Normen
StGG Art5
FAG 1985 §14 Abs1 Z12, Z13
FAG 1985 §15 Abs3 Z4
F-VG §7 Abs4
Grazer AnkündigungsabgabeV §1, §2
Stmk AnkündigungsabgabeG (betr Graz) §1
StGG Art5
FAG 1985 §14 Abs1 Z12, Z13
FAG 1985 §15 Abs3 Z4
F-VG §7 Abs4
Grazer AnkündigungsabgabeV §1, §2
Stmk AnkündigungsabgabeG (betr Graz) §1
Spruch:
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Graz ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit ATS 29.500,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 23. Februar 1998 schrieb die Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz dem Österreichischen Rundfunk unter Berufung auf Bestimmungen der Grazer Ankündigungsabgabe-Verordnung vom 5. Dezember 1985, ABl. 1/1986 (im folgenden Grazer AnkündigungsabgabeV), für den Zeitraum von 1. Jänner 1995 bis 30. September 1997 Ankündigungsabgabe in bestimmter Höhe vor. Den Anträgen auf Rückerstattung von Ankündigungsabgabebeträgen wurde keine Folge gegeben.
Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums und die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung geltend gemacht wird.
2. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und einen Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, die gegenständliche Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3. Der beschwerdeführende ORF erstattete ein ergänzendes Vorbringen, in dem unter Verweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1998, G15/98, V9/98 (VfSlg. 15.395/1998), beanstandet wird, daß von der Landeshauptstadt Graz nicht nur der im Erhebungsgebiet entstandene Reklamewert, sondern das gesamte für die Ankündigung entrichtete Entgelt der Ankündigungsabgabe unterworfen worden sei.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Im Falle eines Antrages auf Rückerstattung einer im Wege der Selbstbemessung entrichteten Abgabe ist dieser implizit als Antrag auf behördliche Festsetzung der Abgabe zu werten. Dies verpflichtet die Behörde somit auch dazu, die Richtigkeit der Selbstbemessung zu prüfen (vgl. hiezu VfSlg. 8726/1980, 12.734/1991).
1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die Anträge des beschwerdeführenden ORF auf Rückerstattung von - im Wege der Selbstbemessung - geleisteten Abgaben abgewiesen und die Höhe der zu leistenden Abgabe festgesetzt; mit dem angefochtenen Bescheid wird dem beschwerdeführenden ORF somit eine Abgabe vorgeschrieben und dadurch in sein Eigentumsrecht eingegriffen. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfSlg. 10.337/1985, 10.362/1985, 11.470/1987) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (z.B. VfSlg. 10.807/1986, 11.720/1988, 14.243/1995, 14.406/1996, 14.577/1996).
2. Zur Rechtslage:
2.1. Das Gesetz vom 4. November 1947 betreffend Einhebung einer Gemeindeabgabe von öffentlichen Ankündigungen im Gebiete der Stadt Graz (Ankündigungsabgabe), LGBl. für die Steiermark 39/1947 (im folgenden Stmk. AnkündigungsabgabeG), ermächtigte in seiner Präambel die Stadtgemeinde Graz (und nur diese), nach den Bestimmungen dieses Gesetzes von öffentlichen Ankündigungen im Gebiete der Stadt Graz eine Abgabe einzuheben. Ankündigungen durch Rundfunk waren von diesem Gesetz weder in der Stammfassung noch in späteren Fassungen betroffen (vgl. §1 Abs2 leg.cit.). Eine Besteuerung der Rundfunkwerbung konnte seitens der Gemeinde Graz somit zu keinem Zeitpunkt auf dieses Gesetz gestützt werden, sondern kam erst in Betracht, nachdem das FAG 1985, BGBl. 544/1984, die Ankündigungsabgabe in das freie Beschlußrecht der Gemeinden überstellt hatte (§15 Abs3 Z4 iVm §14 Abs1 Z12 FAG 1985).
2.2. Nach §1 der Grazer AnkündigungsabgabeV, ABl. 1/1986 (gemäß ArtII in Kraft getreten am 1. Jänner 1986) ist von allen öffentlichen Ankündigungen innerhalb des Gebietes der Stadt Graz eine Abgabe an die Stadt Graz zu entrichten. §2 Abs1 umschreibt den Begriff der Ankündigungen in einer Weise, die im wesentlichen §2 des Stmk. AnkündigungsabgabeG 1947 entspricht. In Abs5 dieser Bestimmung heißt es dann:
"(5) Ankündigungen im Sinne des §1 sind ferner alle fremden Ankündigungen durch Rundfunk (Hörrundfunk und Fernsehrundfunk), die von einem Studio im Gebiet der Stadt Graz ihren Ausgang nehmen, sowie fremde Ankündigungen, die von Kabelfernsehunternehmen mit dem Sitz in der Stadt Graz durchgeführt werden."
