VfGH G152/96

VfGHG152/9611.3.1998

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des Volksanwaltschaftsgesetzes betreffend die Nichtanwendung der Bestimmungen über die Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren für das Verfahren vor der Volksanwaltschaft; keine Anhaltspunkte für eine rechtliche Betroffenheit des Antragstellers

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art148a Abs3
VolksanwaltschaftsG §5
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art148a Abs3
VolksanwaltschaftsG §5

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Der Antragsteller hat bei der Volksanwaltschaft Verfahren in Gang gebracht, in denen das Verhalten des Bundesministers für Justiz in einer ihn betreffenden Gnadensache geprüft werden soll. (Ein in diesem Zusammenhang gesteller Antrag der Volksanwaltschaft gemäß Art148f B-VG ist mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofs VfSlg. 14364/1995 zurückgewiesen worden). Der Antrag legt dar, die Volksanwaltschaft gewähre trotz wiederholter Begehren keine Einsicht in ihre Akten; der Antragsteller habe jedoch ein Interesse, in Kenntnis von offensichtlich aktenwidrigen oder leicht widerlegbaren Behauptungen des Bundesministers für Justiz zu gelangen. §5 VolksanwaltschaftsG, der für das Verfahren vor der Volksanwaltschaft die sinngemäße Anwendung einiger näher bezeichneter Vorschriften des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes anordne, beziehe die Vorschriften über die Akteneinsicht nicht mit ein, sehe eine solche also verfassungswidrigerweise nicht vor. Daher begehre der Antragsteller seine Aufhebung. Ein anderer Weg, diese Verfassungswidrigkeit geltend zu machen, stehe ihm nicht offen, da die Volksanwaltschaft keine Bescheide erlassen könne.

Unter Hinweis auf die Erkenntnisse VfSlg. 7786/1976, 8017/1977, 10367/1985 und 11865/1988 macht der Antragsteller geltend, das Recht auf Akteneinsicht gehöre zu den Grundprinzipien jedes behördlichen Verfahrens; eine sachliche Rechtfertigung für den völligen Ausschluß dieses Rechts sei nicht zu erkennen; ein solcher verstoße daher gegen den Gleichheitssatz. Das Fehlen einer die Akteneinsicht gewährenden Bestimmung vermißt der Antragsteller unter Hinweis auf VfSlg. 8017/1977 (§19 VStG) in der angegriffenen Gesetzesbestimmung.

II. Die Bundesregierung beantragt die Zurückweisung des Antrags als unzulässig, weil sich selbst bei Aufhebung der angefochtenen Gesetzesbestimmung an der Rechtsstellung des Antragstellers nichts ändern würde (Hinweis auf VfSlg. 13056/1992).

In der Sache tritt die Bundesregierung dem Antrag mit Rücksicht auf den fehlenden Behördencharakter der Volksanwaltschaft entgegen. Mit gutem Grund sehe Art148a Abs1 B-VG in seinem letzten Satz nur vor, daß dem bei der Volksanwaltschaft Beschwerde Führenden nur das Ergebnis der Prüfung sowie die allenfalls getroffenen Vorkehrungen mitzuteilen seien.

III. Der Antrag ist unzulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist grundlegende Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrags auf Aufhebung einer Norm, daß sie für den Antragsteller nicht bloß faktische Wirkungen zeigt, sondern in seine Rechtssphäre - nachteilig - eingreift und diese im Falle ihrer Rechtswidrigkeit verletzt; anfechtungsberechtigt ist also von vornherein nur jemand, an oder gegen den sich die angefochtene Norm wendet (Normadressat; VfSlg. 8060/1977, 8757/1980, 10096/1984 und durchgehend bis zB VfSlg. 14321/1995).

Der angegriffene §5 VolksanwaltschaftsG lautet:

"Für das Verfahren vor der Volksanwaltschaft sind die §§6, 7, 10, 13, 14, 16, 18 Abs1 und 4, 21 bis 31, 45 Abs1 und 2 sowie die §§46 bis 55 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950, BGBl. Nr. 172, sinngemäß anzuwenden."

Vorschriften über die Akteneinsicht enthält der hier nicht genannte §17 AVG.

