EG BGBl III 165/1997
AsylG 1997 §5
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
Dubliner Übereinkommen betr die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen innerhalb der EG BGBl III 165/1997

 

Spruch:

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid in dem durch das BVG BGBl. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 27.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Äthiopiens, reiste mit einem vom 23. August 1999 bis 22. Oktober 1999 gültigen "Schengen-Visum", das ihr von der griechischen Vertretungsbehörde in Addis Abeba erteilt worden war, legal in das Bundesgebiet ein und stellte am 21. Oktober 1999 einen Asylantrag.

Mit Bescheid vom 27. April 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß §5 Abs1 AsylG 1997 als unzulässig zurück, da für dessen Prüfung gemäß Art5 Abs2 des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags, BGBl. III 165/1997, (im folgenden: Dubliner Übereinkommen) Griechenland zuständig sei (das sich auch zur Prüfung des Asylantrags bereit erklärt habe) und verband damit die Ausweisung der Beschwerdeführerin aus dem Bundesgebiet nach Griechenland.

2. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie ua. vorbrachte, daß sie persönlich in der griechischen Botschaft erfahren habe, daß Griechenland kein Asyl gewähre und sie nach Äthiopien zurückschicken werde, weshalb sie befürchte, einer Kettenabschiebung ausgesetzt zu sein.

Der Unabhängige Bundesasylsenat wies diese Berufung mit Bescheid vom 29. Juni 2000 ab und führte nach einer Zusammenfassung des bisherigen Verwaltungsganges im wesentlichen aus, daß sich die griechische Republik ausdrücklich zur Prüfung des Asylantrages bereit erklärt habe, die Beschwerdeführerin sich lediglich auf allgemein gehaltenen Behauptungen berufe, die die erkennende Behörde nicht zur Nachforschung über die Rechtslage und Spruchpraxis der griechischen Asylbehörden verpflichte. Was das von der Beschwerdeführerin angeführte Selbsteintrittsrecht der österreichischen Behörde betrifft, so habe der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 23. März 2000, Zl. 2000/20/0052 ausgesprochen, daß §5 Abs1 AsylG bei zutreffen der Tatbestandsvoraussetzungen zwingend die Zurückweisung des Asylantrages vorsähe und der erkennenden Behörde ein Ermessen hinsichtlich eines Selbsteintrittsrechtes nicht eingeräumt sei. Die Voraussetzungen des Art9 Dubliner Übereinkommen seien nicht gegeben.

II. 1. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht der Gleichbehandlung von Fremden untereinander (BVG BGBl. 390/1973) geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, und führte in ihrer Gegenschrift im wesentlichen aus, daß Griechenland eine effektive Rechtsordnung, sämtliche einschlägige Abkommen ratifiziert und in der Übernahmserklärung vom 3. April 2000 ausdrücklich eine Prüfung des von der Beschwerdeführerin gestellten Asylantrages zugesagt habe, weshalb beantragt wird, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

III. Die Beschwerde, deren meritorischer Erledigung Verfahrenshindernisse nicht entgegenstehen, erweist sich als gerechtfertigt.

1. Die Beschwerde entspricht in allen entscheidungswesentlichen Belangen der Beschwerdesache B1541/00, weshalb sich der Verfassungsgerichtshof darauf beschränken kann, auf die Entscheidungsgründe seines in dieser Beschwerdesache am heutigen Tage gefällten Erkenntnisses hinzuweisen; aus diesem ergibt sich sinngemäß auch für den vorliegenden Beschwerdefall, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in dem durch das BVG BGBl. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt wurde und der Bescheid daher aufzuheben ist.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG, vom jeweils zugesprochen Kostenbetrag entfallen 4.500 S auf die Umsatzsteuer.

IV. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.

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