VfGH B2607/97

VfGHB2607/9729.11.1999

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter infolge Quasianlaßfallwirkung der Aufhebung des §11 Abs1 Z1 BundesvergabeG 1997 mit E v 30.09.99, G44-46/99.

Normen

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
BundesvergabeG 1997 §11 Abs1 Z1
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
BundesvergabeG 1997 §11 Abs1 Z1

 

Spruch:

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit vor dem Gesetz gerügt wird, richtet sich gegen einen Bescheid des Bundesvergabeamtes (BVA), mit dem einem Antrag eines Bewerbers um den vom Amt der Salzburger Landesregierung im Wege der Auftragsverwaltung für den Bund (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) ausgeschriebenen Auftrag zur Durchführung von Bauarbeiten im Rahmen der Sanierung der A 1 Westautobahn auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens stattgeben, der Antrag auf Erlassung einstweiliger Verfügungen abgewiesen und die Entscheidung über weitere Anträge dem Nachprüfungsverfahren vorbehalten wurde.

Aus Anlaß anderer Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit unter anderem der Z1 des §11 Abs1 des Bundesvergabegesetzes (BVergG) 1997, BGBl. I 56, ein. Diese Bestimmung legt iVm mit §§113 ff. BVergG 1997 die Zuständigkeit des BVA zur Überprüfung von Vergaben des Bundes fest.

Mit Erkenntnis vom 30. September 1999, G44-46/99, hob er diese Bestimmung als verfassungswidrig auf.

II. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

1. Das BVA stützte seine Zuständigkeit u.a. auf die Z1 des §11 Abs1 BVergG 1997, derzufolge das Gesetz (auch hinsichtlich des Vergabekontrollverfahrens) auf Aufträge des Bundes anzuwenden ist, soweit die sonstigen Voraussetzungen für die Anwendung gegeben sind. Zu Recht ging die belangte Behörde bei Beurteilung ihrer Zuständigkeit davon aus, daß sich an der Qualifikation eines Auftrages als Auftrag des Bundes nichts ändert, wenn als vergebende Stelle ein Organ tätig wird, dem die Besorgung des Geschäftes im Wege einer Verordnung nach Art104 Abs2 B-VG übertragen worden ist. Insofern stützte sich daher die Entscheidung zu Recht auf §11 Abs1 Z1 BVergG 1997.

2. a) Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung einer Gesetzesbestimmung auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren

(VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).

b) Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren hat am 30. September 1999 begonnen. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 30. Oktober 1997 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der Beratung schon anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

3. Die belangte Behörde war somit zur Entscheidung über die die eingangs erwähnten Anträge nicht zuständig. Ihr Bescheid verletzt die beschwerdeführende Partei daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Der Bescheid ist folglich aufzuheben.

Diese Entscheidung kann gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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