Die Abgabe beträgt für Ankündigungen, für die ein Entgelt zu leisten ist, 30 v.H., bei Ankündigungen gemäß §2 Abs5 jedoch 15 v.H. des gesamten, vom Ankündigenden zu leistenden Entgeltes, jedoch unter Ausschluß der Abgabe und der Umsatzsteuer (§4 Abs1 leg.cit.).
2.3. Die Regelungen der Grazer AnkündigungsabgabeV betreffend Rundfunkwerbung sind demnach direkt und allein auf die Ermächtigungen des jeweiligen Finanzausgleichsgesetzes gestützt. Die Vorschriften des Stmk. AnkündigungsabgabeG kommen daher auch in dem für den Beschwerdefall maßgebenden Zeitraum (das Gesetz ist aufgrund des Landesgesetzes vom 19. Mai 1998 zur Bereinigung des Landesrechtes (Rechtsbereinigungsgesetz), LGBl. für die Steiermark 71/1998, mit Wirkung ab 1. Jänner 1999 außer Kraft getreten) in Bezug auf Rundfunkwerbung keinesfalls als verfassungsrechtlich beachtliche, "konkretisierende" landesgesetzliche Regelungen für die kommunale Ankündigungsabgabe in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1999, B1620/97). Da das Stmk. AnkündigungsabgabeG im Beschwerdefall somit nicht präjudiziell ist, ist auch nicht zu prüfen, ob es nach dem Inkrafttreten des FAG 1985 allenfalls in einzelnen Bestimmungen wegen einer Einschränkung der nunmehr bundesgesetzlich erteilten Ermächtigung verfassungswidrig wurde (vgl. im Gegensatz dazu VfSlg. 15.107/1998 zum Salzburger Ankündigungsabgabegesetz sowie die Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1999, B1798/97, B2294/97, zum Oberösterreichischen Anzeigenabgabegesetz, bzw. vom 15. Dezember 1999, B700/98 u.a. Zlen., zum Kärntner Ankündigungsabgabengesetz).
3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat nunmehr schon wiederholt die Auffassung vertreten, daß der Ausdruck "Ankündigung" im finanzausgleichsrechtlichen Sinn auch die Verbreitung von Werbung udgl. durch den Rundfunk (Hörfunk und Fernsehrundfunk) umfasse, da die durch den Rundfunk verbreiteten Darbietungen insgesamt als öffentlich zu werten seien, und daß eine Steuer auf die durch Rundfunk vorgenommene Werbung finanzverfassungskonform nur als Abgabe von Ankündigungen (§14 Abs1 Z13 FAG 1993) gestaltet werden könne (VfSlg. 14.269/1995, 14.536/1996, 14.951/1997 u.a.). Die Stadt Graz hat daher in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise von der ihr durch das FAG 1985 und folgende erteilten Ermächtigung, eine Abgabe von Ankündigungen auszuschreiben, Gebrauch gemacht, wenn sie der Abgabe auch Ankündigungen durch den Rundfunk unterwirft. Soweit es die Rundfunkwerbung betrifft, sind die Vorschriften der Grazer AnkündigungsabgabeV als maßgebliche Rechtsgrundlage der Abgabeneinhebung anzusehen, da - wie dargelegt - das Stmk. AnkündigungsabgabeG Rundfunkwerbung niemals betroffen hat.
3.2. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, G15/98, V9/98 (VfSlg. 15.395/1998), betreffend die Wiener Ankündigungsabgabe - unter Bezugnahme auf Judikatur und Literatur - ausgesprochen, daß der Zweck einer Ankündigungsabgabe die Besteuerung des mit einer Ankündigung erzielbaren Reklamewertes sei, also jenes Nutzens, den der Ankündigende aus der Ankündigung ziehe. Daraus folge in finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht, daß das Besteuerungsrecht der Gemeinde sich bereits vom Steuergegenstand her nur auf den im Erhebungsgebiet entstandenen Reklamewert erstrecke. Bei einer Gemeindeabgabe, deren Zweck die Besteuerung des Reklamewertes einer Ankündigung sei, sei kein hinreichender Grund ersichtlich, der die Gemeinde berechtigen könnte, Ankündigungen schlechthin nur deswegen zu besteuern, weil sie vom Gebiet der betreffenden Gemeinde ihren Ausgang nehmen, ohne Rücksicht darauf, wo sich der mit der Ankündigung verbundene Reklamewert bilde. Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang überdies darauf hingewiesen, daß aus §7 Abs4 F-VG nicht geschlossen werden könne, daß Länder und Gemeinden bei der Inanspruchnahme ihrer Besteuerungsrechte in der Frage der territorialen Anknüpfung gleichsam vollkommen freie Hand hätten und die Verantwortung für die Vermeidung von Doppelbesteuerungen ausschließlich Aufgabe des Bundesgesetzgebers wäre.
