Normen
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
AlVG §1 Abs1 lita
AlVG §22 Abs1
VfGG §88
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
AlVG §1 Abs1 lita
AlVG §22 Abs1
VfGG §88
Spruch:
Die beschwerdeführenden Parteien sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 27.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Der Erstbeschwerdeführer ist teilpensioniert und weiterhin für die zweitbeschwerdeführende Dienstgeberin als Dienstnehmer tätig. Im Instanzenzug sprach die (damalige) Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Instanzenzug aus, daß der nunmehrige Erstbeschwerdeführer gem. §4 Abs1 Z1 und Abs2 ASVG sowie gem. §1 Abs1 lita AlVG aufgrund seiner Tätigkeit als angestellter Geschäftsführer der Voll- und der Arbeitslosenversicherung unterliege.
2. Die gegen diesen Bescheid gerichtete, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde rügt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie die Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Beschwerdeführer hat darauf repliziert.
Die Wiener Gebietskrankenkasse und die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten haben eine Äußerung erstattet.
4.1. Aus Anlaß der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof zunächst Bedenken gegen §1 Abs1 lita AlVG, BGBl. Nr. 609/1977, entstanden; er hat daher mit Beschluß vom 28. September 2000 diese Bestimmung in Prüfung gezogen. In der Folge hat der Verfassungsgerichtshof aufgrund desselben Bedenkens das Gesetzesprüfungsverfahren auf §22 Abs1 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977, idF BGBl. Nr. 594/1983, BGBl. Nr. 416/1992 und BGBl. Nr. 502/1993, erweitert (Beschluß vom 14.3.2001).
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G115/00, G154/01, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß §1 Abs1 lita AlVG in der genannten Fassung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird, wohl aber die Wortfolgen "der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz," sowie "bzw. die Anspruchsvoraussetzungen für eine Pension aus einem der Versicherungsfälle des Alters erfüllen", in §22 Abs1 AlVG in der genannten Fassung als verfassungswidrig aufgehoben werden.
5. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
5.1. Die Entscheidung über die Beschwerde hat gemäß Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG nach der Rechtslage zu erfolgen, wie sie sich nach der Aufhebung der verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung darstellt.
5.2.1. Der Erstbeschwerdeführer ist Dienstnehmer der Zweitbeschwerdeführerin und unterliegt als solcher gem. §4 Abs1 Z1 und Abs2 ASVG der Vollversicherung, also auch der Pensionsversicherung. Wie der Verfassungsgerichtshof schon mehrmals ausgeführt hat, bilden die in der Sozialversicherung Pflichtversicherten eine Riskengemeinschaft; in der gesetzlichen Sozialversicherung gilt - aufgrund des Hervortretens des Versorgungsgedankens vor dem Versicherungsgedanken - keine Äquivalenz zwischen Beitrag und Leistung. Es muß in der gesetzlichen Sozialversicherung in Kauf genommen werden, daß es in manchen Fällen trotz bestehender Versicherungspflicht zu keinem Leistungsanfall kommt; daher begegnet es keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken, Pensionisten, die eine pensionsversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben, weiterhin mit Pensionsversicherungsbeiträgen zu belasten (zB VfSlg. 12.739/1991 mwN), mag es auch künftig - z.B. mangels Erfüllung der zeitlichen Voraussetzungen - zu keinem Pensionsanfall kommen (vgl. VfSlg. 6015/1969, 7074/1973 ua.).
5.2.2. Der bekämpfte Bescheid stützt sich darüber hinaus auf die - nach Bereinigung der Rechtslage unbedenkliche - Bestimmung des §1 Abs1 lita AlVG, BGBl. Nr. 609/1977; die Aufhebung der Wortfolge "der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz," sowie der Wortfolge "bzw. die Anspruchsvoraussetzungen für eine Pension aus einem der Versicherungsfälle des Alters erfüllen" in §22 Abs1 AlVG wirkt sich auf die Feststellung der Versicherungspflicht des Erstbeschwerdeführers in der Arbeitslosenversicherung nicht aus beseitigt für ihn jedoch den Leistungsausschluß des §22 Abs1 AlVG. Daher sind die beschwerdeführenden Parteien nicht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden. Sie sind auch nicht im Gleichheitsrecht verletzt, da Vollzugsfehler weder vorgebracht wurden noch im Verfahren sonst hervorgekommen sind.
5.2.3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wären.
5.3. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
6. Da die Beschwerde jedoch insofern Erfolg hatte, als sie zur teilweisen Aufhebung einer im Beschwerdefall präjudiziellen Gesetzesbestimmung führte, war den Beschwerdeführern nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 6505/1971, 13.545/1993, 14870/1997) der Ersatz der Kosten der Beschwerde in Höhe von ATS 27.000,-- zuzusprechen. In diesen zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von ATS 4.500,-- enthalten. Stempelgebühren waren aufgrund der sachlichen Abgabenfreiheit gem. §110 ASVG nicht zuzusprechen.
7. Dies konnte gem. §19 Abs4 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.
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