Normen
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art130 ff
B-VG Art144 Abs1 / Allg
PersFrSchG 1988 Art6 Abs1
FremdenG §51 Abs1
FremdenG §52
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art130 ff
B-VG Art144 Abs1 / Allg
PersFrSchG 1988 Art6 Abs1
FremdenG §51 Abs1
FremdenG §52
Spruch:
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit S 27.000,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (im folgenden: UVS) wurde die vom Beschwerdeführer gemäß §51 Fremdengesetz 1992 (im folgenden: FrG) erhobene Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen, weil sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Einlangens der Beschwerde beim UVS nicht mehr in Schubhaft befunden hätte.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
3. Der UVS als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 13698/1994 insbesondere unter Hinweis auf den letzten Satz des Art6 Abs1 Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. 684/1988, die Auffassung vertreten, daß der unabhängige Verwaltungssenat nach dem FrG u.a. zur Prüfung der behaupteten Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme und Anhaltung in Schubhaft auch dann zuständig ist, wenn die Beschwerdeerhebung gemäß §51 FrG erst nach Entlassung des Schubhäftlings aus der Schubhaft erfolgte.
In seinem Erkenntnis VfSlg. 14192/1995 hat der Verfassungsgerichtshof der von der dort belangten Behörde und dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH 23.9.1994, 94/02/0209, und vom selben Tage, 94/02/0295) weiterhin vertretenen Auffassung, §51 FrG stelle - nur - ein Haftprüfungsverfahren bereit, mit eingehender Begründung entgegengehalten, daß ihr nicht nur der Wortlaut und Sinn des §51 Abs1 FrG entgegenstehen. Denn nach dieser Bestimmung wird eine Beschwerdemöglichkeit nicht nur gegen die Anhaltung in Schubhaft, sondern auch gegen den Schubhaftbescheid und die Festnahme eingeräumt. Vielmehr steht sie auch mit dem Sinn des behauptetermaßen allein gewährten bloßen Haftprüfungsverfahrens ("Habeas corpus") in Widerspruch:
Danach wäre nämlich nicht maßgeblich, ob sich der Fremde zum Zeitpunkt der Einbringung einer auf §51 FrG gestützten Beschwerde noch in Schubhaft befindet, sondern der Zeitpunkt der Entscheidung durch den unabhängigen Verwaltungssenat (vgl. auch VfSlg. 14224/1995).
2. Insbesondere aber wird vom UVS das vom Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen VfSlg. 13698/1994 und 14192/1995 ebenfalls relevierte Problem übersehen, daß sich das in §51 Abs1 FrG vorgesehene Rechtsmittel eben auch gegen den Schubhaftbescheid, nicht nur gegen die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft wendet. Die Auslegung des UVS führte in allen jenen Fällen, in denen ein Fremder vor, aber auch nach Ablauf der sechswöchigen Frist ab Erlassung des Schubhaftbescheides aus der Schubhaft entlassen wird, ohne daß er bis dahin eine Schubhaftbeschwerde erhoben hat, zu einer - mit dem Rechtsschutzsystem der Art130 ff. und des Art144 B-VG unvereinbaren - Rechtsschutzlücke, weil der Schubhaftbescheid diesfalls - wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 14192/1995 näher ausführte - weder vor dem unabhängigen Verwaltungssenat noch vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts anfechtbar wäre.
3. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich deshalb außer Stande, der - wenn auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgenden - Auffassung des UVS beizutreten. Vielmehr hat der Verfassungsgerichtshof an seiner bisherigen Rechtsprechung festzuhalten.
Der UVS hätte die Schubhaftbeschwerde daher nicht aus den im angefochtenen Bescheid angeführten - im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof als unzutreffend erwiesenen - Gründen zurückweisen dürfen.
Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die belangte Behörde "nicht die schwerwiegenden Folgen eines Eingriffes in die persönliche Freiheit einer Person durch deren vorübergehende Inhaftierung" verkannt hat und "im Sinne der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der durch die Beschwerde bekämpften Maßnahmen" ergänzende Überlegungen zur Frage der Angemessenheit und Erforderlichkeit der Schubhaft anstellt.
4. Durch die Zurückweisung der Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft hat der UVS sohin zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert und den Beschwerdeführer in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt (vgl. VfSlg. 13698/1994, 14192/1995, 14224/1995).
5. Der Bescheid war daher aufzuheben.
III. 1. Die Kostenentscheidung
stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Betrag sind S 4.500,-- an Umsatzsteuer enthalten.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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