Der Gerichtshof hat allerdings in diesem Erkenntnis eine verfassungskonforme Interpretation der Wiener Ankündigungsabgabeverordnung deswegen für möglich gehalten, weil diese Verordnung nur für Ankündigungen innerhalb des Gebietes der Gemeinde Wien gelten sollte und somit auch eine Interpretation möglich war, wonach Ankündigungen durch Rundfunk, die von einem Studio in Wien ihren Ausgang nehmen, nur insoweit steuerpflichtig sein sollten, als sich der Reklamewert der Ankündigung in Wien bildet.
4. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei dieser Auffassung, auf deren Boden sich allerdings der angefochtene Bescheid letztlich als rechtswidrig erweist.
4.1. Nach der unbestritten gebliebenen Behauptung des beschwerdeführenden ORF wurde der Ankündigungsabgabenanforderung das gesamte Entgelt für die vom Studio Graz - St. Peter ausgestrahlten Werbesendungen zugrundegelegt, somit offenbar unabhängig davon, wo sich der Reklamewert dieser Werbung gebildet hat. Die belangte Behörde beachtete damit nicht, daß Ankündigungen durch Rundfunk, auch wenn sie von einem in Graz gelegenen Studio ausgestrahlt werden, aus den dargelegten finanzverfassungsrechtlichen Gründen nur dann und insoweit Ankündigungsabgabepflicht auslösen (können), als sie zu Ankündigungen "innerhalb des Gebietes der Stadt Graz" führen, das heißt - mit anderen Worten - als der Reklamewert in diesem Gebiet entsteht, und sich die Abgabenanforderung daher auf jenen Teil des für die Ankündigung entrichteten Entgeltes zu beschränken hat, der dem im Erhebungsgebiet, also im Gebiet der Stadt Graz, entstandenen Reklamewert im Verhältnis zum gesamten Reklamewert entspricht. Der Verfassungsgerichtshof hat im wiederholt zitierten Erkenntnis VfSlg. 15.395/1998 dargelegt, daß bei Feststellung dieses Anteiles alle Umstände von Bedeutung sind, die unter Beachtung der Besonderheiten des jeweiligen Ankündigungsmediums Rückschlüsse auf den anteiligen Reklamewert zulassen. Der Gerichtshof ist dabei davon ausgegangen, daß jedenfalls bei der Rundfunkwerbung objektive Maßstäbe existieren (etwa die Zahl der Werbeadressaten oder der Empfangsgeräte), die eine nachvollziehbare Ermittlung im Schätzungsweg - somit mit dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Instrumentarium - zulassen.
4.2. Auch im vorliegenden Fall können Ankündigungen durch Rundfunk, die von einem Studio im Gebiet der Stadt Graz ihren Ausgang nehmen, nur insoweit zur Anforderung von Ankündigungsabgabe durch die Stadtgemeinde Graz führen, als sie zu "Ankündigungen innerhalb des Gebietes der Stadt Graz" (§1 der Grazer AnkündigungsabgabeV) führen. Da die belangte Berufungskommission dies verkannte und den von ihr herangezogenen Verordnungsbestimmungen fälschlich einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellte, verletzte sie die beschwerdeführende Partei durch die Abweisung ihrer Anträge auf Rückerstattung von geleisteten Abgaben - die unter dem Aspekt des grundrechtlichen Eigentumsschutzes einer Abweisung von Berufungen gegen Abgabenvorschreibungen gleichzuhalten ist (siehe Punkt II.1.2.) - im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.
Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grund aufzuheben.
III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG; vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen ATS 4.500,-- auf die Umsatzsteuer und ATS 2.500,-- auf die gemäß §17a VerfGG entrichtete Eingabegebühr.
IV. Dieses Erkenntnis wurde gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefällt.
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