VfGH B36/98

VfGHB36/9823.6.1999

Verletzung im Gleichheitsrecht bei der Vorschreibung von Erbschaftssteuer an den Pflichtteilsberechtigten durch Unterlassung von Ermittlungen hinsichtlich der Steuerfreiheit des Pflichtteilserwerbs in Form endbesteuerten, den Nachlaß übersteigenden Vermögens

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
ErbStG 1955 §15 Abs1 Z17
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
ErbStG 1955 §15 Abs1 Z17

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 20.500,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Am 8. November 1995 verstarb A K. Der Reinnachlaß betrug

S 2,165.735,97. Im Nachlaßvermögen befanden sich Konten mit zusammen S 2,996.231,77; diese Guthaben waren "endbesteuert", dh. sie unterlagen einer Steuerabgeltung, wie sie in §15 Abs1 Z17 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 BGBl. 141 (in der Folge: ErbStG) umschrieben ist.

Der Erblasser hatte F und E B zu Testamentserben berufen; der Sohn des Erblassers (der nunmehrige Beschwerdeführer), der letztwillig nicht bedacht worden war, machte seinen Pflichtteilsanspruch in Höhe des halben Nachlasses geltend. Die Erben zahlten an ihn einen Betrag von S 1,082.867,99 (sowie Zinsen für den Zeitraum zwischen dem Todestag des Erblassers und dem Auszahlungszeitpunkt). Ausgehend davon berücksichtigten die Abgabenbehörden einen Freibetrag von S 30.000,- (§14 ErbStG) und setzten Erbschaftssteuer in der gesetzlichen Höhe fest.

2. Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wies eine Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab.

3. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Der Beschwerdeführer beruft sich, wie schon im Verwaltungsverfahren, auf die Erbschaftssteuerbefreiung gemäß §15 Abs1 Z17 ErbStG.

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß §15 Abs1 Z17 ErbStG bleibt der todeswegige Erwerb von Kapitalvermögen steuerfrei, soweit dessen Erträge im Zeitpunkt des Todes des Erblassers der Steuerabgeltung gemäß §97 Abs1 erster Satz sowie §97 Abs2 erster bis dritter Satz EStG 1988 idF BGBl. 12/1993 unterliegen. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 12. Oktober 1998, G170/96 ua., ausgeführt, daß §15 Abs1 Z17 ErbStG genau den Inhalt hat, den er nach §1 Abs1 Z2 Endbesteuerungsgesetz haben muß. Die Befreiungsbestimmung erfaßt nämlich jene und nur jene Vorgänge, die gemäß dieser - in Verfassungsrang stehenden - Vorschrift des Endbesteuerungsgesetzes unter die dort vorgesehene Abgeltungswirkung fallen müssen. Die in der Beschwerde (hilfsweise) vorgebrachten Bedenken gegen §15 Abs1 Z17 ErbStG treffen daher nicht zu.

2.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

2.2. Damit ist er im Ergebnis im Recht:

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 25. Februar 1999, B128/97, ausführlich dargelegt, welche Erwerbsvorgänge unter die Befreiungsbestimmung des §15 Abs1 Z17 ErbStG fallen, dies (auch) unter dem Aspekt verfassungskonformer Interpretation.

Danach gilt zunächst, daß die Erbschaftssteuer insoweit abgegolten ist, als endbesteuertes Vermögen als Erbschaft anfällt oder als Vermächtnis ausgesetzt wurde. Abgegolten ist die Steuer aber auch dann, wenn in Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs oder im Zuge der Erbauseinandersetzung endbesteuertes Nachlaßvermögen zugewiesen wird. Ebenso ist schließlich vorzugehen, wenn ein (Geld-)Vermächtnis mittels endbesteuerten Nachlaßvermögens erfüllt wird. In all diesen Fällen hängt die Steuerfreiheit freilich davon ab, daß dem Steuerpflichtigen tatsächlich endbesteuertes Vermögen zugewendet wird. Dem Erben bleibt die Begünstigung auch dann erhalten, wenn er zwecks Entrichtung von (Bar-)Vermächtnissen oder des Pflichtteils endbesteuertes Vermögen verwertet.

Übersteigt jedoch das im Nachlaß enthaltene endbesteuerte Vermögen den Wert dessen, was dem Erben (gemeinsam mit anderen Empfängern derartigen Vermögens) verbleibt, dann steht es der Steuerbefreiung nicht entgegen, wenn der Erbschaftssteuerpflichtige zwar nicht selbst endbesteuertes Vermögen erwirbt, sein Erwerb sich aber von endbesteuertem Vermögen ableitet, an seine Stelle tritt und die Leistung endbesteuerten Vermögens ersetzt; denn im Ergebnis muß der Nachlaß in jenem Umfang steuerfrei bleiben, in dem er aus endbesteuertem Vermögen besteht. Pflichtteilsberechtigte und Vermächtnisnehmer können dann den überschießenden Steuervorteil für sich in Anspruch nehmen, und zwar gleichgültig, ob und in welchem Maße der Erbe zur Erfüllung des Pflichtteils oder zur Entrichtung des Legats endbesteuertes Vermögen "realisiert" oder auf andere Nachlaßgegenstände oder nicht aus dem Nachlaß stammendes Vermögen greift. Kommen solcherart für die Abgeltungswirkung endbesteuerten Vermögens mehrere Personen in Betracht, so ist ihnen die unverbraucht gebliebene Begünstigung anteilig zu gewähren.

2.3. Im vorliegenden Fall übersteigt das endbesteuerte Vermögen nicht nur den Nachlaß, der den Erben - nach Abzug (ua.) des Pflichtteils des Beschwerdeführers - verbleibt, sondern auch den Reinnachlaß. Die belangte Behörde hat, als sie den angefochtenen Bescheid erließ, dem Gesetz einen Inhalt unterstellt, der - wie sich aus den bisherigen Darlegungen ergibt - verfassungswidrig wäre. Ausgehend davon hat sie Feststellungen darüber unterlassen, ob und inwieweit die wegen der Endbesteuerung bei diesem Sachverhalt anzunehmende Abgeltung der Erbschaftssteuer beim Beschwerdeführer zum Tragen kommt, und sich mit dem entsprechenden Vorbringen nicht weiter auseinandergesetzt. Durch diese Unterlassung hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

2.4. Der Bescheid war daher aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Die Kosten waren nur in der verzeichneten Höhe zuzusprechen. Im zugesprochenen Betrag sind Umsatzsteuer von S 3.000,- sowie der Ersatz der gemäß §17 a VerfGG zu entrichtenden Gebühr von

S 2.500,- enthalten.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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