Normen
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
Spruch:
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden des Beschwerdevertreters die mit 27.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 24. Juli 1995 den am 24. Feber 1995 eingebrachten Antrag des durch seinen (in Wien wohnhaften und hier aufenthaltsberechtigten) Vater vertretenen mj. Beschwerdeführers (eines am 10. Jänner 1982 geborenen türkischen Staatsangehörigen) auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unter Bezugnahme auf §5 Abs1 AufenthaltsG ab; die dem Vater zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel reichten für den dauernden Aufenthalt nicht aus. Den hierauf ergangenen abweisenden Berufungsbescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. März 1997 hob der Verfassungsgerichtshof mit dem Erk. B897/97 vom 16. Oktober 1997 wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander auf.
2. Im zweiten Rechtsgang gab der Bundesminister für Inneres der Berufung mit Bescheid vom 14. September 1998 neuerlich keine Folge. Er wies den (offenkundig im Sinne des §112 FrG 1997) als Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gewerteten Antrag einerseits unter Bezugnahme auf §21 Abs3 FrG 1997 ab, weil der Beschwerdeführer bereits über 14 Jahre alt sei, und andererseits aufgrund einer Interessenabwägung, in welcher der Umstand als ausschlaggebend erachtet wurde, daß der Beschwerdeführer seinen Unterhalt offensichtlich nicht eigenständig sichern könne.
3. Gegen den Berufungsbescheid vom 14. September 1998 richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher der Beschwerdeführer insbesondere die Gleichheitswidrigkeit des herangezogenen §21 Abs3 FrG 1997 behauptet und die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens anregt.
4. Der belangte Bundesminister legte die Verwaltungsakten vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab und beantragte - ohne auf die Sache einzugehen - lediglich die Abweisung der Beschwerde.
II. Der Verfassungsgerichtshof beschloß aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der in der bezogenen Gesetzesstelle enthaltenen Wortfolge "vor Vollendung des 14. Lebensjahres" einzuleiten und hob diese Wortfolge mit dem am 19. Juni 2000 gefällten Erkenntnis G16/00 als verfassungswidrig auf.
III. Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).
Der Bescheid war daher aufzuheben.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.500 enthalten.
V. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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