Der Antragsteller tut zwar dar, daß er Interesse an einer Akteneinsicht hat und ihm kein anderer Weg offensteht, die behauptete Verfassungswidrigkeit der bekämpften Gesetzesstelle an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Er vermag jedoch nicht aufzuweisen, inwiefern er durch den Umstand, daß §5 VolksanwaltschaftsG die Akteneinsicht nicht vorsieht, in seiner Rechtssphäre berührt ist. Es besteht nämlich keine Norm, die dem von ihm ins Treffen geführten tatsächlichen Interesse im Rechtsbereich Anerkennung verschaffen würde. Daß die Volksanwaltschaft keine Befehls- und Zwangsgewalt ausübt, räumt er selbst ein. Sie führt aber nach ihrer Aufgabenstellung und Einrichtung auch kein den Antragsteller sonstwie beschwerendes Verwaltungsverfahren:

Nach der Empfehlung der Internationalen Bar Association vom 31. Juli 1974, auf die sich die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage eines Bundesverfassungsgesetzes über die Errichtung einer Volksanwaltschaft (94 BlgNR 14.GP, A II) für die dieser eingeräumten Stellung beruft, sollte der Ombudsmann ein öffentlicher Funktionär sein,

"der den Organen der Gesetzgebung verantwortlich und berufen ist, Beschwerden von Personen entgegenzunehmen, die sich durch Maßnahmen öffentlicher Einrichtungen oder ihrer Organe benachteiligt fühlen, und der auch aus eigenem Antrieb tätig werden kann und befugt ist, Untersuchungen durchzuführen, korrektive Maßnahmen zu empfehlen und Berichte zu veröffentlichen".

Die Volksanwaltschaft tritt nach der Formulierung der Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (A III) ergänzend neben das bestehende Rechtsschutzsystem "als eine Institution, die möglichst einfach und unbürokratisch dem einzelnen beistehen soll", hat darüber hinaus auch den Gesetzgeber auf bestehende Mißstände hinzuweisen und kann der parlamentarischen Kontrolle der Vollziehung Hilfsstellung bieten.

Bereits die ersten Pläne zur Schaffung einer Anwaltschaft öffentlichen Rechts (wie die Einrichtung ursprünglich heißen sollte) sahen diese ausdrücklich als eine "Weiterentwicklung des in der Verfassung verankerten Petitionsrechts" an (Regierungserklärung des ersten Kabinetts Kreisky vom 27. April 1970; vgl. dazu Adamovich, Die Volksanwaltschaft im Verfassungsgefüge, in: Verfassung, Verwaltung, Gerichtsbarkeit, Vorträge bei der Richterwoche 1977, 1978, 113 ff., 114; Korinek,

Das Petitionsrecht im demokratischen Rechtsstaat, 1977, 19 ff.; Kucsko-Stadlmayer, Die Volksanwaltschaft als Rechtsschutzeinrichtung, in: 75 Jahre Bundesverfassung, 1995, 558 ff., 562). Fortgeschritten ist auf diesem Weg die B-VG-Novelle 1988, BGBl. 685, durch Einfügung des Abs3 in Art148a B-VG, welcher die Volksanwaltschaft auch mit der Mitwirkung an der Erledigung der an den Nationalrat gerichteten Petitionen und Bürgerinitiativen betraut und damit die Stellung der Volksanwaltschaft als Hilfsorgan des Nationalrates betont.

Vor diesem Hintergrund finden sich keine Anhaltspunkte für eine Rechtssphäre des an die Volksanwaltschaft Herantretenden, in die durch das Fehlen von Vorschriften über die Akteneinsicht bei dieser eingegriffen werden könnte. Inwieweit sich aus der Formulierung des Art148a Abs1 B-VG, wonach sich jedermann bei der Volksanwaltschaft wegen behaupteter Mißstände in der Verwaltung beschweren kann, jede solche Beschwerde von der Volksanwaltschaft zu prüfen ist und dem Beschwerdeführer das Ergebnis der Prüfung sowie die allenfalls getroffenen Veranlassungen mitzuteilen sind, im übrigen eine bestimmt umrissene Rechtssphäre des Betroffenen ergibt, ist hier nicht zu untersuchen. Das Interesse des Antragstellers an der Akteneinsicht ist jedenfalls nur ein tatsächliches, durch jenes Verfahren vor der Volksanwaltschaft ausgelöstes, dessen beschränkte Wirkungen durch die Bundesverfassung selbst umrissen sind.

In Ermangelung einer Rechtssphäre erübrigt sich daher auch eine Erörterung der Frage, ob die Aufhebung einer Bestimmung, die keine die Akteneinsicht betreffende Regelung enthält, dem Antragsteller irgendeinen Vorteil brächte, und ob eine Aufhebung dieser Bestimmung überhaupt zur Beseitigung des behaupteten Mangels führen könnte.

Der Antrag ist mangels Legitimation des Antragstellers als unzulässig zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lite VerfGG).

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